Interkulturelle Kompetenz Startup

Internationalität bringt Kreativität

Man muss nicht immer ins Ausland gehen, um auf Menschen mit anderem kulturellen Hintergrund zu treffen. Es reicht ein Blick in die tägliche Arbeitsumgebung: Die Berliner Startup-Szene scheint einer der internationalsten Arbeitsplätze Deutschlands zu sein. Menschen strömen aus allen erdenklichen Ecken dieser Welt nach Berlin, um sich der digitalen Szene anzuschließen und ihr Potenzial in jungen und dynamischen Unternehmen zu entfalten.

Die ausgeprägte Kreativität, die hier gelebt wird, und die sicher eines der größten Assets der Startup-Welt ist, kommt nicht zuletzt durch den bunten Völkermix, der sich auf den Gängen und in den Büros der Berliner Startups tummelt. Teams setzen sich hier aus Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen zusammen; von US-Amerikanern über Briten, Spaniern, Chinesen und natürlich auch ein paar Deutschen – man könnte diese Liste endlos fortführen und würde sich dabei gedanklich wahrscheinlich einmal um den Globus bewegen.

Andere Länder, andere Sitten

Menschen aus unterschiedlichen Ländern bringen unterschiedliche Ideen und Ansichten mit, die sich zu einem inspirierenden Ganzen zusammenschließen und die dynamische Szene tagtäglich vorantreiben. Neben diesem Synergieeffekt sprechen Menschen aus verschiedenen Ländern aber auch andere Sprachen, haben unterschiedliche Werte und damit verbunden teils ganz unterschiedliche Präferenzen, beispielsweise in Bezug auf Arbeitsweisen oder das tägliche Miteinander.

Wenn der Chef also aus Spanien kommt und das Team sich aus Deutschen, Polen und Franzosen zusammensetzt, ist es recht wahrscheinlich, dass unterschiedliche Vorstellungen, zum Beispiel in Bezug auf eine Feedbackkultur, das Einhalten von Deadlines oder auch die grundsätzliche Art der Kommunikation bestehen. Die einen möchten alles immer direkt auf den Tisch bringen, für andere ist dies eine völlig undenkbare, und zudem auch noch sehr unhöfliche, Art des Miteinanders. Es ist nicht schwer zu erkennen – diese Präferenzen können in der täglichen Zusammenarbeit zu Missverständnissen führen und plötzlich steht nicht mehr die Kreativität im Vordergrund, sondern Probleme im Team.

Interkulturelle Kompetenz entwickeln

Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Mitarbeiter in Startups (natürlich nicht nur hier) über ein gewisses Maß an interkultureller Kompetenz verfügen, „Antennen“ für kulturelle Unterschiede haben und wertschätzend mit diesen umgehen können. Viele bringen durch jahrelange internationale Zusammenarbeit eine ganze Menge Erfahrung mit, aber das bedeutet nicht unbedingt, dass sie auch wissen, wie man damit umgeht – man kann es ja auch schon jahrelang „falsch“ gemacht beziehungsweise ignoriert haben.

Man könnte also meinen, dass ein Gespür für andere Kulturen zu entwickeln besonders in Startups auf Grund der ausgeprägten Internationalität gefördert werden sollte. Interkulturelle Kompetenz wird ja sicher nicht umsonst als Kernkompetenz des 21. Jahrhunderts bezeichnet.

Anzeige

Ein Ausflug in die Konzernwelt

Wie wichtig es ist, interkulturell kompetente Mitarbeiter zu haben, haben bereits viele Studien gezeigt. Und Abgesehen von der Zufriedenheit der Mitarbeiter steht hier ja auch der Erfolg eines Unternehmens auf dem Spiel. Ein Blick auf die Konzernwelt verdeutlicht, dass bereits eine ganze Menge im Bereich interkulturelle Weiterbildung getan wird: Internationale Teams erhalten Awareness Trainings um die interkulturelle Kompetenz länderunspezifisch zu schulen und Expatriates werden in länderspezifischen Trainings auf das Leben und Arbeiten in einem neuen Land vorbereitet. Immer mehr Unternehmen springen auf diesen Zug auf, um ihre Mitarbeiter kompetent zu schulen und vorzubereiten.

