Fachkräftemangel überall, Fishing for Generation Y und die zum Teil verzweifelte Suche nach innovativen Recruitingformen – auf den ersten Blick sind die HR-Themen 2011 nicht gerade überraschend. Aus Startup-Sicht lassen sich aus den Entwicklungen aber positive Schlüsse ziehen: Mit Flexibilität, Internetaffinität und Authentizität sind Startups Unternehmen, die im War for Talents langfristig die Nase vorn haben werden.

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„Glückwunsch, dass Sie mich eingestellt haben!“

Fachkräftemangel, Arbeitnehmermarkt, fehlende Spezialisten – egal, wie man es nennt, eines der HR-Themen 2011 ist und war die Herausforderung, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. In der Startup- und Internetszene sind es in erster Linie Entwickler und Programmierer, Product Manager und Online-Marketing-Spezialisten, die fehlen: „Uns hat der Fachkräftemangel ziemlich zugesetzt und gerade im IT-Bereich gute oder sogar sehr gute Kandidaten zu gewinnen, ist nicht gerade leicht“ so zum Beispiel Theresa Kretzschmar, HR Manager bei Spreadshirt (www.spreadshirt.net).

Recruiting ist zur größten HR-Herausforderung geworden, und das nicht nur für Startups, sondern für Unternehmen aller Größe und Branchen, wie die diesjährige Studie der Deutschen Gesellschaft für Personalführung bestätigt: Unter den befragten Personalern sahen es 89 Prozent als Schwerpunktaufgabe, ihr Unternehmen als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren.

Dass Recruiting spätestens seit diesem Jahr nicht mehr ohne Employer-Branding auskommt, verrät noch mehr über die Entwicklung von Jobsuche und Bewerbung im Allgemeinen: Aufgrund der Marktlage ist es inzwischen der (exzellente) Arbeitnehmer, der sich aussuchen kann, wo er arbeitet – Unternehmen bewerben sich um Mitarbeiter und nicht umgekehrt.

Startups – Wer sucht wen?

Der „War for Talents“ ist also munter weiter im Gange, hat sich aber ein Stück weit differenziert. Talent ist nicht gleich Talent und für Arbeitgeber kommt es vor allem darauf an, sich klar zu werden, wen sie eigentlich suchen und was sie Mitarbeitern anbieten können.

Es ist immer noch so, dass Konzerne und Beratungen die Nase vorn haben, wenn es um hohe Gehälter, Status und Sicherheit für Arbeitnehmer geht. Tatsache bleibt auch, dass Startups und mittelständische Firmen eher mit verantwortungsvollen Aufgaben, steilen Lernkurven und Dynamik punkten können.

Differenzieren sollten gerade Startup-Personaler, wen sie eigentlich brauchen: „Ente oder Adler“ schrieb Deutsche Startups (www.deutsche-startups.de) im Oktober und riet Gründern dazu, Mitarbeiter nach Motivation einzustellen: Diejenigen, die „nur“ einen Arbeitsplatz suchen, haben ihr Ziel erreicht, wenn sie ihn gefunden haben. Wer am Ziel ist, dessen Aktivität lässt nach und er tut nur noch das Nötigste – soweit zu den Enten. Wer eine Aufgabe sucht, hat mit einer Anstellung sein Ziel konkretisiert und beginnt die Aktivitäten erst – die „Adler“.

Startups als Arbeitgeber der Zukunft

Nun wachsen mit der vielbeschworenen „Generation Y“ eher Adler als Enten nach: Ihre Prioritäten decken sich mit einer Arbeitsatmosphäre, wie man sie oft in Startups und Internetunternehmen findet und denen Verantwortung, Entwicklungsmöglichkeiten, Augenhöhe und der „persönliche Fit“ wichtiger sind als Status, Rentenversicherung und Hierarchiedenken.

Wasser, Luft, Internet – die Generation Y setzt klare Prioritäten“ bloggte Wollmilchsau zu dem Thema und folgert: Das Internet verändert die gesamte Arbeitswelt – angefangen bei der Verschmelzung von Beruflich und Privat, über ortsungebundenes Arbeiten bis hin zur Informationstransparenz am Arbeitsplatz. Die Frage ist, wie gut Old-Economy-Unternehmen darauf vorbereitet sind, sich diese Leistungsträger an Bord zu holen – leises Schmunzeln auf Startupseite erlaubt.

