Aus der Cannabis-Pflanze werden mittlerweile viele Produkte hergestellt, beispielsweise Arzneimittel

Sind mit Cannabis hergestellte Lebensmittel oder Kosmetika rechtlich zulässig? Darüber gibt es erhebliche Verwirrung. Der Hauptgrund ist wohl die Verwechslung mit dem als Rauschgift verbotenen Inhaltsstoff THC. Klar ist: Die Cannabispflanze und ihre Wirkstoffe sind nicht per se schädlich.

Nach wie vor gilt, dass traditionell bekannte Inhaltsstoffe in Lebensmitteln, die nicht ausdrücklich verboten sind, erlaubt bleiben. Klarheit bringen die europaweit harmonisierten gesetzlichen Standards wie die EU-Verordnung zu Novel-Food (EU 2015/2283) aus dem Jahr 2015. Diese bezieht sich nur auf neuartige Lebensmittel aus Pflanzen, Tieren oder Mineralien. Dazu gehört zum Beispiel auch die Verwendung von Insekten bei der Nahrungsmittelproduktion. Und Nahrungsergänzungsmittel, da sie auch für den menschlichen Verzehr bestimmt sind.

Als Stichtag für die Abgrenzung von „bekannt“ und „neuartig“ gilt die Einführung der früheren Novel-Food-Regularien am 15. Mai 1997. Neuartig ist die altbekannte Nutzpflanzenart Cannabis Sativa mit ihren zahlreichen Wirkstoffen demnach nicht. Das bemerkte schon der frühere Novel-Food-Katalog ausdrücklich in Bezug auf Cannabidiol. Die Verwendung von Pflanzenteilen, die wie Samen und Blätter mangels relevantem THC-Anteil nicht betäubungsmittelrechtlich untersagt sind, unterliegt demnach keinen Einschränkungen der Verordnung. 

Extraktion von Cannabis-Wirkstoffen als neuartiges Verfahren?

Neben neuartigen Inhaltsstoffen erfasst die Novel-Food-Verordnung prinzipiell auch neuartige Verfahren, mit denen altbekannte Lebensmittelbestandteile durch neuartige Methoden verändert werden und sich die Endprodukte dadurch in ihrer Beschaffenheit oder der Konzentration der Inhaltsstoffe von bekannten Lebensmitteln unterscheiden. Sie wären damit neuartig und genehmigungsbedürftig.

Die offensichtlich vor dem Jahr 1997 bekannte Methode der Verarbeitung durch Extraktion selbst führt nach dieser Definition aber zu keiner relevanten Veränderung des natürlichen Inhaltsstoffs. Der Stoff wird isoliert und nicht verändert. Noch bis in den Januar erklärte der Novel-Food-Katalog demnach die Verwendung von Extrakten für zulässig, solange der natürliche Gehalt an CBD nicht überschritten wird, also eine künstliche Anreicherung erfolgt.

Jetzt differenziert der Katalog zwischen der Verwendung der natürlichen Pflanze Cannabis Sativa L. und extrahierten oder synthetisch gewonnenen Cannabinoiden. Die Verwendung von Extrakten in Lebensmitteln sei prinzipiell neuartig und genehmigungsbedürftig. Ältere Verbrauchsprodukte seien nicht feststellbar. Dennoch würde die neue Einstufung von Extrakten der ausdrücklich als zulässig angegebenen Verwendung von Cannabis Sativa L nicht widersprechen.

Auch wenn die Bedeutung dieser ganz neuen Einstufung der Kommission noch nicht abschließend geklärt ist, kann sie sich nicht auf Produkte beziehen, deren Inhaltsstoffe durch Verarbeitung von Cannabis Sativa ohne Extraktion von Cannabinoiden gewonnen wurden. 

Nach wie vor zulässig ist damit neben dem Trocknen oder Pressen der Pflanzenteile auch die modernere und schonendere Co2-Extraktion. Diese Methode wird seit rund 40 Jahren angewendet, auch um nur die Feuchtigkeit und unerwünschtes Pflanzenmaterial bei der Produktion abzusondern. Diesen Vorgang ist noch nicht die eigentliche „Extraktion“, also Isolierung von CBD. Vielmehr zählt der Vorgang zur Verarbeitung, um das Produkt haltbar und nutzbar zu machen.