Interkulturelle Trainings in der Startup-Szene

Aber wie sieht es in der Berliner Startup Szene aus? Die gefühlte Nichtexistenz des Themas in der Szene lässt vermuten, dass dieser Hype in Berlin noch nicht wirklich angekommen ist. Und man muss zugeben, dass interkulturelle Trainings durchaus eine nicht ganz kostengünstige Weiterbildungsmaßnahme sind. Allerdings eine oft kurzfristige Rechnung, da immer wieder festgestellt wird, dass es noch viel teurer sein kann, wenn man sie nicht durchführt.

Alternativen für den Startup-Geldbeutel

Aber was kann man also tun, wenn man als Startup nicht so viel Geld in die Hand nehmen kann oder will, um seine Mitarbeiter über Anbieter interkultureller Trainings zu schulen? Ein interkulturelles Training muss nicht immer professionell durchgeführt werden, denn man kann auch aus dem Wissen der einzelnen Mitarbeiter schöpfen.

So gibt es zum Beispiel die Möglichkeit, über regelmäßige „Culture Sessions“ jedem im Team den Raum dafür zu bieten, über seine eigene Kultur zu berichten und seinen Kollegen über die Gepflogenheiten des Landes zu erzählen, von Präferenzen in Bezug auf Verhaltensweisen („bei uns ist es üblich, dass…“) und den Werten, die hinter diesen liegen („weil…“). Dies geht in Richtung kulturspezifische Trainings, bei denen Personen speziell auf eine Kultur vorbereitet werden.

Macht man dies mit der gesamten Belegschaft, lernt man sicher einiges über seine Kollegen dazu und kann sich gewisses Verhalten auf einmal viel besser erklären. So könnte man erfahren, dass direktes Feedback geben und annehmen in vielen Kulturen als unhöflich gilt und dem Wahren des Gesichts ein höherer Stellenwert beigemessen wird – eine Information, die für das nächste Mitarbeitergespräch sicher hilfreich sein wird.

Auch gibt es die Möglichkeit, Workshops zu organisieren und in Rollenspielen auf interaktive Weise mehr über die Präferenzen seiner Arbeitskollegen zu erfahren. Dies kommt den länderunspezifischen Awareness Trainings näher, bei denen es grundsätzlich darum geht, ein Gespür für kulturelle Unterschiede zu entwickeln, ohne sich dabei auf eine bestimmte Kultur zu beschränken.

Aufstellungen im Raum können unterschiedliche Präferenzen aufzeigen, zum Beispiel: Wie viel Abstand halte ich zu einer Person, wie dicht sollte jemand vor mir stehen, wenn er mit mir spricht und ab wann empfinde ich es als unangenehm (personal space); wo sehe ich mich in Bezug auf ein bestimmtes Statement (Aufstellung anhand einer Linie). Die Möglichkeiten der Übungen sind unbegrenzt und viele lassen sich einfach im Internet finden, zum Beispiel beim Deutschen Bildungsserver.

Und gemeinsam auf kulturelle Weltreise durch sein Team zu gehen, hat neben dem Lerneffekt, den es für alle mit sich bringt, auch noch den Vorteil, dass es Spaß macht und man sich ganz automatisch besser kennenlernt. Diese Learnings kann man dann in der täglichen Zusammenarbeit berücksichtigen und jedem Mitarbeiter so entgegentreten, wie er es als respektvoll empfindet.

Kulturelle Unterschiede nicht Ursache jedes Problems

Natürlich sind kulturelle Unterschiede nicht alles und es kann sehr unterschiedliche Gründe dafür geben, warum die Zusammenarbeit nicht funktioniert, beziehungsweise muss auch nicht jede Zusammenarbeit nicht funktionieren, weil man sich nicht aller kultureller Unterschiede bewusst ist. Aber der richtige Umgang damit ist eine gute Basis dafür, dass es überhaupt klappen kann, und ebnet damit den Weg für die volle Entfaltung des kreativen Potenzials aller Mitarbeiter.

Bild: Magdalena Räth, bei Wayra London