Gett-Gründer Shahar Waiser erklärte auf der VW-Pressekonferenz sein Geschäftsmodell in aller Kürze

Vergangene Woche verblüffte der Volkswagen-Konzern mit einer Investitionsmeldung: 300 Millionen Dollar für das israelische Startup Gett. Über die App lassen sich Taxis zu einem Festpreis buchen. Außerdem agiert das Startup innerhalb von Städten als Logistikdienstleister für Unternehmen. Nun will Volkswagen mit dem Startup, das in 60 Städten weltweit tätig ist, viel Geld verdienen.

Das 2010 von Shahar Waiser und Roi More in Tel Aviv gegründete Startup ist vor allem in London und New York eine große Hausnummer. Insgesamt beschäftigt Gett an vier Standorten etwa 700 Angestellte. Nach eigenen Angaben ist das Startup bereits profitabel. Dafür hat es Wagniskapital in Höhe von mehr als 520 Millionen Dollar eingesammelt. Zu den größten Investoren zählen bisher Kreos Capital und Access Industries.

Wann kommt Gett nach Deutschland?

Mit seinen lizensierten Taxi-Fahrern ist das Startup neben dem US-Taxidienst Lyft der größte Wettbewerber von Uber. Hierzulande ist die App allerdings noch gar nicht angekommen. Das werde sich mit dem neuen Investment von VW bis 2017 ändern, verrät Shahar Waiser auf einer Pressekonferenz in Berlin, auf der er gemeinsam mit VW-Vorstandschef Matthias Müller die neue Partnerschaft vorstellte. In Berlin wolle Gett Anfang kommenden Jahres starten.

Auf Nachfrage von Gründerszene, warum Gett noch nicht früher den deutschen Markt in Angriff genommen habe, antwortet der Gründer am Rande der Pressekonferenz ausweichend: „Wir gehen von Stadt zu Stadt vor und wollen global mit Bedacht expandieren. Das ist nicht immer so einfach, da überall andere behördliche Regulierungen herrschen. Uns ist wichtig, dass nur lizensierte Taxis bei Gett aufgenommen werden.“

Dass auch die vielen Beschwerden und Verfahren, die Uber den Start in Deutschland erschwerten, etwas damit zu tun haben, wiegelt Waiser ab: „Wir haben bisher nicht eine einzige Beschwerde in der Richtung bekommen“, beteuert der Gründer. Auch für die Versicherung sei immer gesorgt. Sowieso möchte Waiser den Vergleich mit Uber lieber umgehen: „Im Unterschied zu Uber haben wir fixe Preise, die keinen Schwankungen ausgesetzt sind. Außerdem sind wir auch stärker auf den Business-Bereich ausgerichtet.“ Neben dem reinen Taxi-Angebot arbeite Gett außerdem für weltweit 4.000 Unternehmen als Beförderungsdienstleister.

shaharGett: Mehr MyTaxi als Uber

Als direkten Wettbewerber erachtet Waiser hierzulande eher eine andere App, die 2014 von Daimler aufgekauft wurde: „MyTaxi ist näher an Gett dran, weil die ebenfalls mit Profis zusammenarbeiten. Der Unterschied ist aber der, dass wir unsere Erfahrungswerte als global aufgestelltes Unternehmen in Deutschland besser einbringen können.“ In London fahre bereits die Hälfte aller Black Caps für Gett.

Auf die Frage, was Gett auf die Erfolgsspur in Deutschland bringen könnte, hat er gleich drei Gründe parat. Erstens sei es eine Frage der Marke und Erfahrung. Zweitens sei die Preiseffizienz entscheidend und dahingehend habe Gett die besseren Konditionen. Drittens: Die Zusammenarbeit zwischen den Businesspartnern mache sich bezahlt. Dadurch werde auch die rechtliche Seite abgedeckt und der Sicherheitsaspekt bedient, der in Deutschland einen hohen Stellenwert einnehme. „Es ist alles legal“, versichert Waiser.

Warum investiert VW in Gett?

Klingt alles nach einem vielversprechenden Produkt. So sieht das offenbar auch VW, das Investment über 300 Millionen überraschte die Branche in der vergangenen Woche. „Unser Kernprodukt ist künftig zunehmend nicht mehr nur das Auto“, sagte VW-Vorstandschef Matthias Müller am Mittwoch während der Pressekonferenz in Berlin. „Wir wollen vom Automobilhersteller zum Anbieter von Mobilität werden.“ Stichwort: Ride-Hailing. Darunter versteht der VW-Boss alles, was Menschen und Dinge mithilfe von digitalen Lösungen bewegt – vom Chauffeur-Dienst bis hin zu Gütertransporten per Knopfdruck.

Hier kommt Gett ins Spiel: Über die On-Demand-Services will sich der Konzern für die Zukunft weitere digitale Schnittstellen sichern. Durch die Beteiligung erhält Volkswagen mit einem Schlag den Zugang zu 50.000 lizensierten Taxis aus 60 Städten weltweit, die bereits 50 Millionen Kunden von A nach B fahren.

Im Gegenzug bekomme Gett „Zugang zu 100 Millionen Fahrzeug-Kunden von Volkswagen“, so der Gett-Gründer Shahar Waiser. Das ist ein Datenaufkommen, mit dem sich arbeiten lässt. Es liefert nicht nur Einblick in die Fortbewegungsweise der Nutzer, sondern könnte auch im nächsten Schritt für das autonom fahrende Taxi genutzt werden, das die beiden Unternehmen zusammen in Zukunft realisieren wollen.

Gett soll VW viel Umsatz bescheren

Der Wettbewerber General Motors arbeitet bereits mit Lyft an einem fahrerlosen Taxi, so auch das Startup NuTonomy mit Investor Ford an seiner Seite. Doch bevor sich VW und Gett dem Autonomous-Car-Thema verstärkt zuwenden, wird man sich erst noch der bemannten Taxivermittlung widmen. Denn schon heute zeigt sich: Der urbane Mensch leistet sich immer seltener ein eigenes Auto und setzt auf das Abruf-Prinzip. Diesem Trend werde Volkswagen so begegnen, dass den Fahrern von Gett bessere Konditionen beim Kauf oder der Finanzierung von Konzernfahrzeugen, vom SEAT bis zum Porsche, geboten werde, heißt es.

Matthias Müller kündigte an, dass der Konzern bis 2025 einen „substantiellen Teil seines Umsatzes“ durch die neue Strategie erwirtschaften wolle. Wie viel das genau sein soll, wollte er nicht verraten. Einen wesentlichen Teil soll aber Gett beisteuern.

Der Gett-Gründer Shahar Waiser spricht auf der diesjährige NOAH-Konferenz am 8. und 9. Juni in Berlin.

Bild: Getty Images / JOHN MACDOUGALL