Gründer Stephan Linden

Die Schatztruhe steht unspektakulär gleich neben der Eingangstür. Es ist ein Kühlschrank – schwarz, passend zum Firmennamen von Wine in Black. Darin: besonders teure Weine und Champagner. „Die haben wir von Win­zern für Produktfotos geschickt bekommen und durften sie dann behalten“, erklärt Stephan Linden. Zusammen mit seinem früheren Kommilitonen Christian Hoya verkauft er Weine über das Internet – als Erlebnis mehr denn als Massenware.

Verschickt wird alles ganz edel in schwarzen Kisten. „Weil Schwarz alles sym­bolisiert, was Premium­-Weine ausmacht: allen voran natürlich Qualität und Eleganz“, erklärt Hoya. 50 Mitarbeiter arbeiten beim Online­-Weinhändler. Jetzt, am späten Freitagnachmit­tag, ist es schon recht leer im Büro. Ein Stück weiter den Gang hinunter passiert aller­dings noch Wichtiges: Hier werden gerade die Weine für das neue Angebot vom Team probiert und ausgesucht.

Rund 80 Weine gibt es derzeit auf der Plattform, mehr als 500.000 Mitglieder haben sich registriert. Die teuerste je verkaufte Flasche kostete 2.000 Euro, die billigste im Sortiment liegt bei 6,50 Euro. Vor dem Begrüßungsschlückchen – Linden hat einen Prinz von Hessen „Dachsfilet“ geöffnet, die Flasche kostet bei Wine in Black etwa 20 Euro und liegt damit ganz leicht über dem Durchschnitt – will ich aber erst einmal wissen, wie man Wein „richtig“ trinkt. „Man sollte da gar nicht so viel Aufwand betreiben. Ich habe zu Hause auch nur zwei Satz Gläser, für Rot­ und für Weißwein“, sagt Linden.

Allerdings solle man zumindest darauf achten, dass es ordentliche Gläser sind. Denn zum einen helfe die Glasform, das Aroma des Weins besser zur Geltung kommen zu lassen. „Und zum anderen ist ganz ein­fach auch die Haptik wichtig.“ Dann ist da ja noch die Sache mit der Temperatur – bekanntlich ist für Rotwein Zimmertemperatur zwingend. Allerdings heiße „Zimmertem­peratur“ in Europa gern einmal mehr, als ein Rotwein verträgt, erklärt Linden. „Dann strömt nur der Alkohol in die Nase und verfälscht das Geschmackser­lebnis.“

„BWLer-Gründer“

Ich bin eher Rosé-­Fan, aber die Info nehme ich mit, und sei es nur zum Schlaubergern. Linden macht auch gleich weiter: Anders herum brauche ein guter Weißwein, besonders ein Gro­ßes Gewächs, manchmal auch mehr als fünf bis sieben Grad,„damit er seine Geschmacksnote richtig entfalten kann“. Ich oute mich endgültig als Wein-­Laie: Großes Gewächs? „Das ist die höchste Klassifikationsstufe für trockene Weine deutscher Spitzenweingüter, die Mitglied in einem der beiden führenden Winzerverbände sind.“

Platz Nummer 41: Wine in Black GmbH

Wenn man Linden so zuhört, merkt man, dass für ihn das Thema Wein nicht nur Mittel zum Zweck ist. Und man merkt, dass er der Wein­-Verliebtere im Gründer­-Duo ist, sein Mitgründer Hoya eher der Zahlenmensch. Linden, 31, und Hoya, 30, stammen aus Dortmund – und hatten mit Weinanbau oder ­-verkauf vor der Uni nichts am Hut.

Beide fallen stattdessen erst einmal in eine Kategorie, die für die deut­sche Startup­-Szene in gewisser Weise charakteristisch ist: Sie sind „BWLer­-Gründer“ – und sie haben sich beim Studium an der WHU in Vallendar kennengelernt. Keine Universität in Deutsch­land bringt mehr Gründer hervor als die WHU – Otto Beisheim School of Management. Die Hochschule im Rheinland ist auch die Alma Mater von Rocket­-Internet-­Chef Oliver Samwer, der von dort aus regelmäßig seine Reihen verstärkt.

