Christopher Obereder ist so etwas wie ein Spürhund für Tech-Trends und hat mit seinen 26 Jahren früh bei Themen wie Games, Facebook und Apps mitgemischt. Den jungen Machern von Tellonym bescherte er erst vor kurzem einen Viral-Erfolg für ihre anonyme Messenger-App. Im vergangenen Jahr landete er auf der Forbes-Liste der erfolgreichsten jungen Talente Europas.

Zuletzt war er für das Marketing von großen ICOs verantwortlich, wie beispielsweise Naga und Trade.io. Beide Firmen nahmen durch den Verkauf von Coins Millionen von Dollar ein. Wir haben mit ihm über den Krypto-Hype gesprochen und uns ICO-Tipps geben lassen.

Christopher, du hast viele Trends im Internet mitgemacht. Du weißt also, was das nächste große Ding ist?

Das würde ich so nicht sagen. Ich überlege mir was in ein paar Jahren spannend werden könnte und versuche früh aufzuspringen. Dabei liege ich öfters richtig, aber selbstverständlich nicht immer. Ich war auch in der Chatbot-Szene aktiv und dachte das Thema könnte sehr spannend werden. Vor einem Jahr wurde die Technologie gehyped, aber das Thema ist wieder schnell abgeklungen. Hier habe ich viel Zeit investiert und dann war das Thema auch schon nicht mehr wirklich relevant. Beim Thema Bitcoin und Blockchain gab es ja gerade starke Schwankungen.

Du berätst große Konzerne, die sich für das Thema ICO interessieren. Kommen die nicht zu spät zur Party, weil der Hype am Abflachen ist?

Der Hype ist klar noch da und es war nur eine erste Korrektur. Davon werden wir in nächster Zeit sicher noch mehrere sehen, bei stärkerer Regulation werden die Kurse sofort in den Keller gehen, und die wird kommen. Im Gegenzug geht es bei positiven Neuigkeiten auch genau so schnell nach oben. Die großen Technologie-Giganten gehen jetzt auch schon in das Thema rein wie zum Beispiel Telegram. Sie haben einen 1,2-Milliarden-ICO angekündigt und ich bin schon sehr gespannt darauf. Ich schätze Facebook wird bald mit einem eigenen Coin nachziehen. Wenn das passiert, dann gibt das der Szene einen Boost und das Vertrauen der Konzerne in das Thema wächst.

Wie nehmen die Konzerne die aktuelle ICO-Stimmung denn wahr?

Die Konzerne sind verhalten. Sie warten noch ein bis zwei Jahre. Und wenn sich das Thema dann etabliert haben sollte, werden sie in den Markt gehen.

Und wie hast du die Meldungen des zuletzt schwächelnden Bitcoins aufgenommen?

Ich nehme an, dass die Blockchain-Technologie langfristig bleibt, trotz der schwankenden Kurse. Ich denke, dass der Kurs in diesem Jahr stark steigen und dann wieder fallen wird. 5.000 Dollar sollte das Minimum sein. Wenn aber Facebook, Amazon und Co einsteigen, würde der Kurs explodieren. 50.000 Dollar wären möglich, und das Eingreifen der Regierungen sicher. Das ist sehr volatil. Auch beim Thema ICOs wird schnell viel Hype generiert, danach stürzt das Thema dann immer mal wieder ab. Es wäre besser, wenn es nicht so volatil wäre.

Die 9 außergewöhnlichsten ICOs

Der Hype kam dir bisher natürlich entgegen. Du hast beispielsweise die riesigen ICOs von Naga und Trade.io begleitet. Die hätten ohne den Hype nicht so eine Aufmerksamkeit bekommen.

Das stimmt, ohne das große Interesse hätte das niemals so gut funktioniert. Wenn man im Startup-Bereich arbeitet, muss man mit der Zeit gehen und solche Hypes für sich nutzen. Auf LinkedIn schreiben mir jeden Tag 20 Startups, dass sie einen ICO machen wollen. Ich bin ein Vermarktungs-Mensch und schaue immer, was ich vermarkten kann. Beim Thema Blockchain habe ich dafür etwa 200 Influencer aufgebaut.

Derzeit wird der Krypto-Hype von einigen mit der Dotcom-Blase gleichgesetzt. Siehst du das anders?

Ich glaube, dass es eine Blase ist. Aber sie wird nicht so extrem crashen. Außer, wenn es zu starken Regulierungen kommt, dann wird sie richtig platzen. Sollte zum Beispiel Amazon Bitcoin bald akzeptieren, dann würde das Thema noch mehr Relevanz gewinnen. Das würde jedoch auch weitere Regulierungen anziehen und könnte daher auch negative Effekte haben. Umso mehr Hype ensteht, umso mehr werden Regierungen versuchen den Kryptomarkt zu regulieren.

