Charme, Intelligenz, Überraschungssinn und provokanter Humor – das sind die Attribute für „Guerilla Denken und Handeln“ – oder auch Guerilla-Marketing. Außergewöhnliche Aktionen fallen auf, gute Guerilla-Ideen schaffen das mit positivem Nachdruck. Vor allem Startups haben diese Aufmerksamkeit nötig, um sich schon von Anfang an von der breiten Masse abzuheben. Für Online-Startups ist es besonders wichtig, um mit potenziellen Nutzern eine reale Bindung aufzubauen, die Marke erlebbar zu machen. Doch wie geht man als Gründer vor und was ist zu beachten?

Guerilla Marketing Tipps

Guerilla Denken und Handeln – was heißt das?

Guerilla ist frech, Guerilla ist überraschend, Guerilla ist in jedem Fall „anders“. Es gilt, bestehende Verhaltensschemen zu erkennen und bewusst zu brechen. Mit Charme und Witz entsteht beim Beobachter sofort eine subtile oder eindeutige positive Wirkung. Auf den Punkt gebracht, heißt Guerilla bewusstes Regelbrechen im Alltag der Zielgruppe.

Wer es schafft, sein Publikum zu beeindrucken (wenn auch nur durch die außergewöhnliche Idee, die hinter der Aktion steckt), hat Respekt und Anerkennung verdient – und sicher für Gesprächsstoff gesorgt. Dazu ist es wichtig, anders zu denken, anders umzusetzen. So lässt sich aus so manch kleinem Budget schon ein großes Wirkungswunder kreieren – und das Spiel mit den Ressourcen ist Startups nur zu gut bekannt.

Überraschungseffekte und Provokation sind dabei oft der Schlüssel zum Erfolg. Man verwendet Vorhandenes und verändert es zu seinem Nutzen. So lässt McDonalds die gelben Zebrastreifen in New York einfach zu Pommes werden, indem man die typische rote Pappschachtel dazumalt. TippEx stellt neben den deutschen Zebrastreifen einen großen TippEx-Spender. Die Litfasssäule verwandelt sich in eine Rolle Toilettenpapier. Das Abflussgitter wird zum Grillrost, ein Damm bekommt die Aufschrift eines Tampon-Herstellers. Alle Ideen haben eines gemeinsam: Die Unternehmen hatten Mut und haben umgesetzt.

Das sind originelle Ideen, die den Beobachter erstaunen, schockieren oder belustigen. Egal, welches dieser Gefühle die Kreativen beim Konsumenten wecken wollen, sie motivieren ihn, darüber zu sprechen. Deshalb erinnert er sich an die beworbene Marke im Kontext mit der ungewöhnlichen Aktion.

Die Herangehensweise beim Guerilla-Marketing

Es ist eine erstaunliche Wahrheit – aber den „Gute-Ideen-Generator“ gibt es leider nicht. Wie auch? Jede beworbene Dienstleistung, jedes angepriesene Produkt ist anders. Es gilt dennoch, bestechende Ideen zu entwickeln, und diese Leitfragen können helfen:

  • Welcher (Alltags-)Gegenstand sieht meinem Produkt ähnlich?
  • Welche Funktionsweise gleicht auch nur im Entferntesten meiner Dienstleistung?
  • Was macht die Konkurrenz – gibt es eine Möglichkeit, darauf einen lustigen Bezug zu nehmen?
  • Und speziell für Online-Gründer: Wo sind die Touchpoints meiner potenziellen Kunden im realen Leben? Hier sollten vor allem an die Zielgruppe gedacht werden.

  Es ist klar, dass sich Guerilla-Marketing nicht innerhalb dieser vier Fragen bewegt. Sie geben jedoch Gründern mit wenig Marketing-Erfahrung wichtige Impulse. Generell gilt: Guerilla gehorcht keinen Regeln, und versucht jemand Regeln zu erstellen, gilt es diese mit Guerilla zu brechen.

Aber Vorsicht! Das Risiko ist groß, beim Publikum einen negativen Nachgeschmack zu hinterlassen. Auch Behörden kann so einiges bitter aufstoßen, doch dazu später mehr.

Ein Brainstorming hilft zu Beginn oft, die richtige Richtung zu finden. An dieser Stelle sollten Bekannte hinzugezogen werden, die der Marke nicht so nahe stehen – dadurch werden oft völlig neue Sichtweisen auf das Produkt/die Dienstleistung freigelegt. Einige Ideen werden in die engere Wahl gezogen und dann gilt es, für jede Aktion die Realisierbarkeit zu prüfen und eine Budgetkalkulation aufzustellen.

Zu diesem Zeitpunkt ist eine sehr genaue Recherche besonders wichtig: was sich als unrealistisch oder zu kostenintensiv herausstellt, wird verworfen, Neues kann entstehen und Vorhandenes verändert sich. Die Ansätze entwickeln sich weiter und schnell kristallisiert sich die erfolgversprechendste Idee heraus. Auf geht’s, ran an die Umsetzung.

