Mark Zuckerberg

Zuckerberg wollte den Buchclub wieder cool machen

Der Buchclub hat eine lange Tradition in den USA. Man verbindet ihn allerdings in erster Linie mit gelangweilten Hausfrauen oder Studenten mit Naturfaserkleidung. Facebook-Chef Mark Zuckerberg hatte sich als guten Vorsatz fürs neue Jahr vorgenommen, den Buchclub wieder cool zu machen.

Da geht das Problem auch schon los. Denn Mark Zuckerberg ist vieles, ein genialer Programmierer, ein visionärer Unternehmer, ein einflussreicher Milliardär. Aber cool? Nicht wirklich.

Trotzdem rief der Facebook-Chef am 2. Januar seine 31 Millionen Follower auf Facebook auf, mit ihm einen Buchclub zu gründen. Im Zwei-Wochen-Rythmus wolle er ein Buch auf Facebook besprechen, zusammen mit dem jeweiligen Autoren.

Zuerst sah es aus, als könnte die Sache ein Erfolg werden. 250.000 Facebook-Mitglieder meldeten sich für den Buchclub an. Das von Zuckerberg ausgewählte Buch „The End of Power“ (zu deutsch: Das Ende der Macht) von Moisés Naím schnellte über Nacht in die Top 10 der Amazon-Verkaufscharts – von zuvor Platz 45.140. Kurze Zeit später war es in vielen Läden ausverkauft. Die amerikanischen Medien überschlugen sich mit Lob für Zuckerberg. Der New Yorker und die New York Post nannten ihn sogar „the new Oprah“, also die neue Oprah. Sie bezogen sich dabei auf die Moderatorin Oprah Winfrey, die ihren Zuschauern gern Bücher empfiehlt, die dann regelmäßig an die Spitze der Verkaufscharts schießen.

Die wenigen, die kamen, hatten das Werk gar nicht gelesen

Als Zuckerberg nun in dieser Woche sein erstes Buchclub-Treffen abhielt, passierte das, wovon Generationen von Buchclub-Organisatoren ein Lied singen können: Kaum jemand kam. Und die, die kamen, hatten zum großen Teil das Buch nicht gelesen.

Auch wenn der Moderator die Clubgemeinde bat, „nur auf das Buch bezogene Fragen und Kommentare zu schreiben“, ging die Diskussion drunter und drüber. Unter den insgesamt nur 137 Fragen und 240 Kommentaren fanden sich diverse, die nach illegalen Downloadmöglichkeiten für das Buch suchten, da es ihnen zu teuer war. Einer beschwerte sich, Amazon habe seine Bestellung immer noch nicht geliefert. Einer wollte seine Verschwörungstheorie über Saudi Arabien loswerden und nachweisen, wie das Land durch seinen Einfluss auf soziale Netzwerke den Ölpreis nach unten treibe. Einer entschuldigte sich höflich für die Unterbrechung der Buchdiskussion, aber fragte dann, wie man denn den Facebook-Kundenservice am besten erreichen könne.

Mehrere Facebook-Mitglieder nutzen die Gunst der Stunde, um Werbung für ihre Unternehmen zu machen. Einer fragte in gebrochenem Englisch, ob die Diskussion nicht auf Italienisch übersetzt werden könnte. Eine Nutzerin erklärte in epischer Breite ihre Probleme, das Buch in ihrer Bibliothek zu leihen, und wieso sie es nicht als Kindle-Version gekauft habe. Nämlich, weil Amazon dann ihre Kreditkartendaten speichere, und das sei ihr zu unsicher. Versöhnlich endete sie ihren Post dann aber mit einem Foto von einem Schoßhund im Rüschenkleidchen.

„Wo findet denn diese Buchdiskussion statt?“

Es ging so durcheinander, dass eine Nutzerin sogar fragte, auf welcher Seite denn diese Buchdiskussion stattfinde. Eine hilfsbereite andere Nutzerin antwortet: „Du bist schon drauf.“

Immerhin gab es auch buchbezogenen Fragen, aber so richtig kam die Diskussion nicht in Gang. Das lag wohl auch daran, dass Facebook die Fragen nicht chronologisch darstellt, sondern ein Algorithmus ausrechnet, welche Kommentare denn nun besonders interessant seien und nach oben gehören. Da kam dann allerdings kaum noch einer mit.

Insgesamt beteiligten sich nicht mal 200 Nutzer an der Diskussion. Bei 31 Millionen geladenen und 250.000 angemeldeten Gäste ein ziemlicher Reinfall.

Das Buch war zu anspruchsvoll für die Leser

Ein Grund für das katastrophale Ergebnis war wohl, dass das ausgewählte Buch nicht gerade zur Populärliteratur gehört. Der Autor Moisés Naím ist ein anerkannter Globalisierungsexperte. Als ehemaliger Handelsminister von Venezuela und früherer Chef der Weltbank hat er Wissen und Erfahrungen angesammelt, die nicht viele Menschen haben.

Aber sein Buch ist keine Strandlektüre und erfordert eine gewisse Grundbildung. Naím bezieht sich in dem Buch unter anderem auf den Staatstheoretiker Thomas Hobbes, den Soziologen Max Weber und den Wirtschafts-Nobelpreisträger Ronald Coase.

Wie die Washington Post sehr richtig bemerkt, hat es sich Facebook aber auch selbst zuzuschreiben, dass so wenige Mitglieder zur richtigen Zeit auf der Buchclub-Seite erschienen. Dem besagten Algorithmus von Facebook ist zu verdanken, dass viele der 250.000 Buchclub-Mitglieder nie die Ankündigung für den Termin zu Gesicht bekamen. Und zwar, weil der Algorithmus die Ankündigung als irrelevant empfand und verborgen hatte.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Welt.

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