Ein Beitrag von Serien-Entrepreneur Andreas Sernetz, Gründer der Verbraucherschutzplattform Fairplane.

Bei deutschsprachigen Startup-Hochburgen denken die meisten zunächst an Berlin und München. Wien wird bisher kaum mit Internet-Unternehmen assoziiert – zu Unrecht.

Was zeichnet Wien für Gründer aus?

In Wien hat sich in den vergangenen Jahren eine kleine Startup-Community entwickelt, die gerade massiv an Dynamik gewinnt. Nachdem einige österreichische Startups wie Runtastic oder Tripwolf nun auch den Sprung auf die internationale Bühne geschafft haben, herrscht unter den Gründern Aufbruchsstimmung.

Ein großer Vorteil ist ein stark ausgeprägter Kollaborationsgedanke unter den Gründern. Der hohe Konkurrenzdruck mit Berlin und München hat zu einer sehr engen Gemeinschaft geführt, in der das Gefühl besteht, dass wir an einem Strang ziehen. Gründer teilen und challengen Ideen untereinander und versuchen sich gegenseitig weiterzubringen, ohne Angst vor Konkurrenz und Copycats.

Was funktioniert besser als in Berlin oder München?

Seit jeher ist Wien das Bindeglied zwischen Mittel- und Osteuropa. Als Schmelztiegel der Kulturen zieht die Stadt traditionell kreative Köpfe aus Osteuropa an. So entwickelte sich auch im Bereich IT-Professionals eine starke Community aus Ungarn, Tschechien, der Slowakei und dem Baltikum. Zusätzlich können dynamische Startups viele junge Berufseinsteiger für sich gewinnen, die in den traditionellen Wirtschaftszweigen in Österreich keine ausreichenden Chancen bekommen. Gepaart mit günstigeren Lebenshaltungskosten – zumindest im Vergleich zu München – hat Wien somit einige Vorteile beim Recruiting und Teamaufbau.

Der Startup-Hotspot in Wien ist der 5. Bezirk, Margareten. Hier trifft man sich in den Co-Working-Spaces Stockwerk, Sektor 5 oder Clusterhaus. Viel passiert sehr informell und aus Gesprächen in der Cafeteria werden schnell schlagkräftige Kooperationen.

Woher bekommen Wiener Gründer Geld?

Das Aufstellen von Risikokapital in Wien ist sicherlich noch eine Herausforderung im Vergleich zu Berlin oder München. Allerdings hat sich auch hier die Szene weiterentwickelt und es existiert eine aktive Gemeinschaft von Business-Angels und Seed-Investoren, die sich um Wien bemühen. Bei größeren Finanzierungsrunden sind die zwei Platzhirsche sicherlich Speedinvest und der AWS Gründerfonds. Speedinvest ist mit Marie-Helene Ametsreiter seit Kurzem zusätzlich auch in München vertreten. Der Gründerfonds des AWS hat etwa 65 Millionen Euro im Rücken, welche auf kapitalhungrige österreichische Startups warten. Hier ist Laurenz Simbrunner ein sehr kompetenter Ansprechpartner für Gründer. Eine wichtige Anlaufstelle ist auch die Plattform Austrian Startups, die Gründer unterstützt und versucht, die Community stark mitzugestalten.

Wo liegen die größten Herausforderungen?

Österreich ist ein kleiner Markt. Erfolgreiche Startups werden sich irgendwann über die Landesgrenze hinaus orientieren müssen. International dann gleich an die richtigen Entscheidungsträger zu gelangen, ist für hiesige Gründer oft schwierig. Ausbaufähig ist zudem die zur Verfügung stehende Finanzierung, hier sind Berlin und München sicher schon weiter entwickelt.

Für die Wiener Generation Y gewinnen Startups als Perspektive und Entwicklungsmöglichkeit immer mehr an Bedeutung. Die Zeiten, in denen Jobs bei Banken und in der Industrie mehr Sicherheit geboten haben, sind vorbei. Dennoch muss sich die Gründermentalität noch weiterentwickeln, wir brauchen mehr beeindruckende Erfolgsstories. Durch erfolgreiche Vorbilder wird sich das Gründer-Gen weiter etablieren und den nötigen Startup-Boom in Wien weiter vorantreiben.

Woran hapert es noch?

Wien braucht mehr Unternehmer und Gründen muss ein Karriereschritt der Gegenwart und Zukunft werden. Die weit verbreiteten Sicherheitsbedenken von jungen Absolventen sind total überholt – es gibt heutzutage keine sicheren Jobs mehr, egal wie groß die Firma ist.

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