Bist du eigentlich bei Bitcoin und Co mit größeren Summen investiert?

Ich habe in Kryptowährungen investiert, als der Bitcoin-Kurs zwischen 200 und 400 Dollar lag. Der war mir damals aber zu teuer, deshalb habe ich in alternative Währungen investiert. Aber nur zum Spaß mit kleinen Beträgen. Ich habe das schon immer als sehr riskant gesehen. Ich verlasse mich nicht gern aufs Spekulieren. Ich will lieber konstant Geld verdienen.

Gerade im Kommen bei ICOs sind die sogenannten Equity Token. Dabei erhalten die Teilnehmer Anteile am Unternehmen, wie normale Investoren.

Viele Investoren haben gerade Angst davor, weil die Startups ihr Geld lieber mit ICOs einspielen und sie nicht mehr brauchen. In den USA starten viele Startups jetzt auch gerade ICOs. Bisher waren sie dort noch nicht so aktiv, weil es Regulatorien gab. 

Müssen Investoren wirklich Angst davor haben? Ein ICO kommt ja nicht für jedes Startup in Frage. Außerdem bringen Investoren im Idealfall auch mehr ins Unternehmen als nur Geld.

ICOs haben immer Vor- und Nachteile. Equity Token könnten aber grundsätzlich für jedes Startup in Frage kommen, werden Investoren aber nicht ersetzen. Denn bei einem ICO fehlen natürlich das Wissen, die Kontakte und die Glaubwürdigkeit der Investoren. Wenn Sequoia in ein Startup einsteigt, dann denkt jeder, dass das riesig werden könnte, weil sie einen guten Track Record haben. Der Nachteil von Investoren sind die vielen Reportings, die gibt es beim ICO nicht. Andererseits kann das Reporting auch helfen, zielorientiert zu arbeiten.

Gibt es jetzt eigentlich eine ICO-Industrie?

Durch den Hype sind in kurzer Zeit Marketing-, PR- und Werbeagenturen sowie Legal Support und vieles mehr aus dem Boden geschossen. Es wurde eine Industrie um das Thema ICO herum gebaut. Wenn das Thema stirbt, dann stirbt die Industrie. Ich bin auch gespannt, wie der bestehende Crowdfunding-Markt darauf reagieren wird. Der ist ja deutlich stärker betroffen als die Investoren, weil es dort ebenfalls viele kleine Parteien gibt, die Geld investieren aber nur begrenzt Wissen mitbringen.

Wie siehst du Spaßprojekte wie den Useless Ethereum Token? Eine Privatperson hatte mit diesem ICO umgerechnet über 300.000 Dollar gemacht. Der Token selbst ist aber nichts wert.

Sowas sehe ich richtig negativ, weil es dann auch nur einen Hype um nichts gibt. Hier werden Leute geprellt, die keine Ahnung haben. Das ist unethisch, hier müsste es mehr Regulierungen geben, dass sowas nicht entstehen kann – selbst wenn Regulierungen schlecht für den Markt sind.

Du beräts kleine und große Unternehmen bei ICOs. Was sind denn die wichtigsten Dinge, die es dabei zu beachten gibt?

Es ist derzeit extrem wichtig, ein Produkt zu haben. Ein Whitepaper allein reicht nicht mehr aus. Der Markt verlangt mehr. Das wichtigste aber bei einem ICO ist das Team. Es ist daher notwendig, das Team auf der Webseite gut zu präsentieren – alle Unternehmen mit großen ICOs optimieren ihre Webseiten, häufig auch mit Erklär- und Vorstellungsvideos. Der schwierigste Punkt ist Legal, das darf das Startup nicht unterschätzen. Und ohne Vermarktung gelingt der ICO natürlich auch nicht. Nur auf den ICO-Listing-Seiten aufzutauchen reicht nicht mehr aus.

In der Öffentlichkeit scheint es die Meinung zu geben, dass die Macher hinter den Startups mit riesigen ICOs plötzlich reich sind. Das Geld gehört aber fast immer dem Unternehmen und wird für laufende Kosten oder Services aufgewendet. Das ist schon ein Unterschied.

Ja, total. Das liegt an den Millionensummen. Viele denken wirklich, dass das Geld den Gründern gehört. Aber es muss für die nächsten zwei, drei Jahre halten. Es muss 20 Mitarbeiter oder mehr ernähren und es wird ins Produkt oder Marketing investiert. Naga beispielsweise hat 150 Mitarbeiter. Das alleine braucht im Jahr ein paar Millionen für normale Gehälter, das Büro und Legal. Das Geld hält nicht ewig und keiner zahlt sich riesige Summen aus.

Bild: Christopher Obereder