Die so gewonnenen Produkte sind nachweisbar in der EU nicht „neuartig“. So produziert beispielsweise eine Berliner Brauerei seit 1996 mit dieser Methode eine eigene Hanfbiersorte.

Prinzipiell ist es möglich, in weiteren Prozessen CBD noch weiter zu isolieren, also auch Wirkstoffe unter Zugabe von Lösungsmitteln abzusondern. Dabei gehen dann aber auch die wertvollen ungesättigten Fettsäuren im Produkt verloren. Diese weiteren Schritte wären gemäß der ganz neuen Vorgabe im Novel-Food-Katalog tatsächlich eine Extraktion und die mit dem Extrakt hergestellten Produkte generell neuartig.

Rechtsanwalt Stefan Musiol

Sind Wirkstoffe wie CBD aus Cannabis frei verwendbar?

Die aus der Botanik bekannten Arten von Hanfpflanzen enthalten Wirkstoffe, die in der Wissenschaft alle als Cannabinoide bezeichnet werden. Diese „wirksamen“ Nutzpflanzen werden wie Cannabis Sativa oder Cannabis Indica als Cannabispflanzen bezeichnet. Bei Cannabis sativa wurden 60 der als Wirkstoffe analysierten phenolischen Terpenoide untersucht.

Davon ist das verbotene Rauschmittel Tetrahydrocannabinol (THC) am bekanntesten, gefolgt von Cannabidiol (CBD), das nach den vorliegenden Untersuchungen allenfalls bei einer Einnahme in höherer Konzentration eine beruhigende Wirkung haben kann.

Wie bei vielen pflanzlichen Wirkstoffen hängt die rechtmäßige Verwendung also von gesetzlich definierten Kriterien ab, die von der Wirkung jedes Inhaltsstoffs, seiner Verarbeitung und der im Endprodukt enthaltenen Menge (Dosis) ab, so auch bei den Cannabinoiden.

Die Definition des Novel-Food-Katalog erklärte dementsprechend noch bis in den Januar nur Produkte für neuartig und genehmigungspflichtig, die einen CBD-Anteil über dem natürlichen Anteil bekannter Arten aufweisen. 

Jetzt gilt, dass Produkte, die einen natürlichen Gehalt aufweisen und ohne Extraktion aus Cannabis Sativa L. gewonnen wurden, frei verkäuflich sind.

Auch nach der bisherigen Einstufung waren die teilweise angebotenen Produkte mit einem angereicherten CBD-Gehalt von deutlich über fünf Prozent klar neuartig. Sie sind je nach Anteil genehmigungspflichtiges Novel-Food oder sogar Funktionsarzneimittel.

Welche THC-Mengen sind erlaubt?

Auch das Verbot THC-haltiger Pflanzenteile bezieht sich nicht auf die gesamte Cannabispflanze. Anderslautende Veröffentlichungen beruhen offenbar aus falsch verstandenen Inhalten der international gültigen Definition der psychoaktiven Wirkstoffe der Pflanze.

So umfasst die Begriffsdefinition in Art. 1 Abs. 1 b des 1961 in New York unterzeichneten Einheitsübereinkommens über Betäubungsmittel mit der Bezeichnung „Cannabis“ nur die typischer Weise zur Erzeugung von Rauschmitteln verwendeten THC-haltigen Blüten- und Fruchtstände der (weiblichen) Cannabispflanzen. Wenn das Übereinkommen an anderer Stelle Extrakte und Tinkturen aus „Cannabis“ zum Rauschmittel erklärt, sind damit andere Pflanzenteile gar nicht gemeint. Diese international gültige Begriffsdefinition ist wiederum wichtig, um das Verbot in der EU-Kosmetikverordnung richtig zu verstehen, das auf die Definition Bezug nimmt.

Werden nur Samen, die keine THC-Säuren enthalten, oder Teile der männlichen Cannabis Sativa L mit sehr geringem THC-Gehalt für die CBD-Extraktion verwendet, kann man eine Kollision mit dem Betäubungsmittelrecht bei Produktion und Vertrieb ausschließen.

