wearable technologies republica
wearable technologies republica Die kenianische Unternehmen Juliet Wanyiri (links) und Deutschlands Digitalbotschafterin Gesche Joost sprechen bei der Republica über die Maker-Bewegung

Harald Welzer gibt gleich zu Beginn den Spielverderber. „Ich habe gerade etwas total Analoges getan – ich bin aufs Klo gegangen“, beginnt der Soziologe seinen Vortrag auf der Digitalkonferenz Republica. Vor den drei Pissoirs hätten junge Männer gestanden, die „mönchisch gebeugt“ auf ihr Smartphone schauten.

Mit der ständigen Vernetzung gehe die Privatheit verloren, lautet seine These. In der Vergangenheit seien es Geheimdienste gewesen, die in den privaten Lebensraum eingedrungen sind. Heute würden die Menschen die Daten gleich selber liefern. Demokratie und Freiheit sollte man nicht für irgendwelche Apps aufs Spiel setzen, sagt Welzer. Es sind Argumente, die man nicht teilen muss – doch sie stimmen nachdenklich.

Kritische Stimmen wie die von Welzer fanden sich immer wieder unter den 800 Rednern auf der diesjährigen Republica. Zwei Jahre nach den Snowden-Enthüllungen befürchten Experten durch Trends wie Wearables und dem Internet der Dinge mehr Überwachung durch Unternehmen und Regierungen. Ihre Anmerkungen sind dabei alles andere als eine pauschale Technik-Kritik.

Wo es mit den Wearables einmal hingehen soll, zeigt erstmal die Internetbotschafterin Gesche Joost. In einem ihrer Uni-Projekte näht sie Elektrochips in Strickjacken ein. Alte Menschen müssen „nicht mehr eine hässliche Kette mit einem Notfallknopf“ um den Hals tragen – mit einem Kniff in den Ärmel können sie den Alarm auslösen, erklärt Joost auf der Bühne. Und mit dem 3D-Drucker des US-Startup Formlabs lässt sich Kopfschmuck herstellen, der die Gehirnströme misst. „Wenn sie wütend sind, färbt sich die Kopfbedeckung purpur“, sagt Sara Bonomi von Formlabs.

Gerade die Bewegung von Startups und Makern, die an Geräten und Gadgets für das Internet der Dinge werkeln, sieht Stephan Noller in Gefahr. Der ehemalige CEO des Targeting-Unternehmens Nugg.ad glaubt, dass die großen Konzerne die Open-Source-Bewegung kaputtmachen. Milliardenbeträge würden Unternehmen wie Intel und Cisco in die Technik investieren. Mit Erfolg: Intel hat speziell für das Internet der Dinge einen Chip entwickelt. Die Schaltpläne seien in Zukunft nicht mehr Open Source, kritisiert Noller. Zudem könnten die großen US-Unternehmen künftig in Gremien die Kommunikationsstandards bestimmen. „Wer da mitredet, wird das Feld dominieren“, sagt Noller.

Um zu zeigen, wie sich das Internet der Dinge anders umsetzen lässt, hat Noller ein Kunstwerk auf der Republica installiert. Dafür schickte er Licht-Sensoren an Coworking-Spaces und Maker-Labs in allen europäischen Ländern. Die Farbe und Intensität des Lichts wird dann von Lampen auf der Republica wiedergegeben. Noller will damit zeigen, dass man mit der Technik „nicht nur seinen Urin oder Schritte messen kann, sondern auch etwas Politisches“ bewegen könne.

Schon bald kommen konkrete Anwendungen im alltäglichen Leben an, erzählt der Experte. Neue Automodelle sollen ab 2018 einen Notrufknopf erhalten. „In wenigen Jahren wird jedes Auto mit dem Internet verbunden sein“, sagt Noller. Der Notrufbutton sei nur der Anfang, es gebe bereits Diskussionen darüber, dass die Polizei die Autos mit einem sogenannten „Remote Stop“ steuern kann. Diese technologische Kontrolle fürchtet Noller. Er stellt sich vor, wie ein Polizist aus der Zentrale einen Terroristen von einem unbeteiligten Auto per Fernsteuerung überfahren lässt. Ein etwas abwegiges Beispiel.

Den Gedanken der Fremdkontrolle spinnt Kreativberater Marcus Brown humoristisch weiter. Aus dem „Internet of Things“ (IoT) macht der Kreativ-Berater kurzerhand das EoT – „Espionage of Things“.

In einer fiktiven Produktbeschreibung erklärt er, wie Unternehmen und Geheimdienste die letzte Hürde nehmen: Mit der Droge „Rachel“ – garantiert zuckerfrei – bekommen sie Zugang zu den Köpfen der Menschen. Für die Benutzer ist es wie ein Siri-Assistent im Kopf.

Auf der Bühne schluckt er eine Pille und fängt an, sich mit der Stimme zu unterhalten. Dann schallt es plötzlich durch den Raum: „Access denied.“ Warum?, fragt der gebürtige Brite. „Weil du Deutschland zu sehr magst.“ Der Saal lacht.

Bild: Caspar Schlenk