Die Bezahlung sei oft mager und man arbeite vorrangig mit „günstigen“ Praktikanten und Einsteigern, sind die gängigen Gerüchte. Wie viel davon richtig ist, lässt sich kaum mit verlässlichen Zahlen belegen. Janka Schmeißer ist Expertin in der Startup-Arbeitswelt und teilt ihre Sicht der Dinge.

Gehaltsstrukturen Startups

Genauer hinschauen: Startup ist nicht gleich Startup

In einer kürzlich veröffentlichten Gehaltsstudie von Alma Mater unter 1.000 Arbeitgebern pendelt sich das durchschnittliche Einstiegsgehalt eines Absolventen bei zirka 40.000 Euro jährlich. ein. Klingt viel für ein kleines Unternehmen und dürfte in vielen Startups eher dem Gehalt eines Juniors entsprechen. Stimmt es also, dass Startups zwar mit flockiger Arbeitsatmosphäre und steiler Lernkurve, aber keineswegs mit guter Bezahlung punkten?

Die Vergütung ist immer auch eine Frage der Unternehmensphase und der Finanzierung eines Startups. Ein Early-Stage-Startup, das gerade noch an der Finanzierung laboriert, kann schlicht keine hohen Gehälter zahlen. Auch rein Cashflow-finanzierte Startups dürften bei Lohn und Gehalt oft unter den „marktüblichen“ liegen, die von großen Arbeitgebern und Konzernen vorgegeben werden.

Hier sollte das Bashing auch endlich aufhören – jeder einigermaßen kluge Betriebswirt und jeder mittelständische Unternehmer muss Gehälter so kalkulieren, dass sie ihn weder kurz- noch langfristig ruinieren. Ein Blick in die Gehaltsstudie von Alma Mater belegt denn auch, dass Internet-Startups mit ihrer Bezahlung keineswegs allein stehen, sondern sich vielmehr so verhalten wie der Großteil der kleinen und mittelständischen Unternehmen.

Der Gründungsphase entwachsene, international konkurrierende Unternehmen brauchen Spezialisten und Führungskräfte, die letztlich fordern können, was der Markt so hergibt. Hier treffen Unternehmen nicht nur strategische Entscheidungen – wollen und brauchen wir den Product Manager so händeringend, dass wir fast alles zu zahlen bereit sind?

Möglich werden solch utopische Bezahlungen von heißbegehrten Spezialisten auch aufgrund der gängigen Finanzierungspraxis vieler Startups und Internetunternehmen. Einige dieser Internetkolosse sind über Jahre nicht mal im Ansatz profitabel, sondern leben von immer neuen, recht üppigen Finanzierungsrunden.

Unter diesen Bedingungen gelten auch für die Gehälter der Schlüsselpositionen andere Spielregeln: Wer genug Finanzkraft in der Hinterhand hat und damit nicht allein unter ökonomischen Gesichtspunkten entscheiden muss, kann natürlich sagen: Ja, wir brauchen diesen Produktmanager mit den utopisch hohen Gehaltsvorstellungen, um Marktführer zu werden und möglichst flott am Break-Even anzukommen.

Jedenfalls trifft das Gerücht, Startups würden generell mies bezahlen, hier definitiv nicht zu. Richtig ist, dass das Gehaltsgefälle in diesen schnell skalierenden Unternehmen sehr hoch sein kann – während an der einen Ecke hochbezahlte Spezialisten das Wachstum vorantreiben, wird an der Basis häufig auch basisch bezahlt, weil die Auswirkung des Einzelnen auf den Geschäftserfolg hier weniger personengebunden scheint. Wie nachhaltig und ethisch wertvoll das alles ist, steht auf einem komplett anderen Blatt…

„Startups bestehen doch zur Hälfte aus Praktikanten“

Die Wahrnehmung, dass in Startups viele Praktika vergeben werden, ist sicher richtig. Hier nach Vollzeitstellen zu schreien und gegen schlechte Bezahlung zu wettern, trifft den Hintergrund dieser „Situation Praktikum“ aber nur zur Hälfte. Für die wenigsten Funktionsbereiche in Internetunternehmen gibt es Ausbildungen, und auch Studiengänge sind noch lange nicht so viele im Angebot, wie wünschenswert wäre.