Vielleicht liegt es am BWL-­Hintergrund, geht mir durch den Kopf, dass bei Wine in Black alles etwas steril wirkt. Zwar geht das Team kreativ mit den leeren Flaschen­-Kisten um: Die sind in der Premium­-Ka­tegorie meist aus Holz und wurden zu Regalen, Hockern, Tischen und selbst einer kleinen Theke umgebaut. Mir fallen zwei alte Turnhallen­-Kästen auf. „Die standen schon in unserem ersten Kellerbüro und erinnern uns an die Anfänge“, sagt Linden. Vielleicht liegt es am vielen Weiß und dem starken Kontrast zum Firmen­-Schwarz, dass keine besonders gemütli­che Stimmung aufkommen will. Dann fällt mir wieder ein, dass ich hier in einem Büro sitze und keiner Bar – zwischen Wein­kisten, Fässern und Flaschen vergisst man das schnell.

Gründerromantik

Wenn die beiden Wine-­in-­Black­-Gründer dann ihre Geschichte erzählen, kommt auch wieder etwas Gründer­romantik auf. Das mag am fortschreitenden Weingenuss liegen – oder dar­an, dass wir mittlerweile in die Weinbar „Rutz“ umgezogen sind, die gleich in der Nähe des Start­up-­Büros in Berlin­-Mitte liegt und etwas schummrig beleuchtet ist. Dort spricht man die gleiche Weinkenner-­Sprache. Linden und Hoya sind ruck, zuck im vertief­ten Gespräch mit dem versiert wirkenden Sommelier – während ich mir eingestehen muss, dass ich von Wein sogar noch weniger Ahnung habe, als ich dachte. Also höre ich aufmerksam zu und versuche zu lernen.

Bitte wenden – Die Kosten des Wachstums

Bild: Michael Berger/Gründerszene

Gründer Linden und Christian Hoya in Begleitung des Autors

Nach ein paar Minuten geht es dann aber wieder um Wine in Black: Er und Linden hätten während des Studiums bei einem Ausflug auf ein Weingut angefangen, sich für Weine zu interessieren, erklärt Hoya. Als sie sich dann eines Abends einmal einen Tropfen hätten gönnen wollen, seien sie schnell sehr nüchtern am Umstand gescheitert, dass sich im kleinen Uni-­Örtchen spät am Abend nichts mehr tat.

Flaschen-Bilder

Genauso trostlos: der Blick ins Netz. „Es gab zwar Plattformen, auf denen man Wein hätte be­stellen können“, sagt Linden. „Aber die haben uns nicht so richtig weitergeholfen, weil dort nichts Erklärendes zu den Wei­nen stand.“ Zusammen mit drei anderen starteten Linden und Hoya dann in Mainz zunächst eine reine Kauf­-Plattform, die heute unter dem Namen Vicam­po fortbesteht. „Das funktio­nierte auch ganz gut, war aber nicht das, was wir eigentlich machen wollten.“

Um ihre Idee von Wine in Black umzusetzen, zogen beide 2011 nach Berlin, „vor allem des Know­-hows im Onlinemarketing wegen“. Heute sagt Mitgründer Lin­den stolz: „Wir haben die besten Flaschen­-Bilder der Branche.“ Was sich erst einmal merkwürdig anhört, ergibt mehr Sinn, als die beiden Gründer das Konzept hinter ihrer Plattform erklären: Wine in Black, das sei ihnen wichtig, solle keine auf Umsatz getrimmte Massenveranstaltung sein. Es gehe nicht um die bes­ten Preise. Stattdessen gehe es ums Premium­-Segment, das müssten auch die Produktfotos widerspiegeln.

„Das Weinge­schäft ist etwas Emotionales“, erklärt Linden. Wer sich schon mal über ein Kompliment für ei­nen guten Wein beim Essen mit Freunden gefreut hat, versteht, was er damit meint. „Unser typischer Kunde ist ein städti­scher 40-­Jähriger mit Familie.“ Dann ist da aber auch noch die ganz nüchterne Seite des Geschäfts, das die beiden auch in Frankreich, den Nie­derlanden, Österreich und der Schweiz betreiben.

