Mittlerweile gbt es einige Bücher, die zur Pflichtlektüre für angehende Entrepreneure gehören sollten. „Wir statt Gier – Aufbruch in eine neue Ära der Wirtschaft“ könnte eines davon werden. Auf 268 Seiten beschreibt der Autor Gordon Müller-Eschenbach ein neues unternehmerisches Wertebewusstsein. Dabei hebt das Buch aber nicht vorrangig den Zeigefinger, sondern zeigt konkrete Maßnahmen auf und lädt zum Selbstversuch ein.

Hallo Gordon. Stelle dich bitte kurz vor.

Mein Name ist Gordon Müller-Eschenbach, bin 42 und merkte nach zehn Jahren Karriere in den Unternehmensberatungen Roland Berger und The Boston Consulting Group, dass mir etwas fehlte, um einfach so weiterzumachen. Daher entschloss ich mich für einen Bruch, zog nach Berlin und arbeitete mich in die andere Welt der ganzheitlichen Betrachtungen als Heilpraktiker ein, gründete einen Verlag und produzierte unter anderem Entspannungs-CDs.

Die eher ungewöhnliche Kombination von klassischer Wirtschaftserfahrung und ganzheitlicher Sichtweise führte dazu, dass ich immer öfter als Berater angefragt wurde, um Impulse zu setzen und Menschen auf ihrem individuellen Weg zu helfen. Und so helfe ich heute als Coach Menschen aller Altersklassen und Ausbildungswege bei ihren individuellen Themen beziehungsweise arbeite als Sparringpartner für strategische Themen mit Managern.

Dein gerade erschienenes Buch „Wir statt Gier – Aufbruch in eine neue Ära der Wirtschaft“ fordert ein neues Wertebewusstsein. Wie sieht dieses aus?

Die Skandale der letzten Zeit und die Reaktionen darauf zeigen, dass immer mehr Menschen heute den Glauben an die klassischen Eliten als Orientierungshilfe und Vorbilder verloren haben. Kann man auch keinem angesichts der Affären um Guttenberg, Missbrauchsskandalen in der Kirche oder Korruption in FIFA beziehungsweise in Großunternehmen verdenken. Da wo Staat, Kirche und Vorstände mit ihrem unethischen Verhalten unsere Loyalität missbrauchen, baut sich das starke Bedürfnis nach einer neuen Ausrichtung und einer drastischen Veränderung auf.

Für Unternehmer heißt dies, dass Mitarbeiter und Kunden heute sehr genau hinschauen, nach welchen Werten die Führung handelt und nach welchen Prinzipien ein Unternehmen ausgerichtet ist. Die Zukunft steht jenen offen, die sich daran orientieren und es so zu Herzen nehmen, dass sie es auch im Alltag leben.

Und wenn Mitarbeiter erkennen, dass die Unternehmensführung nach einem Wir-Prinzip im Unternehmen entscheidet und handelt, dann können sie anfangen, sich selbst danach auszurichten. Mit der Einbindung in das wachsende Gemeinschaftsgefühl verschwinden automatisch die Probleme der Old-School: Missmut, innere Kündigung, Mobbing und fehlende Kreativität und Produktivität werden dann nicht mehr Teil des Unternehmens sein.

Du selbst hast deinen Beruf in der Unternehmensberatung an den Nagel gehängt und dich selbstständig gemacht, um als Coach Change-Prozesse zu vermitteln. Wie gut funktionieren deine Buch-Thesen in der Praxis?

Gut. Ich fliege zwar jetzt nicht mehr mit Senator-Status in der Business-Class durch die Gegend oder steige in Luxushotels ab, aber dafür bin ich freier in meinem Handeln und Entscheiden, da ich mich nicht mehr an politischen Spielchen im Unternehmen taktisch orientieren muss. Aber was mir beim Ausstieg klar geworden ist, hat sich für mich bewahrheitet: Wichtiger als Status, Macht und Anerkennung ist doch die innere Leidenschaft. Dieser innere Antrieb, dieses innere Feuer braucht das Gefühl der Erfüllung durch eine sinnvolle Arbeit.

Für mich persönlich ist dies: Intensiv mit Menschen zu arbeiten, Impulse zu setzen und zu inspirieren, den eigenen Weg zu finden und voller Kraft zu gehen. Und so sieht mein Arbeitsalltag zwar heute komplett anders aus als früher bei den Strategieberatungen, aber die innere Befriedigung durch mehr für mich sichtbaren Impact ist höher und ich bin viel öfter im „Flow“, bei dem mir die „Arbeit“ leicht von der Hand geht. Und das war es, was ich suchte.

