Sie haben die ersten Social-Network-Erfahrungen von Millionen Nutzern begleitet,  erste Trennungen durch Stalking verursacht und Skandale auf Schulhöfen entblößt: Die VZ-Netzwerke. Doch mit dem Aufstieg von Facebook begann der Niedergang des einstigen Giganten. Schnell wirkten die VZ-Netzwerke alt, zu national und unkreativ. Provinziell fast. Rasend schnell machte sich das auch bei den Nutzerzahlen bemerkbar. Ein Relaunch soll die VZ-Netzwerke nun vor dem Untergang bewahren: Die drei Netzwerke wurden auf den Marktstandard gebracht (Technik, Usability, Design), die Nutzer sollen künftig im Mittelpunkt stehen und mit einer Nischenstrategie wollen die Macher auf die Bedürfnisse der Nutzer eingehen. Im Fokus soll der Nutzerdialog stehen. Zu spät – vermutlich. Aber der Besuch in den Büroräumen hinterließ das Gefühl, dass der Plan doch aufgehen könnte.

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Vom führenden Social Network zum Nischenanbieter

Vor dem Termin bei den VZ-Netzwerken standen der Titel und das Fazit zu diesem Artikel eigentlich schon fest: Adieu VZ-Netzwerke. Doch als die Tür nach dem Gespräch mit CEO Clemens Riedl, dem Chef-Produktmanager Sven Schoof und dem System-Architekten Nils Jünemann zu fiel, war eines klar: Die Macher der VZ-Netzwerke haben etwas Wichtiges verstanden. Facebook steht außer Konkurrenz. Ein großes Wow gibt es mit dem Relaunch nicht und das macht den Relaunch so besonders. Das neue VZ punktet nicht mit einem großen Wurf, sondern der eigentliche Wow-Effekt ist, dass die Revolution beim User liegen soll.

Es gab eine Zeit, da waren die VZ-Netzwerke das führende Social Network in Deutschland. Doch diese ist vorbei. Die VZ-Netzwerke versuchen sich nun ein bisschen neu zu erfinden. Im Fokus stehen die Nutzer. Sie sollen mitbestimmen, wie sich das Soziale Netzwerk weiterentwickelt. Mit ihren Ideen, Feedback und Problemberichten. „Wir starten mit einer Testversion, die wir gemeinsam mit den Nutzern im Dialog weiterentwickeln. Ich bin nicht Steve Jobs und auch nicht mehr 20 Jahre alt. Klar haben wir Ideen, aber wir haben die Haltung, dass wir den Nutzern folgen, nicht unserem Bauchgefühl“, sagte CEO Clemens Riedl im Gespräch mit Gründerszene.

Die VZ-Netzwerke verfügen mit StudiVZ (www.studivz.net), SchülerVZ  (www.schuelervz.net) und MeinVZ (www.meinvz.net) über Onlinenetzwerke für Internetnutzer ab zehn Jahren. Doch mit dem Aufstieg von Facebook verlieren die VZ-Netzwerke monatlich an Besuchern. Es ist zweifelhaft, ob eine Neuausrichtung  ausreichen kann, um den Niedergang zu stoppen. Längst liegt der Fokus der Fachdiskussionen auf dem Konkurrenzkampf von Facebook und Google Plus. Die VZ-Gruppe (www.vz-netzwerke.net) ist kaum noch eine Hausnummer. Das Image: von gestern. Kann der Relaunch das staubige Bild aufpolieren?

Am neuen VZ wurde über ein Jahr gearbeitet

Gefühlt haben die VZ-Netzwerke in den vergangenen zwei Jahren jeden Trend verschlafen. Oft schon hat man sich gefragt, was die 150 Mitarbeiter der Netzwerke noch machen. Das Gespräch in den VZ-Räumen in Berlin-Mitte gab die Antwort: Die Mitarbeiter haben eine neue Basis gebaut. Die Technik wurde auf eine neue Plattform ausgerichtet. Statt des PHP-Monolithen wird künftig mit Googles Web Toolkit, das auf mehreren APIs aufsetzt, gearbeitet. Damit sollen neue Features ab sofort schneller eingeführt werden können. Mit dem neuen VZ sei laut Riedl auch die Voraussetzung für die Internationalisierung gegeben.

Über ein Jahr haben die Entwickler und Produktmanager intensiv am Relaunch gearbeitet. Die bestehenden VZ-Netzwerke wurden in der Zwischenzeit fast vergessen. Viel schneller hätte man den Relaunch gerne umgesetzt, doch die Entwicklung der neuen Basis habe seine Zeit gebraucht, erklärte Riedl.

„Wir glauben nicht, dass die Nutzer von Facebook zurückkommen. Wir konzentrieren uns auf die Nutzer, die noch da sind“, sagt Riedl. Etwa 16 Millionen User sollen noch registriert sein, laut Arbeitsgemeinschaft Online Forschung e.V. (AGOF) sind davon monatlich noch etwa 9,8 Millionen Nutzer aktiv. Eigentlich ein erschreckender Einbruch, fast fünf Millionen Unique Visitors weniger pro Monat haben die VZ-Netzwerke als noch im dritten Quartal 2009. Das sind jedoch noch immer mehr, als jedes andere Social Network  abgesehen von Facebook in Deutschland monatlich erreicht. Allein in Deutschland hat Facebook 20 Millionen Nutzer.

Doch die Umsatzzahlen der VZ-Netzwerke haben sich nach Unternehmensangaben trotzdem verbessert: 2010 setzten die VZ-Netzwerke rund 30 Millionen Euro um. Im ersten Halbjahr 2011 sei der Umsatz nochmals um 30 bis 40 Prozent gestiegen. Die VZ-Netzwerke arbeiten nach EBITDA in der Gewinnzone. Siebenstellige Gewinne erzielten sie nach Riedl zuletzt.

