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Einsteigen, Füße hochlegen und los geht’s? So einfach ist es mit dem automomen Fahren leider nicht. Denn die Rechtslage ist problematisch.

Jetzt wird es konkret: Verkehrsminister Alexander Dobrindt erarbeitet einen Gesetzentwurf zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes, um das voll autonome Fahren in Deutschland zu ermöglichen. Der Entwurf soll Ende Juli 2016 vorgelegt werden. Die bislang bekannten Passagen lassen gravierende Neuerungen erwarten und geben bereits jetzt Anlass zu kontroversen Diskussionen – nicht nur auf politischer, sondern auch auf rechtlicher Ebene.

Autonome Fahrsysteme sollen künftig das Fahren übernehmen dürfen

Nach dem Entwurf sollen autonome Fahrsysteme generell zulässig sein, sofern sie dem Fahrer zu „erkennen geben und artikulieren“ können, dass er die Fahrzeugführung wieder übernehmen muss. Der Fahrer soll sich vom Verkehrsgeschehen sogar abwenden dürfen. Demnach soll das autonome Fahrsystem die Steuerung des Fahrzeugs übernehmen und der Fahrer darf die Steuerung aus der Hand geben dürfen.

Damit ist klar, dass eine generelle Haftungsbefreiung des Fahrers für Fehler des Systems gefordert wird. Warum sollte der Fahrer für einen Fehler der Technik haften, wenn ihm der Einsatz erlaubt ist und die Technik von den Prüf- und Überwachungsbehörden des Fahrzeugs freigegeben wurde?

Allerdings ist bekannt, dass Software dazu tendiert, fehlerhaft zu sein. Oft ist nur die Frage, wie ausgereift die Software wirklich ist und ob sie viele oder nur wenige Fehler hat. Da es bei autonomen Fahrsystemen um Leben und Tod gehen kann, sind an den Entwicklungsstand der Software gesteigerte Anforderungen zu stellen. Hier sind die Hersteller gefordert – insbesondere im Hinblick auf Produktentwicklung, Produktbeobachtung und Qualitätssicherung. Eine solche Regelung ist allerdings bislang nicht ersichtlich.

Weiterhin soll der Fahrer „wahrnehmungsbereit bleiben“ und „nach Aufforderung durch das automatisierte System die Fahrzeugsteuerung wieder übernehmen“ und auf „erkennbare technische Störungen angemessen reagieren“ können. Ist der Fahrer nach Aktivieren des autonomen Fahrsystems beispielsweise abgelenkt, weil er eine E-Mail liest, überwacht er in dieser Zeit sehr wahrscheinlich auch nicht das Funktionieren des Systems.

Selbst wenn er vom System gewarnt wird und wieder das Lenkrad greift, können wertvolle Sekunden vergehen. Wie schnell muss der Fahrer sein, damit ihm nicht der Vorwurf gemacht werden kann, fahrlässig gehandelt zu haben? Wird hierzu keine Regelung geschaffen, werden später die Gerichte klären müssen, ob er für den Unfall trotz automatisiertem Fahrsystem selbst haftet.

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Außerdem sieht der Entwurf vor, dass die Hersteller bei Verschulden unbegrenzt haften sollen. Dies ist jedoch nichts Neues. Ein Hersteller haftet bei Verschulden auch nach bisherigem Recht. Interessant wäre allenfalls eine verschuldensunabhängige Haftung für das autonome System gewesen.

Ansätze hierfür sind in dem Entwurf jedoch bislang nicht zu erkennen. Zudem sollen „Störungen“ aufgezeichnet werden sowie der Umstand, ob das Fahrzeug vom Fahrer oder vom System geführt wird. Eine nachträgliche Kontrolle, ob zum Zeitpunkt eines Unfalls das System oder der Fahrer am Steuer war, lässt sich wohl nur durch die Integration einer Blackbox sicherstellen und kann den Fahrer je nach Situation auch von der Verantwortung entlasten.

Gruenvogel
Dr. Thomas Grünvogel sieht noch Nachholbedarf beim Gesetzentwurf

Offene Fragen – Haftung, ethische Probleme und Datenschutz

Eine der zentralen Fragen in dem Zusammenhang ist: Wer ist wann für was verantwortlich? Diese Frage scheint auch in den bislang bekannten Auszügen des Gesetzesentwurfs nicht mit einem Mindestmaß an Rechtssicherheit beantwortet zu werden.

Neben der technischen Machbarkeit stehen auch immer noch ethische Fragen im Vordergrund. Wie müssen zum Beispiel die Algorithmen des Autopiloten für Situationen programmiert werden, wenn Bremsen nicht mehr hilft, sondern nur noch Ausweichen, ggf. in eine Menschengruppe? Eine abschließende Antwort wird es auf diese moralische Frage wahrscheinlich nie geben.

Auch im Hinblick auf das Thema Datenschutz scheint der Entwurf noch nicht ausgereift zu sein. Bislang ist nur bekannt, dass Daten im Fahrbetrieb gespeichert und bestimmten Stellen zur Verfügung zu stellen sind. Datenschützer befürchten nicht zu Unrecht, dass Autos in „rollende Datentonnen“ verwandelt werden könnten. Immerhin werden in großem Umfang Daten gespeichert, die für viele Industrien wertvoll sind. Es werden deshalb klare Regelungen gefordert, wie mit den im Fahrbetrieb gespeicherten Daten umzugehen ist.

Fazit

Die Gesetzesänderung darf kein Schnellschuss werden. Der Gesetzgeber darf die Konkretisierung unklarer Regelungen nicht allein der Rechtsprechung überlassen. Die bislang bekannten Auszüge aus dem Entwurf lassen erkennen, dass wesentliche Themen noch nicht annähernd rechtssicher geklärt sind. Rechtssicherheit ist hier jedoch insbesondere aufgrund der immensen Gefahren und Haftungsrisiken sowohl für die Hersteller autonomer Fahrsysteme als auch für die Fahrer zwingend erforderlich.

Dennoch ist es wichtig, dass durch den Entwurf zur Änderungen des Straßenverkehrsgesetzes im Hinblick auf autonome Fahrsysteme die Diskussion vor der politischen Sommerpause nochmals Fahrt aufnimmt. Nur anhand eines konkreten Entwurfs lassen sich fundierte Diskussionen über weitere notwendige Regelungen führen und ein valider rechtlicher Rahmen für autonome Fahrsysteme schaffen. Mit dem Entwurf wird sich zeigen, ob damit der Grundstein für das „innovativste Straßenverkehrsrecht der Welt“ gelegt wird, wie von Verkehrsminister Dobrindt in der Vergangenheit mehrfach angekündigt.

Dr. Thomas Grünvogel ist Rechtsanwalt bei CMS Hasche Sigle in Deutschland.

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Bild: Getty Images / David Becker