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UPS-Deutschland-Chef Frank Sportolari sucht Technologien zum Anfassen

Drohnen, automatisierte Lieferprozesse und Same Day Delivery – die Logistikbranche ist dabei, sich neu zu definieren. Amazon oder auch das kürzlich von Hermes übernommene Startup Liefery stellen noch am selben Tag Pakete zu, dank softwaregestützter Routenplanung. Daneben drängt auch die Fahrervermittlung UberFright auf den globalen Auslieferungsmarkt.

Einer dieser Player ist schon seit über einem Jahrhundert auf dem Markt: Der 1907 gegründete Paketdienst UPS stellt täglich über 20 Millionen Sendungen zu, mit 100.000 Fahrzeugen und einer eigenen Airline. Im Interview erklärt UPS-Deutschland-Chef Frank Sportolari, wie Drohnen bei UPS zum Einsatz kommen könnten, was das nächste große technologische Ding sein wird und wie sich der Austausch mit Startups gestaltet.

Herr Sportolari, Sie sind Deutschland-Chef des Paketdienstes UPS. Ihr Netzwerk aus Frachtflugzeugen und den typisch braunen UPS-Lastern erstreckt sich um die ganze Welt. Fahren Sie auch manchmal beim Paketausliefern mit?

Ich habe vor zwei Jahren eine neue Hüfte bekommen. Seitdem bin ich nicht mehr mitgefahren. Aber ich will bald wieder meine Uniform anprobieren. Wenn sie noch passt, fahre ich gerne mit. Da lernt man sehr viel. Wir versuchen dafür zu sorgen, dass jeder aus den Führungspositionen den gewerblichen Teil unserer Arbeit kennenlernt.

Wollen Sie so als Großkonzern innovativ bleiben?

Als UPS 1907 gegründet wurde, waren wir eigentlich ein Botendienst. Kaum jemand hatte ein Telefon. Unser Gründer James Casey hatte hingegen eins und schickte junge Boten für zehn Cent mit Nachrichten an Kunden los. Das Geschäftsmodell wurde dann schnell obsolet, weil jeder ein Telefon bekam. Also begann er mit Paketen. Erst B2C, dann – weil sich das Konsumentenverhalten änderte – fast hundert Prozent B2B. Jetzt dreht sich das wieder. Man muss einfach aufpassen, was der Markt will.

Wenn der Tag kommt, an dem die Menschen wie in Star Trek Enterprise etwas beamen können, müssen wir entweder die Beamer-Anlage vertreiben oder wir sind Out of Business. Deswegen steigen wir zum Beispiel massiv in 3D-Printing ein. In Europa werden wir demnächst eine Printing-Farm platzieren. Ich gehe davon aus, dass es in Deutschland sein wird.

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Künftig sollen bei UPS nicht nur Fahrer, sondern auch Drohnen ausliefern. Erste Experimente laufen bereits in den USA. Wie sehen die Fahrer die Drohnen-Konkurrenz?

Ich glaube, niemand hat Angst um seinen Arbeitsplatz. Unsere Zusteller wissen, dass wir Abläufe mit Technologie optimieren müssen, um in der Champions League mitspielen zu können. Einfache Tätigkeiten fallen sicher weg, aber andere kommen hinzu. Technologie muss kein Jobkiller sein. Auch wenn es natürlich der Trend ist, dass die Arbeitsplätze von Leuten, die gar nichts gelernt haben, eher gefährdet sind.

Der CEO von UPS, David Abney, hat kürzlich gesagt, er glaube nicht an eine Zukunft, in der Versand-Drohnen überall durch die Städte schwirren.

Alles, wofür es ein Geschäftsmodell gibt, wird kommen. Aber ist es effektiver, wenn hunderttausende Drohnen in deutschen Städten durch die Luft fliegen? Irgendwann in der fernen Zukunft vielleicht, wer weiß. Aber in der nahen Zukunft halte ich das für ziemlich unrealistisch. Stellen wir uns hingegen ein abgelegenes Dorf in Deutschland vor: Bauernhöfe, nur eine Hauptstraße. Die werden sicher schon bald mit Drohnen beliefert werden.