Nutzerfokussierung soll die VZ-User halten

Der Eindruck: Da hat jemand die Zeichen der Zeit verschlafen. Holtzbrinck hatte das Startup Anfang 2007 für 85 Millionen Euro gekauft und später durch MeinVZ und SchülerVZ erweitert. Zuletzt waren alle Versuche das Netzwerk zu verkaufen kläglich gescheitert: Interessenten habe es laut Riedl wohl gegeben, doch man sei nicht zusammen gekommen. Der Relaunch soll den einstigen Giganten nun aus der Versenkung erheben und verhindern, dass noch mehr Nutzer verloren gehen.

Die Nutzerfokussierung haben die VZ-Netzwerke laut Riedl bereits in den vergangenen Monaten schrittweise umgesetzt. Die neuen Farben und Namen wurden maßgeblich von den Nutzern mitbestimmt. SchülerVZs neue Farbe werde beispielsweise Petrol, weil die Nutzer das so gewollt hätten. Auch die Trennung der Netzwerke bleibt weiter bestehen, weil die Marktforschung gezeigt habe, dass die Zielgruppe die Trennung präferiere. StudiVZ und SchülerVZ behalten also ihre Namen, aus MeinVZ wird FreundeVZ. Es gibt eine etwa sechsmonatige Übergangszeit mit der Testversion. In der Zwischenzeit betreiben die Macher die alten Netzwerke parallel weiter.

Nutzer der VZ-Netzwerke werden in Testphase involviert

An diesem Mittwoch ist es so weit: Das einstige Berliner Vorzeige-Startup, die VZ-Netzwerke werden die Testversion der überarbeiteten Plattform online stellen. Ein bisschen neues Design, ein neuer Name für MeinVZ, ganz viel Dialog und spezifische Funktionen, durch die sich die VZ-Netzwerke von Facebook abgrenzen wollen, sollen die Nutzer halten.

Bei SchülerVZ sollen Schüler zwischen zehn und 19 Jahren wie bisher unter sich bleiben. Nutzer erhalten den geschützten Bereich „Mein Klassenraum“, indem sie mit speziellen Apps in Gruppen chatten, Veranstaltungen erstellen oder Dokumente austauschen können. Im Fokus stehen die Kommunikation mit Mitschülern und Freunden, die Freizeitgestaltung und das Entdecken zielgruppenspezifischer Angebote.

StudiVZ, mittlerweile das Netzwerk mit den wenigsten Nutzern unter den VZ-Netzwerken, soll dem Kennenlernen von Kommilitonen an der Uni, der Organisation des Studentenlebens und der Kommunikation über Studieninhalte dienen. Die Funktion „Meine Lehrveranstaltung“ soll die Vernetzung unterstützen.

FreundeVZ setzt auf junge Erwachsene zwischen 19 und 29 Jahren. Freizeitgestaltung, Kennenlernen von Leuten am selben Ort und Kommunikation mit Freunden und Gleichgesinnten stehen im Fokus. Das neue FreundeVZ startet mit dem Bereich „Mein Nachtleben“, der zum Austausch über Events und Fotoupload einladen soll.

VZ-Netzwerke setzen auf Themen, nicht auf soziale Kreise

Damit setzen die VZ-Netzwerke auf den Gang in die Nische. Es werden unterschiedliche Funktionen für die unterschiedlichen Zielgruppen der drei Netzwerke eingeführt. Zudem bauen die VZ-Netzwerke künftig auf Themen. Mit dem Relaunch werden die Gruppen zu „Themen“. Die Neuerung soll die intensive Auseinandersetzung mit den eigenen Interessen vereinfachen. Die „Themen“ sind Diskussionsforen, die sich um Inhalte, wie Bilder erweitern lassen.

Eine neue Informationsarchtitektur soll zudem die Usability erhöhen. Relevante Benachrichtigungen gibt es künftig in Echtzeit. Neben der Contentspalte soll eine dritte Spalte künftig die Möglichkeit stärken, neue Inhalte zu entdecken. Die dritte Spalte soll zur Entdeckungsreise einladen. Sie bietet immer neue Empfehlungen und Trends an. Dazu gehören persönliche Empfehlungen zu Themen oder Freunden sowie Trends aus den VZ-Netzwerken. Werbeflächen wird es nicht geben in der dritten Spalte.

VZ-Relaunch überrascht

Mit fast zehn Millionen aktiven Nutzern sitzen die VZ-Netzwerke noch immer am Tisch der großen Player in Deutschland. Die Art des Relaunches überrascht. Auch ohne das Mega-Feature. Es ist ein gutes Signal, dass die Macher verstanden haben, dass sie anders sein müssen als Facebook oder Google Plus, um Erfolg zu haben. So ganz anders sind sie bisher jedoch nicht. Design und Funktionen erinnern an die großen Vorbilder.

„Wir wissen auch noch nicht wo die Reise hingeht“, sagt CEO Clemens Riedl. Der Relaunch soll der Beginn einer Reise sein. Er soll das Gespräch anfachen. Und das tut er bisher. Fast alle relevanten Blogs sind dem Aufruf von CEO Clemens Riedl gefolgt und schreiben über den Relaunch. Der Relaunch könnte den Nutzern auch die Lust zurückgeben sich aktiv zu beteiligen. Geht der Nischenfokus auf, könnte das Unmögliche möglich werden. Da ist ein Platz für die VZ-Netzwerke. Doch um diesen zu finden, sollte ein kleines bisschen Steve Jobs in den VZ-Machern aufflammen. Vielleicht ist es aber wie befürchtet, schlicht: zu spät.

Screenshots: VZ-Netzwerke