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„Es regiert die nackte Angst“ bei Groupon

Über den Management-Stil und die militärische Sprache der Samwers wurde ja bereits ausführlich diskutiert. Nun verdichten sich die Hinweise, dass es auch beim Portfolio-Unternehmen Groupon (www.groupon.de) an der Tagesordnung ist, Mitarbeiter unter massiven Druck zu setzen. Das zeigen mehrere interne E-Mails und Briefe von Groupon-Mitarbeitern, die Gründerszene zugespielt wurden. Die Informationen zeichnen ein schockierendes Bild von Personal-Degradierungen, massivem psychischen Druck, Dealproblemen und Platzmangel.

Bereits im September 2011 erhielt Gründerszene einen dreiseitigen anonymen Brief, der Erschreckendes über die Arbeitsverhältnisse bei Groupon vermuten lässt: „Es regiert die nackte Angst“ heißt es darin, wobei die Strukturen von Groupon als „Hire-and-Fire“ beschrieben werden. Laut diesem Schreiben könnte es demnach zwischen 500 und 600 ehemalige Groupon-Mitarbeiter geben. Zuletzt berichtete Gründerszene im Juli 2010 über eine umfangreiche Entlassungswelle bei Groupon CityDeal, das rund 25 Prozent seiner damals 700 Mitarbeiter entließ.

Groupon-Mitarbeiter würden sich „blanker Schikane“ ausgesetzt sehen, zumal Teammeetings „häufig stundenlange Beschimpfungen und Vorwürfe beinhalten“ und „auf Nonperformer eingeprügelt“ würde, während Ziele über Rapports im Stundentakt abgefragt werden sollen. Glaubt man den Ausführungen, beginnt die Arbeitsplanung bei Groupon um 8.00 Uhr und endet um 22.00 Uhr – Pausen sind nicht gern gesehen.

Gleiches offenbart eine anonyme E-Mail, die Gründerszene dieser Tage erhielt: Von „hartem Druck“, „vertraglich vereinbartem Bonus mit Penalties“ und „Titelveränderungen“ ist dort die Rede. Der angebliche Groupon-Mitarbeiter schreibt: „Jetzt soll auch noch der Titel verändert werden – wir werden quasi degradiert, wenn unsere Teams in der Woche nicht 0,5 Dreamlist-Partner abschließen“ [laut Mail-Verkehr von Daniel Glasner (siehe unten) müssen Teams pro Woche vier, also jeder Mitarbeiter 0,5 Dreamlist-Partner abschließen, Anmerkung der Redaktion].

Nicht-Performer werden degradiert

Dreamlist-Partner sind zum Beispiel Top-Restaurants oder namhafte Spas. In der E-Mail heißt es weiter, dass jeder der Kollegen auf Jobsuche sei und plane, das Unternehmen in den nächsten sechs Monaten zu verlassen. Die Team-Direktoren seien oft mit falschen Versprechungen aus Festanstellungen bei McKinsey & Co herausgeholt worden.

Welche Stilblüten dies mitunter trägt, offenbart nun auch ein aktueller E-Mail-Verkehr zwischen Groupon-Geschäftsführer Daniel Glasner und mehreren City-Managern und Direktoren, der Gründerszene aus ebenfalls anonymer Quelle zugespielt wurde. Darin heißt es von Geschäftsführer Glasner (für eine detaillierte Aufarbeitung siehe auch den entsprechenden Artikel bei VentureVillage):

„Um euch die Bedeutung und Wichtigkeit des Themas Qualität unserer Deals noch besser zu veranschaulichen, greife ich zu einer außergewöhnlichen Maßnahme: Jeder von euch, der nicht die folgenden zwei Minimum-Ziele nächste Woche erreicht, wird seinen „Director“-Titel verlieren.“