Der Einstieg über ein Praktikum ist im Startup also so klassisch wie zwangsläufig für Absolventen ohne einschlägige Berufserfahrung oder Ausbildung. Es gibt einfach kaum bessere Möglichkeiten, den Einstieg zu schaffen und sich Praxiswissen anzueignen.

Praktika in digitalen Funktionsbereichen kann man in vielen Bereichen inzwischen fast als Ausbildungsersatz sehen. Komischerweise werden Ausbildungslöhne nicht halb so marktschreierisch beklagt wie Praktikantengehälter, weil es eine akzeptierte Tatsache ist, dass Unternehmen in Auszubildende investieren müssen und ergo versuchen, die Kosten dabei gering zu halten.

Es stimmt, dass Diplom- und Masterabsolventen in vielen Praktika für ihre Qualifikationen unterbezahlt sind, aber sollte eine folgerichtige Frage dann nicht auch sein, warum Hochschulen und Universitäten in Größenordnungen genau das Wissen und Können nicht vermitteln, das digitalisierende Unternehmen brauchen? Und warum weder Unternehmen noch Bildungsinstitutionen die Kopplung zwischen wirtschaftlicher Praxis und Bildung gelingt?

Der „Situation Praktikum“ kommt in der Startup- und Internetszene zugute, dass meist eine hohe Wahrscheinlichkeit auf Übernahme und damit ein Festgehalt besteht. Wer sich links und rechts ein wenig umschaut, wird feststellen, dass Absolventen und hochqualifizierte Young Professionals in anderen Branchen viel mehr verheizt werden. Der Kultur- und Nonprofit-Sektor kann es sich leisten, Praktikanten und Volontäre zu wenig zum Leben zu bezahlen ohne dass überhaupt die Idee aufkommt, sie in feste Jobs zu übernehmen.

Gehaltsstrukturen in Startups – the bigger picture

Es ist ohne Zweifel richtig, dass Absolventen, die sofort das große Geld machen wollen oder partout vermögenswirksame Leistungen, Firmenwagen und ein 13. Monatsgehalt brauchen, sich nicht unbedingt in der Startupszene bewerben sollten. Die Vorteile, die eine Karriere in der Internetwirtschaft hat, sind kurzfristig ganz sicher keine monetären. Arbeit in der Internetwirtschaft sollte aber auch nicht allein an den Gehältern beurteilt werden.

Beim derzeitigen Wachstum der digitalen Wirtschaft, das langsam aber sicher auch die Old Economy infiziert, steigt der Wert online-spezifischen Fachwissens enorm. Schon jetzt können berufserfahrene Spezialisten sich ihre Jobs aussuchen und Konzerngehälter verlangen, was sich als Trend sicher noch verschärfen wird. Und dass sich ein hochbezahlter Online-Marketing-Spezialist immer noch über die schlechte Bezahlung bei seiner Einstiegsstelle damals ärgert, scheint dann doch unrealistisch.

Diese Entwicklungen sehen viele Absolventen allerdings nicht, auch weil die digitale Wirtschaft an Hochschulen immer noch keine wirklich ernstzunehmende Rolle spielt. Auch vielen Mid-Level-Professionals fehlt häufig ein bisschen Rundumblick – den eigenen Marktwert ab und an zu testen, kann niemandem schaden, der in der Internetszene unterwegs ist.

Die gute Nachricht aus Arbeitnehmersicht ist, dass die aktuellen Entwicklungen den Arbeitsmarkt immer mehr zu einem Arbeitnehmermarkt machen, was sich positiv auf alle Gehaltslevel auswirken dürfte.

Bild: Dr. Klaus-Uwe Gerhardt  / pixelio.de