Social-Media-Recruiting: „Keine Game Changer dieses Jahr“

„Womit sich viele Großunternehmen noch schwer tun, ist authentische Kommunikation. Denen fehlen oft Budget, Mitarbeiter und die entsprechende Unternehmenskultur, um einen echten Dialog mit ihrer Zielgruppe zu beginnen und über ihr eigenes Unternehmen emotional ansprechend zu kommunizieren“ sagt Jan Kirchner, Geschäftsführer der Social Media Recruiting Agentur atenta (www.atenta.de).
Hübsches Beispiel, wie authentische Kommunikation NICHT aussieht: BMW rappt für Praktika – bei so wenig Substanziellem helfen auch „Herz und Individualität“ nicht weiter.

Auch hier: Entspanntes Grinsen erlaubt, zumal in 2011 keine Tools, Plattformen oder Communities aufgekommen sind, die Social-Media-Recruiting grundsätzlich verändert hätten. „Vor zwei, drei Jahren haben Twitter und Facebook eingeschlagen wie Granaten, dieses Jahr gab es eigentlich keine großen Game Changer“ so Jan Kirchner.

Bilder, die bewegen – Menschen und die Arbeitswelt

Was innovative und zielgruppenorientiertes Recruiting angeht, ließ sich 2011 vor allem eins feststellen: Videos werden immer, immer wichtiger – zumindest, wenn sie gut gemacht sind. Ob Matthew Epsteins „Google please hire me“ Kampagne oder die Springer Media Entrepreneurs Kampagne – Bewegtbilder sind zum einen DAS Medium internetaffiner Young Potentials und haben zum anderen enormes virales Potential, wie beide Kampagnen gezeigt haben.

Die Epstein- und Springer-Filme lassen noch einen anderen Trend erkennen: Der Mitarbeiter als Entrepreneur oder Intrapreneur – der Unternehmer im Unternehmen. Auch das ein Indiz für den Wertewandel, der sich aktuell am Arbeitsmarkt vollzieht. Es ist nicht nur so, dass sich Unternehmen eher bei Mitarbeitern bewerben als umgekehrt. Zugleich werden die persönlichen Potenziale und Einstellungen des Einzelnen immer mehr zum Gestaltungsfaktor in Organisationen und für ihre Kulturen – auch das eine Entwicklung, die in Startups leichter umzusetzen sein dürfte, weil sie schlicht flexibler sind als große etablierte Unternehmen.

Work-Life-Balance war gestern

„Junge Talente definieren Arbeit weniger als festgelegte Funktion in einem riesigen Apparat von Prozessen und Strukturen und immer mehr als Möglichkeit, die eigenen Talente dauerhaft fokussieren und umsetzen zu können und vor allem auch, die eigenen Prioritäten ins Arbeitsleben integrieren zu können“ sagt Constanze Buchheim, CEO von I-Potentials (www.i-potentials.de). „Das heißt insbesondere für die Startupszene, dass Mitarbeiterbindung und -förderung große Herausforderungen werden.“

Denn wer sich als Startup nicht darauf einlassen kann, Mitarbeiter als größtes Potential des Unternehmens zu erkennen und seine Mitarbeiter entsprechend ihrer (intrinsischen) Motivation, ihrer Bedürfnisse und ihrer Stärken zu führen, hat im War for Talents schon verloren. Exzellente Mitarbeiter haben schneller einen persönlich passenderen Job als der (Ex-)Arbeitgeber die Stellenanzeige online hat.

Was das konkret für die Mitarbeiterbindung heißt? Die Personalerstudie spricht immer noch davon, „Work-Life-Balance zu ermöglichen“, was 65 Prozent der Befragten als Herausforderung für 2012 sahen (2009 waren es 34 Prozent). In Startups herrscht da schon ein anderer Schnack: „Work and Life? Das impliziert ja immer, dass das eine irgendwie negativ und das andere positiv ist“, sagt Johannes Reck, Gründer und CEO von GetYourGuide (www.getyourguide.de). „Ich glaube, es geht heute vielmehr um Work-Life-Integration, also darum, ganzheitlich zu denken und das Unternehmen folglich auf ‚ganze Menschen‘ und nicht abstrakte ‚Arbeitnehmer‘ auszurichten.“

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