Whatsapp-Gründer Jan Koum (r.) und David Rowan, Chefredakteur der britischen Wired
Whatsapp-Gründer Jan Koum (r.) und David Rowan, Chefredakteur der britischen Wired WhatsApp-Gründer Jan Koum (r.) und David Rowan, Chefredakteur der britischen Wired, auf der DLD 2014.

Erstveröffentlichung dieses Beitrags am 21. Januar 2014

WhatsApp: 50 Mitarbeiter für 430 Millionen Kunden

Bisher ist er kaum in der Öffentlichkeit aufgetreten, Jan Koum und sein Team arbeiten in einem kleinen Büro im Silicon Valley, rund 50 Leute sitzen da nur, rund die Hälfte davon Programmierer, die meisten anderen arbeiten im Kundenservice – aber fast jeder kennt ihr Produkt. Allein in Deutschland benutzen rund 30 Millionen Menschen die Messaging-App WhatsApp. Weltweit sind es fast eine halbe Milliarde, 430 Millionen insgesamt. Wohlgemerkt aktive, nicht registrierte Nutzer.

Am Dienstag gab WhatsApp-Erfinder Jan Koum im Rahmen der DLD-Konferenz des Burda-Verlags eine Public Lecture an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Einen Tag zuvor saß er auf der Bühne der DLD, interviewt von David Rowan, Chefredakteur der britischen Ausgabe von Wired, der einen Monat zuvor Jan Koum und sein Team im Silicon Valley besucht hatte.

Update, 20. Februar 2014: Nun ist WhatsApp an Facebook verkauft, Gründerszene hat darum noch mal nachgeschaut, was Jan Koum zu einem möglichen Exit auf der DLD ganz genau gesagt hat. Was beim Zuhörer ankam, war: „Wir wollen groß werden, wir wollen nicht verkaufen.“ So hatte es Gründerszene berichtet. Ganz genau hat Koum folgendes gesagt, was jeder ab Minute 16:13 selbst nachhören kann. David Rowan fragt den WhatsApp-Gründer: „And you promise that you go for the big one and not sell out in the meantime?“ Jan Koum antwortet: „That’s our goal. We are trying to build a company that we can be proud of and not something that is build just to quickly pump and dump.“

Insofern kann man sagen: Ziel nicht erreicht. 19-Milliarden-Dollar-Deal. Fair.

Koum kam Anfang der neunziger Jahre als 16-Jähriger in die USA, ausgewandert aus der damals noch sowjetischen Ukraine. Es sei damals sehr schwierig gewesen, mit Freunden in der Heimat Kontakt zu halten, Telefonieren war teuer und ging nur über spezielle Telefongesellschaften. „Das ist ein Grund, warum wir mit so viel Leidenschaft daran arbeiten, möglichst vielen Leuten zu ermöglichen, mit ihren Familien zu kommunizieren“, sagt Koum. „Unser Ziel ist auf jedem Smartphone dieser Welt zu sein.“

Koums Vergangenheit prägt WhatsApp

Überhaupt, so suggeriert es das Gespräch, hat die Genese von WhatsApp viel mit Koums Vergangenheit zu tun. Der Dienst verzichtet auf Werbung – Koum ist in der Sowjetunion ohne Werbung aufgewachsen. Auf dem Flug zur DLD habe er „Das Leben der Anderen“ gesehen, sagt er, als er auf den NSA-Skandal angesprochen wird. In seiner Kindheit hätten die Wände auch Ohren gehabt, seine Eltern hätten am Telefon nie offen gesprochen. „Das ist kein Thema fürs Telefon“, hätten sie oft gesagt. WhatsApp speichere Nachrichten nicht auf Servern, auf dem Weg von und zum Server würden die Nachrichten verschlüsselt, so wolle sich das Unternehmen gegen Abhörmaßnahmen schützen.

Natürlich greift es zu kurz, den Verzicht auf Werbung allein über Koums Vergangenheit zu erklären. Dahinter steckt eine Philosophie („Werbung auf so etwas Persönlichem wie einem Telefon fühlt sich für uns falsch an“) und eine bewusste Business-Entscheidung. „Es gibt großartige Firmen, die mit Werbung Geld verdienen, aber wir wollten von Beginn an einen anderen Weg gehen.“ Denn WhatsApp will eine direkte Beziehung zum Kunden und verlangt darum eine kleine Jahresgebühr für die Nutzung des Service.

Und ja, WhatsApp verdiene schon Geld, sagt Koum. Das sei aber derzeit nicht der Hauptfokus. Wachstum und Produkt stünden im Vordergrund: Die User sollen die App mögen, sie darf nicht abstürzen, soll immer funktionieren – trotz der 50 Milliarden Messages, die jeden Tag von WhatsApp bewältigt werden müssen. Richtig Geld verdienen will der Gründer erst in ein paar Jahren.

„Wir wollen groß werden, wir wollen nicht verkaufen“

Ob er keine Angst vor der Konkurrenz habe, will Interviewer David Rowan von Koum wissen – vor allem vor Diensten wie Snapchat. Wer ein Bild verschicken will, das sich von selbst zerstört, kann WhatsApp nicht nutzen, sondern muss zu Snapchat. „Das ist ja das gute an einem freien Markt“, sagt Koum. Whatsapp soll sich weiter aufs Messaging konzentrieren. „Das wichtige ist Fokus“, sagt er.

An einen Exit denkt Koum derzeit nicht. Auch nicht vor dem Hintergrund, dass zum Beispiel für Snapchat bereits Milliarden geboten wurden. „Wir wollen eine nachhaltige Firma aufbauen“, sagt der Gründer. Es sei ja gar nicht so schwierig, ein Unternehmen zu verkaufen. Aber die Großen wie Facebook, Google, Yahoo, Twitter, die hätten auch nicht verkauft, seien unabhängig geblieben. Und das wolle er mit WhatsApp auch. „Wir wollen groß werden, wir wollen nicht verkaufen“, sagt Koum. „Unser Ziel bleibt es, auf jedem Smartphone der Welt zu sein.“

Seit heute Nacht ist Whatsapp für einen  zweistelligen Milliardenbetrag Teil der mittlerweile zehnjährigen Facebook-Geschichte. Eine Bildergalerie:

Zehn Jahre Facebook in Bildern

Bild: NamensnennungKeine kommerzielle NutzungWeitergabe unter gleichen Bedingungen Bestimmte Rechte vorbehalten von Hubert Burda Media; Alex Hofmann/Gründerszene; Erstveröffentlichung dieses Beitrags am 21. Januar 2014