In deinem Buch forderst du, jedem Ministerium ein Jahr lang ein Social-Business gegenüberzustellen. Was denkst du, wie dieser Versuch ausgehen würde?

Klar mit einem „Sieg“ für die Social-Business Seite – und damit für uns alle: Eine Vielzahl neuer, innovativer und kostengünstiger Lösungsansätze würde gefunden werden, wie die weltweiten Erfahrungen mit Social-Business mit anderen Themen zeigen, bei denen Staat und NGOs versagt haben. Ich gehe davon aus, dass nicht nur die aus Bevölkerungssicht (und nicht aus Sicht der Administration) wichtigsten Themen bearbeitet würden, sondern endlich auch ein Erfolg beim Abbau der Bürokratie in Deutschland erzielt würde.

Dies würde natürlich wie eine Schockwelle durch die gesamte staatliche Behördenlandschaft ziehen, aber mit einem tollen Effekt: Die jungen Mitarbeiter in der Administration, die noch Visionen und Ideen haben, können ermutigt werden, aufzubegehren gegenüber den Blockierern und Bewahrern, die sich jeglicher Neuerung verschließen.

Durch die Erneuerung von innen, die wir damit anstoßen würden, könnte innerhalb von zehn Jahren Deutschland zur Speerspitze der Qualität und Effektivität in der Administration aufsteigen, ohne den Mitarbeiteranteil und die Budgetausgaben dafür in die Höhe zu treiben.

Siehst du die jetzige Startup-Landschaft als Vorreiter einer neuen Wir-Ära?

Die Startup-Landschaft ist neben der Social-Business-Community für mich aus vielen Gründen Vorreiter der neuen Wir-Ära. Überall dort, wo Menschen sich engagieren aufgrund eines gemeinsamen Themas und einer gemeinsamen Vision, entstehen zukunftsfähige Wir-Arbeitsplätze und nicht 9-to-5-Jobs. Hier wird der Old-School-Wirtschaft vorgemacht, wie dynamisch sich Unternehmen entwickeln können, bei denen Hierarchie, Status und interne politische Machtspielchen keine Rolle mehr spielen, sondern das Wir im Mittelpunkt steht. Also eine entsprechend freie, offene, integrative Unternehmenskultur vorgegeben und im Alltag auch gelebt wird.

Wenn dann noch die Ethik der Gründer bei all dem Wachstum wie ein Fels bestehen bleibt, schaffen es auch die Startups, sich diesen inneren Vorteil zu bewahren und damit Wachstum und geschäftlichen Erfolg zu kombinieren mit hohen Motivationswerten, hoher Loyalität von Mitarbeitern und Kundenbindung auf der anderen Seite.

Gibt es etwas, was du Jungunternehmern noch mit auf den Weg geben möchtest?

Mitgeben möchte ich Jungunternehmern: Bleibt Euren inneren Werten und Visionen treu und schmeißt nicht die Ethik des Umgangs miteinander im Unternehmen über Bord, nur weil plötzlich mehr als 100 Leute mitarbeiten oder Investoren anfangen, immer mehr Return zu erwarten. Versucht unternehmerisch und damit auch von der Unternehmenskultur unabhängig zu bleiben durch die Nutzung von gemeinschaftlich orientierten Finanzierungsformen wie des Crowdfundings.

Bleibt dem Spirit der Wir-Bewegung treu, auch wenn es unübersichtlicher wird, je größer das Startup und je komplexer die organisatorischen Themen werden. Und für mich am wichtigsten: Lasst Euch durch die enormen Gewinnpotenziale nicht pervertieren – die erste Startup-Welle Ende der 90er-Jahre hat schon damals gezeigt: Gier nach mehr Geld ruiniert das Wir und erstickt jede Unternehmenskultur der Startups, die aber das eigentliche Zukunftspotenzial für das Unternehmen in sich trägt – Ideen und Konzepte lassen sich kopieren, Menschen und der besondere Spirit eines Unternehmens aber nicht.

Wer nur noch Dollar-Zeichen in den Augen trägt, wird zum neureichen Old-School-Wirtschaftskapitän, entscheidet und handelt so und wird damit genau zum Zerrbild, vor dem seine Mitstreiter und Kollegen doch eigentlich geflüchtet sind.

2x „Wir statt Gier“ zu gewinnen

Gründerszene verlost zwei Exemplare von Gordon Müller-Eschenbachs Buch „Wir statt Gier – Aufbruch in eine neue Ära der Wirtschaft“. Hierfür einfach unter diesem Artikel kommentieren.

Die beiden Gewinner wurden mittlerweile kontaktiert.