„Wir sind auch eine echte Tech­-Bude“, betont Mitgründer Hoya. Etwa ein Drittel der Mitarbeiter sei mit der Entwicklung und dem Betrieb der Webseite beschäf­tigt. „Wir machen alles selbst, bis auf das Warenlager.“ Auch Smartphone­-Apps bietet Wine in Black an. „Hier haben wir noch viele Ideen.“ Gegenwärtig können die Apps noch nicht viel mehr als die Webseite, das soll sich aber bald ändern.

Was genau die beiden im Sinn haben, wollen sie nicht verraten. Aber manches liegt natürlich nahe: den Kunden über neue Angebo­te zu informieren zum Beispiel. Und für die Weinlieferanten könnte es eine eigene App geben, auch um für das Startup den Prozess der Beschaffung zu vereinfachen. „Gegenwärtig haben unsere Apps vor allem einen großen Nutzen, glau­ben wir: dass man beim Essen schnell noch mal nachschlagen kann, was es über den ge­kauften Wein zu wissen gibt.“

Eigene Marke

Für all jene, die sich nicht nur über einzelne Weine, sondern auch weitergehend informieren wollen, findet sich auf der Web­seite ebenfalls allerlei Wissens­wertes. Über den Winzer des Monats etwa. Oder zu einzelnen Rebsorten. Und natürlich auch über das Angebot des Startups. Zu einer Premium-­Positionie­rung, wie Wine in Black sie für sich in Anspruch nimmt, gehört immer auch etwas Exklusivität. Um diese bieten zu können, arbeitet Wine in Black mit meh­reren Winzern zusammen.

Zum einen kann das Startup auf diese Weise bestimmte Weine anbieten, die sonst nirgendwo erhältlich sind. Zum anderen haben Linden und Hoya so aber auch das in die Wege geleitet, wovon sie sich für die Zukunft viel versprechen: eigene Marken aufzubauen. Eine erste gebe es bereits, erzählen die beiden be­geistert und auch ein klein wenig stolz. Xiraz! heißt sie und hat auch einen eigenen Webauftritt. Wer dort auf „Kaufen“ klickt, lan­det natürlich bei Wine in Black.

Kosten des Wachstums

Als ich die beiden Gründer dann nach einigen Zahlen frage, wandern ihre Blicke erst durch die Luft und dann zueinander. „Eigentlich wollen wir dazu nicht so viel sagen.“ Dann verraten sie doch ein ganz klein wenig. Siebenstellig sei der Umsatz im vergangenen Monat gewesen. Der Jahresabschluss im Bun­desanzeiger verrät für das Jahr 2014 einen Fehlbetrag von 1,7 Millionen Euro, es sind wohl die Kosten des Wachstums.

Platz Nummer 41: Wine in Black GmbH

Ebenso bedeckt halten sich die beiden beim Thema Finanzierung. Ein zweistelliger Millionenbetrag sei es einschließlich der letzten Runde im Mai. Einer der Gesell­schafter von Wine in Black ist der Berliner Frühphaseninvestor und Company Builder Project A Ventures, der für seine Stärke im Onlinemarketing bekannt ist. „Das Know­how hat uns sehr geholfen“, sagt Hoya.

In den vergangenen Jahren sind gleich mehrere Startups rund um den Verkauf von Wein über das Internet entstanden – und wie etwa das crowd­finanzierte Sommelier Privé oft schnell wieder von der Bildflä­che verschwunden. Der größte Konkurrent für Wine in Black ist neben dem Platzhirschen Han­seatisches Wein & Sekt Kontor, daraus machen die beiden auch gar kein Hehl, aber immer noch der Offline­-Weinhändler um die Ecke. Auch wenn der in der Regel deutlich günstigere Wei­ne verkauft und vielleicht nicht immer so ausführlich informiert.

Und in gewisser Weise auch kleinere Weinbars wie das „Rutz“, wo wir nun unsere Gläser ge­leert haben. Ich habe an diesem Abend viel über Wein gelernt – und nehme eine etwas aus­ gefallenere Flasche davon mit nach Hause: Es ist ein Rosé vom angesehenen provenzalischen Weingut Miraval von Angelina Jolie und Brad Pitt. Für meine ei­gene kleine Wein-­Schatztruhe.


Übersicht: Die Top Ten des Gründerszene-Rankings

Das Gründerszene-Ranking: Die Top Ten

Bild: Michael Berger/Gründerszene