Ziel sei es, innerhalb einer Woche mit einem achtköpfigen Team mindestens vier Dreamlist-Accounts zu closen. Seit diesem Montag gelten diese „außergewöhnlichen“ Maßnahmen. Besagte E-Mail enthält darüber hinaus bereits genaue Anweisungen an das HR-Team, alle Titel der Personen zu ändern, die ihre Ziele nicht erreichen. Von COO Philipp Magin heißt es in einer Antwortmail an die City-Manager: „Das ist ein Trauerspiel. Wir werden jetzt Penalties für das Nicht-Management von Deal-Communications einführen. Wir starten bei 33 Prozent Mindesterfüllung pro Woche.“

Die Zwischenbilanz zieht Glasner am 16. Februar, drei Tage nach der Einleitung der Maßnahmen: „Es sieht extrem ernüchternd aus. Niemand ist annähernd bei einem Drittel. Jeder von euch sollte die verbleibenden zwei Tage nutzen. Sonst müssen wir nächste Woche unnötig HR mit Änderungsverträgen für jeden von euch beschäftigen.“ Die aufmunternden Worte zum Ende der Mail wirken dann nur noch sarkastisch: „Jeder von euch kann das schaffen, wenn er konsequent und fokussiert arbeitet. Es erfordert keine außergewöhnliche Leistung.“

Groupon streitet diese Vorwürfe ab

Gründerszenes Schwestermagazin VentureVillage sprach mit einem ehemaligen Groupon-Manager, der in dieser Angelegenheit anonym bleiben möchte, und wurde darauf hingewiesen, dass ein solcher Tonfall und entsprechende Maßnahmen sogar eher zur sanfteren Gangart bei Groupons Management zählen. Ein aktuell Betroffener gab hingegen an, von diesem E-Mail-Verkehr nichts zu wissen und verwies auf Groupons Pressestelle.

Auf Anfrage von Gründerszene bestritt Daniel Glasner nicht, Urheber besagter E-Mail zu sein, wies entsprechende Vorgänge bei Groupon aber entschieden von sich:

„Die von dir [Gründerszene-Chefredakteur Joel Kaczmarek, Anmerkung der Redaktion] angesprochenen Punkte entsprechen nicht der Wahrheit und sie spiegeln auch in keiner Weise den Arbeitsalltag bei Groupon wider. […]

Wie bei jedem größeren Unternehmen gab es auch bei uns in der Vergangenheit vereinzelt Fälle, in denen wir uns von Mitarbeitern nicht im gegenseitigen Einvernehmen getrennt haben. Jeder dieser Fälle ist für uns unerfreulich, stellt aber glücklicherweise die Ausnahme dar.

Der Erfolg von Groupon beruht auf dem Erfolg seiner Mitarbeiter, von denen viele in Deutschland tätig sind. Wir sind sehr stolz auf unser Team von mehreren Hundert Mitarbeitern in Deutschland, von denen viele von Anfang an dabei sind. Und wir suchen laufend in allen Bereichen weitere Verstärkung für unser Team in Deutschland und auch international. […]“

Natürlich sind gerade anonyme Hinweise von aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern mit Vorsicht zu genießen, doch im Fall Groupons häufen sich diese Hinweise, wie etwa auch ein Blick auf die Arbeitgeberbewertungen bei Kununu oder die Kommentare unter Gründerszenes letztem Groupon-Artikel zeigen. Gründerszene sprach im Verlauf seiner Recherchen mit verschiedenen Beteiligten, die vielfach die dargestellten Verhältnisse bestätigten.

Ebenso gab es jedoch auch einen Mitarbeiter, der sich von entsprechenden Vorwürfen überrascht zeigte und diese nicht bestätigen konnte. Ein ehemals hoch angesiedelter Akteur spricht davon, dass sich bei Groupon vieles in Sachen Arbeitsqualität verbessert haben soll, dass es früher aber „teilweise schlimm“ gewesen sein soll.

Ist Groupons Aufbau nachhaltig?

