Apples erster Vorstoß in Richtung Auto ist bereits zwei Jahre alt – doch seitdem ist der iPhone-Konzern kaum vorangekommen. Für Apples CarPlay-Plattform, die das Armaturenbrett von Autos mit iPhone und iPad verknüpfen soll, sind neben den Apple-eigenen Apps wie Messenger, Musik, Telefon, Apple Maps, Podcasts und Audiobooks nur 16 Apps von Fremdanbietern verfügbar.

Bei Googles Konkurrenzsystem Android Auto sieht es schon etwas besser aus: Googles Play Store listet sämtliche Android-Auto-Apps – bislang sind dort 51 Apps aufgeführt. Doch auch das ist keine üppige Bilanz nach der Vorstellung des Systems im Jahr 2014.

„Derzeit ist weder Android Auto, noch Apple CarPlay oder irgendein anderes System für die Masse der App-Entwickler wirklich attraktiv“, sagt Thomas Schulte-Hillen, Chef des Bonner Autonavigationsspezialisten Infoware. „Ich sehe einfach kein Geschäftsszenario.“

Dementsprechend würden die Plattformen derzeit vor allem dazu dienen, etablierte Apps wie Facebook oder Audible stärker mit dem Auto zu verzahnen. „Wer hat ein Interesse daran, dass Apps ins Auto kommen?“, fragt Schulte-Hillen. „Meiner Meinung nach vor allem die Autohersteller, die ihre Autos für potenzielle Käufer attraktiver machen wollen.“ Für viele Entwickler gäbe es dagegen bislang wenig Anreize, ihre Apps ins Auto zu bringen.

Vielzahl von Armaturen-Displays ist ein Problem

Google verweist auf Anfrage darauf, dass „Hunderte von Musik- und Medien-Apps“ mit Android Auto kompatibel seien. „Alle haben erwartet, dass es schneller geht“, sagt Automotive-Experte Gregor Erkel. Viele Details machten die Integration der Smartphonetechnik bei Autos aber schwierig. „Es gibt unterschiedliche Head-Unit-Displays mit unterschiedlichen Auflösungen. Daher kann es bis zu einem Jahr dauern, bis eine App für das Auto angepasst ist.“

Das bestätigt auch Google: „Wenn wir uns moderne Autos heute anschauen, sehen wir eine Vielzahl von Displays und Schnittstellen, was für App-Entwickler ein Problem darstellt“, teilt der Konzern mit.

Zwar unterstützen zahlreiche Autohersteller die Systeme der beiden IT-Konzerne, die Smartphone und Auto verbinden sollen. 40 Hersteller haben sich dem entsprechenden Konsortium für Apples CarPlay-System angeschlossen, 44 dem Konsortium für Googles Android Auto. „Das Rennen ist sehr knapp“, heißt es dazu in einer Analyse des IT-Marktforschers IHS. „Die meisten Hersteller installieren beide Systeme, weil sie es sich nicht leisten können, nur eine Plattform zu unterstützen.“

Beschränkte Anwendungsfälle für Apps im Auto

Doch wenn Autohersteller und die Größen der IT-Welt zusammenarbeiten, prallen auch Welten aufeinander: „Die Zyklen bei der Autoentwicklung sind viel länger als bei Smartphones“, sagt Branchenexperte Erkel. Zudem müssen sich bei den Apps immer alle einig sein: Sowohl Google beziehungsweise Apple als auch die Hersteller und Entwickler. „Das scheint mir auch alles sehr politisch.“ Auffällig ist beispielsweise: Die beliebte Messenger-App WhatsApp von Facebook ist auf Apples System nicht verfügbar.

„Google hat den Genehmigungsprozess gemeinsam mit den Herstellern entwickelt“, teilt Google mit. „Eine App für das Auto zu entwickeln kann sehr herausfordernd sein, insbesondere wenn es darum geht, Ablenkungen des Fahrers zu vermeiden.“ Für existierende Apps habe Google eine einheitliche Schnittstelle für Entwickler geschaffen, um diese ins Auto zu bringen.

Die bislang geringe Anzahl an verfügbaren Apps für die Autoplattformen erklärt der Android-Entwickler Friedger Müffke auch mit den beschränkten Anwendungsfällen: „Die Schnittstelle bei Android Auto ist recht eingeschränkt und derzeit noch ausschließlich für Medien- und Messenger-Apps ausgelegt“, sagt Müffke. „Bisher gibt es wenig Nachfrage von Nutzern – daher werden auch nur wenige Ressourcen in das Thema gesteckt.“

Mit den jüngsten Ankündigungen von Google auf der Entwicklerkonferenz I/O könnte das Thema aber schnell interessanter werden, glaubt der Entwickler. Mit der kommenden Version 7.0 von Android will Google unter anderem den Sprachassistenten Google Now mit dem Auto verzahnen.

Autohersteller stecken in einem Dilemma

Apple verweist auf Anfrage darauf, dass bislang CarPlay in mehr als 100 Modellen verfügbar ist und auch BMW angekündigt habe, erste Modelle ab diesem Sommer mit CarPlay auszustatten. Zu der geringen Anzahl an verfügbaren Apps bei CarPlay äußert sich Apple auch auf wiederholte Nachfrage nicht.

Die Autohersteller stecken bei der Integration von Smartphones ins Auto in einem Dilemma: Einerseits erwarten die Kunden, dass sich ihr Smartphone mit dem Auto verbindet und sie beispielsweise Musik ihrer Streaming-Apps auch im Auto spielen können. Andererseits werden Google und Apple auch zurKonkurrenz für künftige Geschäftsmodelle, die auf Daten im Auto basieren.

„Den Herstellern scheint es bislang gelungen zu sein, Herr über die wichtigsten von Sensoren erfassten Autodaten zu bleiben“, sagt Schulte-Hillen von Infoware. „Meinen Informationen nach verschenkt Google aber schon heute Android Auto nicht – sie verlangen im Gegenzug nach einer Menge Daten.“

Das Branchenmagazin Motor Trend hatte berichtet, dass Porsche beim neuen 911-Modell bewusst nur CarPlay einsetzt und nicht Android Auto, da Google zu viele Daten abgreifen wollte. Ein Porsche-Sprecher dementierte das: Bei der Entscheidung habe vielmehr eine Rolle gespielt, dass die meisten Porsche-Fahrer iPhone-Nutzer sind. Porsche schließt aber nicht aus, künftig auch das Google-System zu integrieren.

Es geht nicht nur um Daten

Es geht allerdings nicht nur um Daten. „Die Strategie der Hersteller, selber eine direkte Beziehung zum Endkunden aufzubauen, wird angegriffen, wenn sich Google oder Apple dazwischenschaltet“, sagt Branchenexperte Erkel. An Apple und Google kommen die Hersteller am Ende aber trotzdem kaum vorbei.

IHS schätzt, dass im vergangenen Jahr rund 1,15 Millionen Autos mit Android Auto und 1,41 Millionen mit Apples CarPlay weltweit unterwegs waren. Bis 2020 sollen es demnach rund 100 Millionen Pkw mit Android Auto und rund 93 Millionen mit Apples CarPlay-System werden.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt online

Bild: Apple