Der aktuelle Novel-Food-Katalog geht von dem geringen THC-Anteil von maximal 0,2 Prozent bei den verwendbaren Teilen der weiblichen Hanfpflanzen oder männlichen Hanfpflanzen aus. Nach den bekannten Werten liegt er meist noch deutlich darunter.

Im Gegensatz zur Novel-Food-Verordnung, die den THC-Anteil bei bekannten Kulturpflanzen als Ausgangsmaterial im Blick hat, verbietet das Betäubungsmittelrecht jeden Besitz von Produkten, die oberhalb der Grenzwerte THC enthalten. Also nicht nur das Endprodukt, sondern schon das Extrakt darf keinen höheren THC-Gehalt aufweisen.

Beim Anbau von Hanf ist also darauf zu achten, dass weder die Pflanzen im Urzustand noch infolge der Veränderung ihres Zustands in der Verarbeitung den THC-Grenzwert überschreiten. Die Verarbeitenden würden sonst in den Besitz des illegalen Rauschmittels geraten und sich der Strafverfolgung aussetzen. Die Pflanzen und die daraus gewonnenen Materialien könnten beschlagnahmt werden.

Anders ist es bei CBD: Da es kein verbotenes Rauschmittel ist, gibt es entsprechende Einschränkungen für den Besitz höher konzentrierter Extrakte nicht.

Arzneimittelrecht und gesundheitsbezogene Werbung für CBD

CBD kann unter höheren Dosierungen für zugelassene und ärztlich verschreibungspflichtige Arzneimittel verwendet werden. Die Produkte können aufgrund eines entsprechend arzneiwirksamen Anteils von CBD oder einer überhöhten Dosierungsvorgabe zum Arzneimittel und damit zulassungspflichtig werden. In diesem Fall wären sie wegen des prinzipiell wirksamen Anteils des Wirkstoffs rechtlich als Funktionsarzneimittel eingestuft.

Hersteller sollten daher über die Abgabemengen und die Gestaltung des Behälters darauf achten, dass die Einnahme von höheren Mengen an CBD über das Produkt auch praktisch ausgeschlossen wird. Zudem müssen die Deklarationsvorschriften (Warnhinweise) beachtet werden. Verboten ist es, Werbung für die Produkte zu schalten, mit der die Möglichkeit der Heilung von Krankheiten in Aussicht gestellt wird – oder wenn das Produkt in seiner Aufmachung und Beschreibung vortäuscht, ein Arzneimittel zu sein. Hier können sich Hersteller und Händler auch bei zulässigen CBD-Anteilen im Produkt einer Strafverfolgung aussetzen.

Und auch rein gesundheitsbezogene Aussagen für Lebensmittel (nicht nur Heilungszusagen) sind streng reglementiert und ihre Verwendung bei der Produktdarstellung und Werbung überwiegend über die EU Health-Claims-Verordnung untersagt. Nur amtlich verifizierte und ausdrücklich über die Positivliste freigegebene Aussagen zu Inhaltsstoffen von Lebensmitteln (also auch Nahrungsergänzungsmitteln) dürfen für ihre Präsentation verwendet werden. Für CBD gibt es keinerlei zulässige Werbeaussagen mit Gesundheitsbezug.

Welche Behörden überwachen die Cannabis-Produkte?

Zuständig für die Überwachung angebotener Lebensmittel (oder Nahrungsmittel) sind die lokalen Verwaltungsbehörden. Sie überwachen auch die Einhaltung der detaillierten Deklarationsvorgaben zu Nahrungs- und Nahrungsergänzungsmitteln und des Arzneimittelrechts.

Sie müssten vor dem Verbot eines CBD-haltigen Produkts im Verfahren nachweisen, dass es als neuartig nach der Novel-Food-Verordnung oder als Arzneimittel einzustufen ist, Deklarations- und oder Sicherheitsvorgaben nicht einhält oder sich aufgrund anderer konkret nachgewiesener Eigenschaften Schaden hervorrufen kann.

Gegen (politisch motivierte) Verdachtsverbote oder pauschale Untersagungen kann man sich mit den Rechtsmitteln der Verwaltungsverfahrensgesetze zur Wehr setzen.

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