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Bekommt Berlin ein neues Einhorn? Vor nicht einmal einer Woche hat das Fintech WB21 angekündigt, seine Europa-Zentrale wegen des Brexits von London nach Berlin zu verlegen. 20 Mitarbeiter wechseln von der Themse an die Spree, dazu sollen 200 neue Jobs entstehen.

In Medien wie Forbes, der Huffington Post oder Business Insider wird das Startup und sein deutscher Gründer Michael Gastauer gefeiert. Denn WB21 soll – nur zehn Monate nach Gründung – bereits eine Million Kunden haben und wuchtige 2,2 Milliarden US-Dollar wert sein. Bis Jahresende will das Startup 200 Millionen Dollar von Investoren einsammeln, bis 2020 sogar an die Börse gehen.

Kann das alles sein? Tatsächlich sind Zweifel an der Geschichte angebracht.

Das Unternehmen, das im Dezember 2015 in der Schweiz gestartet ist, ermöglicht seinen Kunden, internationale Überweisungen in wenigen Minuten zu einem Bruchteil der üblichen Gebühren zu tätigen – ähnlich wie der Konkurrent TransferWise. Ein Prozent des Überweisungsbetrags geht dabei an WB21. Hinzu kommt die Möglichkeit, innerhalb weniger Minuten ein Konto in einem anderen Land zu eröffnen, ohne jemals persönlich bei einer Bank zu erscheinen.

Nur 100 Downloads im Play Store

Für seine Kunden will WB21 bereits 5,2 Milliarden Dollar überwiesen haben. Zum Vergleich: TransferWise hat vier Jahre gebraucht, um auf eine vergleichbare Überweisungssumme von 4,5 Milliarden Dollar zu kommen. Doch es ist nicht die einzige Zahl, die stutzig macht.

Nach Unternehmensangaben haben sich bereits eine Million Kunden bei WB21 registriert. Doch die offizielle App zählte am vergangenen Donnerstag in Googles Play Store gerade einmal 100 Downloads. Die Software sei nicht auf dem neuesten Stand, gibt CEO Gastauer auf Nachfrage von Gründerszene an. Das erkläre auch die geringen Download-Zahlen. Und: „Die meisten unserer Kunden kommen ohnehin nicht über mobile Geräte zu uns.“ Wenige Stunden nach dem Gespräch verschwand die App aus dem Store. Einen Tag später war auch die iOS-App offline.

Wäre das nicht schon merkwürdig genug, weist auch die Webseite nach Recherchen von Gründerszene weit weniger Nutzer auf als bei einer Million Kunden anfallen müssten. Schätzungen des Web-Analytics-Dienstes Similarweb legen nahe, dass die Seite im gesamten Monat Mai nur Aufrufzahlen von gerade einmal 2.000 Klicks verzeichnen konnte. Erst im Juni stieg die Nutzung an. Im August zählt WB21.com etwa 40.000 Visits. Die Zahl der Unique User dürfte weit darunter liegen. Wie sich angesichts dieser Zahlen bisher jene eine Million Nutzer bei der Web-Bank registriert haben sollen, ist ein Rätsel. Auf Anfrage zweifelt Michael Gastauer die Statistiken an. Nach eigenen Analysen würden täglich „mehr als 100.000 Besucher pro Tag“ die Webseite besuchen. Similarweb verzeichnet hingegen durchschnittlich nur 1.000 Klicks pro Tag.

Eine Bank, die keine Bank ist

Dann ist da die vermeintliche 2,2-Milliarden-Bewertung. Die kommt nicht wie sonst bei Startups üblich aus dem Kontext einer Finanzierungsrunde mit Investoren, denn WB21 ist bislang ausschließlich eigenfinanziert. Stattdessen stammt die Bewertung laut Gastauer von der Investmentbank J.P. Morgan, die das Fintech wegen des geplanten Börsengangs unter die Lupe genommen habe. Gegenüber dem Financial-Times-Blog Alphaville will die Investmentbank die Bewertung jedoch nicht bestätigen.

Nach eigener Aussage hat Michael Gastauer bislang 22 Millionen Dollar in sein Startup gesteckt. Das Geld dafür stamme aus einem früheren 480-Millionen-Dollar-Exit seiner Firma Apax Global Payments, die er 2008 an die Malaysian Banking Group verkauft habe, so Gastauer gegenüber Forbes. Im damaligen Jahresbericht der Bankengruppe findet sich zu dieser Übernahme von immerhin fast einer halben Milliarde Dollar jedoch keine einzige Erwähnung.

Noch kurioser: WB21 bewirbt selbst als „Digital-Bank“, der Name selbst steht für Web Bank 21. Wer jedoch ein Konto bei dem Fintech eröffnen will, wird bei der Anmeldung darauf hingewiesen, dass WB21 eigentlich „gar keine Bank, sondern eher ein Zahlungsdienst“ sei. Geprüft und lizensiert sei WB21 von der Singapurer Zentralbank, so Gastauer gegenüber Alphaville. Im Register der Monetary Authority of Singapore findet sich allerdings kein Eintrag.

WB21 habe nun eine deutsche Banklizenz beantragt, so Gastauer. Und auch bei der Kundenzahl will er nachlegen. „Wir stecken derzeit alles in Kundenakquise“, so der Firmenchef. „Zudem planen wir mehrere strategische Übernahmen, unter anderem in China.“ Wer da übernommen werden soll, will er nicht verraten – nur so viel: „Es handelt sich um eine größere Bitcoin-Firma mit rund zwei Millionen Kunden.“

Bild: Pexels