Aus beiden Schreiben wird auch einiges über Groupons Arbeitsprozesse deutlich, das auf mangelnde Nachhaltigkeit schließen lässt. So heißt es im postalischen Schreiben von 2011:

„Alles ist erlaubt, um einen Deal zu holen. Es wird alles versprochen, was der Kunde hören will. Es wird meist verschwiegen, dass eine Deckelung der Deals möglich ist, so dass mehr daran verdient wird. Das führt häufig dazu, dass kleine Unternehmen auf einmal so viele Kunden haben, dass sie diese nicht bedienen können.

Der Vorrat an Deals reicht meist nur ein bis zwei Tage, öfters stand am Freitag noch kein Wochenenddeal zur Verfügung. […] Die meisten Deals werden aktuell mit 30% Dealgebühr abgeschlossen, was bedeutet, dass der tatsächliche Ertrag viel geringer ist, als im Börsenprospekt ausgewiesen.“ [Stand: September 2011, Anmerkung der Redaktion]

Auch von diesen Vorwürfen will der für Groupon-Osteuropa verantwortlich zeichnende Daniel Glasner nichts wissen: „Das Verhältnis zu unseren Partnern ist einer unserer wichtigsten Erfolgsfaktoren, dementsprechend behutsam gehen wir damit um. Wir halten uns selbstverständlich an alle gesetzlichen Bestimmungen.“

Vor allem scheint die Struktur des Couponing-Riesen kostenintensiv: Umfangreiche Mittel würden für (Online-)Werbung ausgegeben, mehrere Geschäftsführer sowie zahlreiche Vice-Präsidenten und Direktoren erhielten hohe Gehälter und sollen zu zahlreichen Meetings mit dem Flieger anreisen, während in den einzelnen Headquarters „teure Einpeitscher“ in Form von City-Managern eingesetzt würden. Daneben sollen kurzfristige Mietverträge stets teuer ausfallen, was den Schluss zuließe, dass Groupon schnell in der Lage wäre, ganze Städte und komplette Länder zu schließen – womöglich schon binnen zwei Monaten oder weniger.

Schockierendes aus dem Hause Groupon

Von offizieller Seite wurden die hier skizzierten Verhältnisse bestritten, zahlreiche teils anonyme Quellen lassen jedoch Gegenteiliges vermuten. Fraglich bleibt, ob dieser angebliche Managementstil hilft, die Umsätze zu steigern. Dass es bei Samwer-geführten Unternehmen mitunter hoch hergeht, ließ sich zuletzt ja bereits aus einer internen E-Mail von Oliver Samwer ableiten („you must sign it with your blood“, „I am the most aggressive guy on internet on the planet“, „the time for the blitzkrieg must be chosen wisely“), doch solche Auswüchse konnten für Groupon in dieser Form bisher nicht dokumentiert werden. Ehrlicherweise darf aber auch gefragt werden, ob es bei anderen Anbietern im Markt sehr viel entspannter zugeht.

Angesichts solcher Vorwürfe zeichnet sich ein erschütterndes Bild von Groupons Arbeitsverhältnissen, das im Gesamtjahr 2011 einen Umsatz von 1,6 Milliarden US-Dollar einfuhr und dabei durch hohe Kosten für Marketing und Kundenbindung 351 Millionen US-Dollar Verlust machte. Zu den hohen Verlusten von Groupon führte nach Unternehmensangaben vor allem die schnelle Expansion. Insbesondere die Marketing- und Personalkosten sind bei dem Dealgiganten hoch. Die Frage nach der Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells bleibt. Natürlich ist Gründerszene auch unter diesem Artikel an relevanten Kommentaren interessiert: Was ist dran an diesen Vorwürfen? Wie sieht das Bild bei Wettbewerbern aus? Sind die kolpotierten Maßnahmen gerechtfertigt?

Update: In einem umfangreichen Artikel zur Mitarbeitersituation bei Groupong konnte Gründerszene inzwischen noch weitere anscheinende Diskrepanzen aufdecken.

Übrigens: Wer aufschlussreiche Dokumente an Gründerszene senden möchte, die für die Leserschaft von Interesse sein könnten und deren Versand auch durch die gängigen Regelungen der deutschen Rechtsprechung abgedeckt wird, kann dies unter leaks@gruenderszene.de tun.