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7-minute-workout-stuart-hall Screenshot: Youtube

Ein Beitrag von Torben Lux, Redakteur bei OnlineMarketingRockstars.de. 

Die Erfolgsgeschichte der App „7 Minute Workout“

Wiewür­det Ihr rea­gie­ren, wenn Euch jemand erzählt, er hätte inner­halb von sechs Stun­den eine Fitness-App gebaut, ohne Mar­ke­ting­kos­ten über zwei Mil­lio­nen Down­loads gene­riert und damit ein über­durch­schnitt­lich gutes Jah­res­ge­halt ver­dient? Klingt nach einem grö­ßen­wahn­sin­ni­gen Traum, oder? Ist aber trotz­dem wahr – so gesche­hen bei der App „The 7 Minute Work­out“ vom aus­tra­li­schen Ent­wick­ler Stuart Hall. In aus­führ­li­chen und sehr offe­nen Blog-Posts hat er jetzt beschrie­ben, wie er das ange­stellt hat.

Eigent­lich will Stuart Hall aus Perth in Aus­tra­lien im Mai 2013 mit sei­ner App „The 7 Minute Work­out“ nur ein klei­nes Expe­ri­ment star­ten: in nur einer Nacht eine App zu einem Thema bauen, wovon er nahezu keine Ahnung hat, viel­leicht ein paar Tau­send Down­loads gene­rie­ren und mit mög­lichst wenig Auf­wand mög­lichst viele Learnings zum App-Kosmos zie­hen (alles, ohne jeman­dem etwas davon zu erzäh­len). Die Anwen­dung soll dabei ziem­lich schlicht gehal­ten wer­den und zu Beginn nicht viel mehr erfül­len, als der Name ver­rät – näm­lich ein paar Sport­übun­gen erklä­ren und zu einer inten­si­ven, kur­zen Trai­nings­ein­heit zusam­men­fas­sen.

Er fragt sich, ob er sei­nen Erfolg wie­der­ho­len kann. Denn mit Dis­covr, einer App, die ähn­li­che und pas­sende Musik nach Angabe einer Rich­tung oder eines Künst­lers vor­schlägt, soll er es auf über vier Mil­lio­nen Down­loads und eine Mil­lion Dol­lar Umsatz gebracht haben sowie in 50 Län­dern an ers­ter Stelle der Musik-Apps gestan­den haben. Dass sein neues Kon­zept am Ende zu zwei Mil­lio­nen Down­loads führt, hat der erfah­rene App-Entwickler so sicher trotz­dem nicht erwartet.

Die erste Ver­sion der App „7 Minu­tes Work­out“ von Stuart Hall

Fünf Stun­den braucht Stuart Hall für das Pro­gram­mie­ren der App, eine wei­tere Stunde geht alleine für das Icon und die Beschrei­bung drauf, dann kann er sie zur Veri­fi­zie­rung im Apple Store anmel­den. „Ich war erstaunt, dass der Name ‚7 Minute Work­out’ noch ver­füg­bar war, dachte mir aber schon, dass noch andere Apps auf eine Bestä­ti­gung war­te­ten“, schreibt Hall in sei­nem Blog. Zu dem Zeit­punkt ist das kurze und inten­sive Trai­nings­prin­zip gerade in Mode und wird von zahl­rei­chen Medien auf­ge­grif­fen. Und er soll Recht behal­ten. Als seine App sechs Tage nach dem Ein­rei­chen schließ­lich im App Store zum kos­ten­pflich­ti­gen Down­load bereit steht, gibt es schon einige andere sehr ähn­li­che Anwen­dun­gen.

Phase 1 – Kein Mar­ke­ting und war­ten, was passiert

Trotz­dem will Stuart Hall erst ein­mal nur schauen, was mit einer App pas­siert, von der kein Mensch weiß und die man nur beim aus­führ­li­chen Durch­stö­bern des Stores ent­de­cken kann. Tat­säch­lich gibt es in den ers­ten Tagen einige Down­loads und nach zehn Tagen immer­hin Ein­nah­men von über 200 Dol­lar. „Nichts Welt­be­we­gen­des“, stellt Hall fest. „Aber auch gar nicht so schlecht, wenn man nur dar­auf setzt, dass Leute die App durch Zufall im Store ent­de­cken.“ Ver­sion 1.1 ergänzt er dann um eine Social-Sharing-Funktion.