Was es beim Guerilla-Marketing zu beachten gilt

Wie bereits angedeutet, verbergen sich hinter Guerilla Denken und Handeln, aber auch „gefährliche“ Stolperfallen. Einige witzige Ideen, die in Guerilla-Maßnahmen verarbeitet werden, sind leider nicht immer rechtens. Zwar liegen diese Zuwiderhandlungen zumeist im Bereich der Ordnungswidrigkeiten, große Geldsummen ziehen sie jedoch trotzdem häufig nach sich. Großen Unternehmen mit ebenso großem Budget können diese oft egal sein, da anfallende Strafen oder Ähnliches aus der Portokasse gezahlt werden. Für Gründer und ihre Startups allerdings fielen Strafen stärker ins Gewicht.

Doch nicht nur auf rechtlicher Ebene kann bestraft werden. Leider hinterlassen lustig gemeinte Ideen manchmal einen schlechten Nachgeschmack, da die provokante Aussage je nach Situation oder Beobachter falsch aufgefasst wird. Die Aufmerksamkeit ist damit trotzdem garantiert – aber es geht darum, positiv im Gedächtnis der Menschen zu bleiben.

Dass Letzteres für Firmen aller Größen gilt, zeigte Vodafone im Jahr 2002: Der Mobilfunkkonzern schickte bei einem entscheidenden Rugbyspiel zwei Flitzer mit Vodafone-Bemalung über das Spielfeld, und das auch noch als Unterbrechung eines spielentscheidenden Strafstoßes. Die Geldstrafe war trotz ihrer enormen Höhe das kleinste Problem. Die beiden umsetzenden Personen wurden vor Gericht gezogen – und der Unmut der Rugby-Fans auf Vodafone. Die Aufmerksamkeit war garantiert, der Erfolg der Aktion ist im Nachhinein jedoch fraglich. Der fiktive PR-Wert war gigantisch.

Natürlich bewegen sich Gründer in einer völlig anderen Größenordnung, dennoch zeigt das Beispiel, dass ausführliche Recherche (im Bezug auf mögliche Gefahren beziehungsweise Planung des Timings) wichtig gewesen wäre. Versteckte beziehungsweise mögliche Kosten müssen unbedingt im Vorfeld mit eingeplant werden, da im Endeffekt die Kosten weit unter dem Nutzen liegen sollten.

Einige Anregungen zum Guerilla-Marketing

Wie bereits angesprochen, ist es besonders für die Online-Unternehmen eine Hürde, ihre Idee, ihre Philosophie und ihre Produkte über das Internet hinaus in den Alltag zu transportieren. Das Online-Geschäft soll nichts Virtuelles bleiben, es muss „real erlebbar“ werden.

Das hat der Versandhandel Otto (www.otto.com) vor einigen Jahren super umgesetzt. Ein Bikini-Model, das den Otto-Katalog präsentiert, wurde als kleine Pappstatue vor die Spione deutscher Wohnungstüren geklebt. Für den Bewohner sah es so aus, als würde das attraktive Model genau vor seiner Türe stehen. Ein peruanischer Pizza-Service tat es Otto gleich, sodass der Bewohner einen Pizzalieferanten mit entsprechend gebrandetem Karton vor sich sah.

Maßnahmen sollten dabei möglichst immer zielgruppengerecht positioniert werden. Der Pizzaservice wird in typischen Studentenvierteln oder an Singlewohnungen wahrscheinlich mehr Erfolg haben, für Otto ergibt sich vermutlich bei Einfamilienhäusern und größeren, familienorientierten Wohnsiedlungen eine höhere Resonanz.

Provokanter war die Guerilla-Aktion des Berliner Online-Startups Amen (amenhq.com), das Mitte letzten Jahres für Furore sorgte. Ähnlich wie Twitter ist es ein Social-Network, auf dem provokant Meinungen über Personen, Orte und Taten veröffentlich werden und von anderen Usern mit einem „Amen“ (So ist es.) bestätigt werden können.

Im Frühjahr dieses Jahres machte das Unternehmen mit Plakatierungen in Berlin auf sich aufmerksam. Es waren Parolen wie „U8 is the Best Place for Buying Heroin in Berlin. Amen.“ an U-Bahnstationen oder „Ersatz is the Worst Verkehr Ever. Amen.“ an Bushaltestellen – witzige, schockierende und nervige Hauptstadt-Gepflogenheiten wurden so auf Papier gebracht.

Dies waren nur zwei gute Beispiele im Meer der grandiosen Ideen. Wer seiner spitzfindigen Aktion noch mehr Aufmerksamkeit schenken will und seine Budgetgrenze noch nicht erreicht hat, der sollte in jedem Fall die Umsetzung filmisch begleiten. So lässt sich eine regionale Aktion multimedial verbreiten und das Unternehmen profitiert noch viel länger, zum Beispiel, indem es das Video auf sämtlichen Social-Media-Plattformen und der eigenen Homepage verbreitet.

Und nun, auf zum Brainstorming mit Bekannten und Kollegen; es warten außergewöhnliche Ideen, die begeistern!

In eigener Sache: Gründerszene Guerilla-Marketing-Seminare

Gründerszene bietet Seminare zu dem Thema Guerilla-Marketing an.

Bild: Amen