Tanja Kufner: „Eine Idee auf einem Zettel reicht nicht aus.“

Die Zahlen sind beeindruckend: Fast 300 Startups haben Wayra, das Accelerator-Programm des Telekom-Giganten Telefónica, bereits absolviert; 30.000 Businesspläne wurden gelesen; 30 Millionen Euro investiert. Noch bis Sonntag läuft die nächste Bewerbungsrunde – auch für die Akademie in München, dem deutschen Wayra-Standort. Dort leitet die ehemalige Investmentmanagerin Tanja Kufner seit einem knappen Jahr das Programm. Im Gespräch zieht sie Bilanz, wägt Vor- und Nachteile des Standorts München ab und erklärt, warum sie ihren Startups auch mal empfiehlt, Investmentangebote der Telefónica-VCs abzulehnen.

Die Accelerator-Dichte in Deutschland hat sich zuletzt stark erhöht. Wie setzt man sich da von der Masse ab? Wie würdest du dein Programm pitchen?

Wir waren einer der allerersten. Wir sind nicht der me too, wir sind me first.

Der erste zu sein, heißt aber nicht unbedingt, der beste zu sein. Manche Kopie ist besser als das Original. Die Samwers machen das vor.

Das stimmt. Aber wir finden, dass wir einer der besten sind, weil wir einen globalen Ansatz haben. Es gibt 14 Akademien in zwölf Ländern. Telefónica hat über 300 Millionen Kunden weltweit. Unsere Teams globalisieren sehr schnell. Und zwar in Märkte, wo die Samwers und auch andere Accelerators froh wären, wenn sie die so schnell besetzen könnten wie wir.

Trotzdem hat von den knapp 300 Wayra-Startups noch keines einen Exit hingelegt.

Dafür ist es zu früh. Das Programm ist ja gerade mal 20 Monate alt und in München sogar nur zehn Monate. Aber wir werden in Zukunft mit Sicherheit noch viel Großes sehen. Der Exit kann ja auch immer intern sein – obwohl wir eigentlich gar nicht wollen, dass Wayra-Startups zu Telefónica-Unternehmen werden. Sie sollen aus eigener Kraft am Markt erfolgreich sein und die digitale Wirtschaft ihrer Heimatländer stärken.

Warum eigentlich? Seid ihr wirklich so selbstlos?

Das ist nicht selbstlos. Für uns springt ja wahnsinnig viel dabei heraus. Wir können digitale Geschäftsmodelle weltweit erkennen, verstehen und clustern. Die ganzen Innovationen, die wir da mit großziehen, würden wir wahrscheinlich gar nicht bekommen, wenn wir das über interne Forschung und Entwicklung machen würden. Und die ganze Startup-Kultur fließt wieder zurück in den Konzern. Das ist richtig spannend für Telefónica.

Der Hauptvorteil dürfte aber sein: So ein Accelerator ist viel billiger als eine Abteilung für Forschung und Entwicklung.

Natürlich bietet ein Accelerator das beste Umfeld für Forschung und Entwicklung. Aber Telefónica hat immer nur Minderheitsbeteiligungen an den Startups. Sie entwickeln für sich selbst und nicht für uns. Wir können höchstens dabei zusehen.

Man kann das auch als Vorwurf formulieren: Es ist billiger Innovationstransfer für einen großen Konzern.

Nein, die Innovationen werden nicht transferiert, denn unsere Startups sind extrem unabhängig. Wir nehmen nur eine kleine Unternehmensbeteiligung und lassen sie dann machen. Telefónica zieht weder Wissen noch Leute ab, denn die Startups sollen autonom und erfolgreich am Markt sein. Man könnte fast sagen: Wayra gibt 40.000 Euro und das war’s. Anschließend muss sich ein Startup schon selbst an die Telefónica-VCs Amérigo oder Telefónica Ventures wenden, wenn es enger mit unserem Konzern verbunden sein möchte.

Telefónica Ventures hat bislang nur in ein einziges Wayra-Startup, TaskHub, investiert. Warum diese Zurückhaltung?

