Zwei der Westwing-Gründer: Stefan Smalla und Delia Fischer
Zwei der Westwing-Gründer: Stefan Smalla und Delia Fischer Zwei der Westwing-Gründer: Stefan Smalla und Delia Fischer

Um Westwing ist es längere Zeit ruhig gewesen. Zuletzt soll der Shoppingclub für Inneneinrichtung seine Pläne für einen Börsengang ins Ungewisse verschoben haben. Das war vergangenen Sommer. Ein Problem zu der Zeit: Das Startup von Rocket Internet verbrannte auch vier Jahre nach der Gründung weiter viel Geld. Im Jahr 2015 lag der operative Verlust bei knapp 50 Millionen Euro, während das Unternehmen einen Nettoumsatz von 219 Millionen Euro erzielte. Das geht aus den Geschäftszahlen von Rocket Internet hervor.

Auf Westwing lastet der Druck, das Geschäft zeitig herumzureißen. Denn wenn es nach Rocket-Chef Oliver Samwer geht, wurde vergangenes Jahr der Höhepunkt der Verluste seiner Beteiligungen erreicht. Samwers Devise lautet nun: Die Rocket-Startups sollen sich in Richtung Profitabilität bewegen, drei Firmen würden im Jahr 2017 den Break-Even erreichen.

Da zeigen die neuesten verfügbaren Zahlen von Westwing einen Fortschritt, zumindest auf den ersten Blick. So verbesserte sich die Ebitda-Marge im ersten Quartal 2016 im Vergleich zum Vorjahr um 25 Prozentpunkte. Der Verlust lag in diesem Zeitraum bei sechs Millionen Euro (Vorjahr: 19 Millionen Euro).

Dieser Sprung reicht allerdings nicht aus, um es aus eigener Kraft in die Profitabilität zu schaffen. Bisher sind bereits knapp 210 Millionen Euro Risikokapital in Westwing geflossen. Wie aus einer aktuellen Präsentation des Investors Kinnevik hervorgeht, hat Westwing vor kurzem erneut 24 Millionen Euro in Form einer Wandelanleihe bekommen. Von dem Shoppingclub heißt es auf Nachfrage lediglich: „Wir sind auf einem hervorragenden Weg zur Profitabilität und waren uns mit den Investoren darüber einig, dieses Ziel mit dieser Finanzierungsrunde zu unterstützen.“

Welche Entwicklung das Unternehmen für das laufende Geschäftsjahr erwartet, beantwortete Westwing auf Nachfrage nicht. Ebenfalls nicht, wie die Verluste so stark reduziert wurden. Westwing gibt an, nach wie vor mehr als 1.600 Mitarbeiter zu beschäftigen.

Schwinden treue Kunden?

In jedem Fall schlagen sich die Einsparungen in den Zahlen nieder: Das Umsatzwachstum schrumpfte und lag im vergangenen Jahr noch bei etwa 19 Prozent. Im Vergleich zu den zwölf größeren Rocket-Ventures ist das eines der schlechtesten Wachstumsergebnisse für das Jahr.

Eine Schwierigkeit könnte die schwindende Kundentreue sein. Der Rocket-Jahresbericht 2015 zeigt, dass die Anzahl der Kunden zwar um 500.000 auf 1,7 Millionen gestiegen ist. Gleichzeitig gab es aber nur 300.000 Bestellungen mehr. Pro Kopf bestellen die Kunden demnach weniger. Um das Wachstum aufrecht zu erhalten, müssen also mehr neue Einkäufer angeworben werden. Westwing wollte sich zu der Problematik nicht äußern. Im Rocket-Jahresbericht heißt es, das Marketing werde sich künftig auf loyales Kundenverhalten fokussieren.

Der Lieferando-Gründer Christoph Gerber vermutete bereits im April in einer Analyse der Rocket-Jahreszahlen auf seinem Blog, Westwing werde aufgrund solcher Entwicklungen Mitte 2016 eine neue Kapitalerhöhung benötigen. Er verweist außerdem auf Firmen mit ähnlichen Geschäftsmodellen, die Erwartungen nicht erfüllen konnten. One Kings Lane beispielsweise, einst mit 900 Millionen Dollar bewertet, wechselte dieses Jahr für geschätzte 150 Millionen Dollar den Besitzer.

Auch Kinnevik sieht schlechtere Perspektiven für den Markt. Wie bei vielen Investoren üblich berechnet Kinnevik den Wert von Westwing auf Basis einer Peer Group. Dabei werden Geschäftszahlen ähnlicher, älterer Unternehmen herangezogen, zum Beispiel von der Ocado Group und Wayfair. Im Kinnevik-Bericht heißt es, der Wert dieser Gruppe sei jüngst um zehn Prozent reduziert worden – „aufgrund von Faktoren wie geringerer Profitabilität und Firmengröße“. So reduzierte der Investor auch seine Bewertung für Westwing: Vom ersten auf das zweite Quartal 2016 setzte Kinnevik sein Multiple für das Investment von 1,3 auf den Faktor 1,0 herab. Der Investor hat bisher etwa 44 Millionen Euro für seine Anteile an dem Shoppingclub gezahlt.

Über die vergangenen eineinhalb Jahre sieht Kinnevik auf dem Papier keine Wertsteigerung bei Westwing. Im Dezember 2014 betrug die Bewertung bei einer Finanzierungsrunde 450 Millionen Euro post money, also inklusive der gezahlten 25 Millionen. Im April 2015 flossen dann noch einmal 30 Millionen Euro in das Unternehmen. Nach dem aktuellen 24-Millionen-Investment notiert Kinnevik den Wert von Westwing jetzt mit 500 Millionen Euro.

Dass die Unternehmensbewertung über viele Monate gleich bleibt, ist in der Rocket-Welt des Wachstums kein gutes Zeichen. So lässt sich auch die verhaltene Reaktion Westwings erklären: Zur Finanzierung verschickte das Münchner Startup keine Pressemitteilung. Es wartet wohl auf bessere Zeiten.

Bild: Westwing