Wie wichtig ist die Drohnentechnologie wirklich für UPS?

Drohnen sind publizitätswirksam. Alle wollen immer von Drohnen hören. Realistisch gesehen werden bald aber eher autonomes Fahren, 3D-Druck und Platooning unsere tägliche Arbeit verändern.

Platooning?

Das ist eine Art halbautonomes Fahren. Dadurch können die Fahrzeuge sehr nah beieinander fahren, weil sie teilweise von der Software gesteuert werden. Die Fahrzeuge reagieren so zum Beispiel auf Bremsmanöver schneller als der Fahrer. Platooning spart Sprit und Platz auf der Autobahn. Wir erproben Platooning gerade live in einem ersten Praxis-Versuch in Utah. Drohnen kommen sicher – das andere ist aber derzeit wichtiger.

Außerdem setzen wir sogenannte Ecoliner ein, die über 25 Meter lang sind. Zwei Ecoliner ersetzen drei normale Lkws. Die sind vollgepackt mit Technologie. Wenn man da in eine Kabine einsteigt, sieht es aus wie in einem Boeing-747-Cockpit. Überall sind Kameras, neue Bremssysteme und so weiter. Das sind alles nur kleine Schritte, die nicht so dramatisch sind und bekannt werden. Aber sie sind in Deutschland schon jetzt auf Teststrecken im Einsatz.

Derzeit boomen Logistik-Startups in Deutschland. Gefühlt kommt jede Woche ein neues hinzu. Sehen Sie das als Bedrohung für das Geschäftsmodell von UPS?

Nein, das ist keine Bedrohung für uns. Wir sind in einem hart umkämpften Markt. Das, was wir anbieten, ist nicht so leicht nachzumachen: ein weltweites System aus Fluggesellschaften und Bodennetzwerken.

Will UPS auch im Startup-Geschäft mitmischen?

UPS hat in den USA Coyote und in Europa FreightEx gekauft, die die Auslastung von Lkws erhöhen. Bei mehr als der Hälfte von Lkw-Fahrten ist der Laderaum normalerweise nicht voll – ein enormer Verlust an Kapazität. FreightEx baut hier in Europa Netzwerke auf, sodass man so gut wie nie Leerfahrten hat. Das sind die Modelle die mich mehr interessieren: Etwas, das man heute einsetzen kann.

Gibt es aktuell Startups in Deutschland, die für ein UPS-Investment in Frage kommen könnten?

Wir haben einen Strategic Investmentfonds, der Anteile an Startups kauft. Gerade hier in Berlin haben wir in eine Firma investiert, die dann ins Silicon Valley umgezogen ist: Itembase ist ein Unternehmen mit einem Checkout-System für E-Commerce. Es gibt sicher noch viele Gebiete, wo jemand mit einer tollen Idee punkten kann.

Wissen Sie, ich teile die Welt in zwei Bereiche. Das ist wahrscheinlich falsch, aber als alter Mann muss ich mir ein bisschen Struktur zurechtbauen. Es gibt Leute, die bereits vorhandene Modelle effizienter machen, indem sie Technologie einsetzen. Dazu gehören Uber oder Lyft. Und dann gibt es Leute, die mit ganz neuen Ideen kommen. Das sind die interessanteren Modelle. Nehmen Sie zum Beispiel Mobiltelefone – die waren revolutionär. Uber hingegen ist keine neue Idee. Als ich Student war, habe ich immer Leute mitgenommen, wenn ich irgendwohin gefahren bin. Uber ist nicht anders, nur effektiver durch Technologie.

Wenn Sie den US-amerikanischen und den deutschen Startup-Markt vergleichen: Wo sind die interessanteren Technologien?

Ich habe in Berlin viele Leute mit interessanten Technologien kennengelernt – zum Beispiel zum Thema Paket-Schließfächer und Personen-Tracking. Es gibt genügend Ideen hier in Deutschland. Ich denke, es ist eher eine Frage von zu wenig Kapital.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Sportolari!

Bild: UPS