Das kann man so nicht sagen. TaskHub ist zwar bisher offiziell das einzige Investment, aber ich bin zuversichtlich, dass vor allem Amérigo in weitere Portfolio-Unternehmen investieren wird. Insgesamt habe ich über dieses Thema meine eigene Meinung, die aber nicht unbedingt der Position von Telefónica Ventures entsprechen muss: Ich würde meinen Teams immer raten, sich nur Geld von Telefónica Ventures zu besorgen, wenn sie auch wirklich eine engere Zusammenarbeit mit Telefónica anstreben.

In München gibt es euch seit zehn Monaten. Was hast du in der Zeit gelernt?

Ein Learning ist: Die Teams dürfen nicht mehr ganz am Anfang stehen, eine Idee auf einem Zettel reicht nicht aus. Die Gründer sollten ihre Prototypen fertig oder beinahe fertig haben. Was ich auch gelernt habe: Man muss nicht auf Teufel komm raus die Akademie voll haben. Wenn ich nur drei gute Teams habe und sieben Plätze frei sind, dann sind es eben mal kurz nur drei Teams. Dann beteiligen wir uns einfach wieder an der nächsten internationalen Bewerbungsrunde.

Hat sich der Fokus der Geschäftsideen verändert?

Wir überlegen selbst, für München einen besonderen Fokus zu finden. Das können die Bereiche M2M oder Internet of Things sein, weil wir so viele Unternehmen aus der Automobil- und IT-Branche in unserer Stadt haben, die unsere Partner sein möchten.

Die Gründerszene in München wird allerdings gerade von Berlin abgehängt.

Es gibt eine sehr aktive Gründerszene in München, die sich aber noch nicht mit Berlin vergleichen kann. Was wir hier nicht so gut machen: Wir trompeten unsere guten Nachrichten nicht so heraus wie die Startups in der Hauptstadt und wir sind weniger vernetzt. Das wollen wir ändern. Ansonsten gilt: München ist eine sehr reife Gründerstadt und junge Unternehmen müssen hier sehr schnell skalieren. Die Gründer können sich keine Pause gönnen. In München musst du richtig Gas geben, weil es ein teures Pflaster ist.

Habt ihr euch bewusst für den Standort München entschieden?

Ja, und ich bin heute auch sehr froh darüber. In den ersten Monaten hatte ich mir noch gewünscht, nach Berlin zu wechseln. Doch dann wären wir heute ungefähr der siebzehnte Accelerator.

Ist diese Accelerator-Flut eigentlich eine gute Sache?

Wir sollten jedem dankbar sein, der aktiv wird, um die deutsche Gründerszene voranzubringen. Aber ganz offen gesagt: Wenn es schon wieder so viele gibt, dann ist das vielleicht ein Signal zum Aufhören. Natürlich nicht für uns, weil Wayra sich schon in so vielen Ländern etabliert hat. Aber die heutige Lage erinnert wirklich ein wenig an 1999 oder 2000. Damals fingen auch fast alle Corporates mit den gleichen Programmen an. Und heute hat selbst Coca Cola einen Accelerator. Wo soll das aufhören?

Ein nicht konzerngebundenes Programm hat dagegen die Segel gestrichen: HackFwd von Lars Hinrichs.

Ich finde das traurig und schade, denn HackFwd war immer extrem innovativ. Ich habe den größten Respekt vor Lars Hinrichs.

Letzte, große Frage: Du bist Halb-Amerikanerin, in Bayern aufgewachsen und warst mehrere Jahre im Silicon Valley. Wie weit ist Deutschland vom Valley aktuell entfernt?

Wenn man nur Berlin betrachtet, dann sind die Unterschiede gar nicht mehr so groß. Alle sind neu in der Stadt und müssen sich vernetzen. Diese Kultur öffnet viele Türen. In Bayern haben wir das weniger, weil wir so etabliert sind und das große Geld und die starken Großunternehmen bei uns sind. In München ist alles irgendwie erwachsener.

Bild: Namensnennung Bestimmte Rechte vorbehalten von NEXT Berlin