Ver­su­che, durch das Ver­sen­den von Promo-Codes an App-Portale für Bericht­er­stat­tung zu sor­gen, blei­ben erfolg­los. „Es pas­sierte gar nichts. Keine Ant­wort, kei­ner der Promo-Codes gene­rierte einen Install. Das waren ver­schwen­dete drei Stun­den.“ Und auch das Bereit­stel­len einer Ver­sion für das iPad, um die Ziel­gruppe zu erwei­tern, bringt nicht den gewünsch­ten Erfolg. Im Gegen­teil: Die Down­loads gehen kurio­ser­weise sogar wie­der ein wenig zurück.

Drei Wochen nach dem Release von „7 Minute Work­out“ nutzt Stuart Hall dann den wohl mäch­tigs­ten Hebel im App-Marketing. Seine bis zu die­sem Zeit­punkt kos­ten­pflich­tige App bie­tet er von nun an gra­tis an – mit wahn­sin­ni­gem Erfolg über Nacht. Sonst im Durch­schnitt gerade mal 28 Down­loads pro Tag, sind es jetzt, am ers­ten Tag der Umstel­lung auf eine Gratis-App, über 65.000 her­un­ter­ge­la­dene Ver­sio­nen. Der Durch­schnitt für die ers­ten drei Tage steigt auf etwa 72.000 Down­loads an (das 2.500-fache!).

Schnell lan­det die iPad-Version der App in 68 Län­dern auf dem ers­ten Platz in der Kate­go­rie „Gesund­heit und Fit­ness“, die Ver­sion für das iPhone schafft das immer­hin in 49 Län­dern. „Ich schaute mir die Zah­len an und war sprach­los. Ich habe bis heute keine Ahnung, wie die sim­ple Umstel­lung auf gra­tis das aus­lö­sen konnte. Zumal ich defi­ni­tiv keine Wer­bung gemacht habe“, schreibt Hall in sei­nem Blog. Jetzt wer­den lang­sam auch andere Unter­neh­men auf die App auf­merk­sam und bie­ten unter ande­rem Paid Installs an. Hall lehnt ab.

Der Verlauf der Downloadzahlen: Krasser Anstieg nach der Umstellung auf eine kostenlose App

Phase 2 – Zeh­ren vom ers­ten Erfolg und Expe­ri­mente mit In-App-Käufen

Nach dem hef­ti­gen Anstieg der Down­loads durch die Umstel­lung auf eine Gratis-App will Hall jetzt eine neue, effek­ti­vere Ein­nah­me­quelle schaf­fen. Bei vor­he­ri­gen Pro­jek­ten hat er gute Erfah­run­gen mit In-App-Käufen sam­meln kön­nen – warum soll das also nicht auch beim „7 Minute Work­out“ funk­tio­nie­ren? „Es gab viele Anfra­gen für ein paar neue Funk­tio­nen in der App – also die per­fekte Mög­lich­keit, diese als Upgrade kos­ten­pflich­tig anzu­bie­ten“, so Hall. Und tat­säch­lich kann er die Umsätze im Ver­gleich zur Zeit, als die App an sich noch etwas kos­tet, ver­drei­fa­chen: von etwa 22 Dol­lar auf 65 Dol­lar pro Tag.

In den nächs­ten Wochen und Mona­ten gegen Ende 2013 pro­biert er immer wie­der klei­nere Ände­run­gen und Upgrades aus, um die Aus­wir­kun­gen auf Down­loads und Umsätze zu beob­ach­ten. Nach dem anfäng­li­chen Boom wird die App inzwi­schen rund 2.500 Mal pro Tag her­un­ter­ge­la­den. Auf­wän­dige Über­set­zun­gen der App-Beschreibungen in ver­schie­dene Spra­chen haben abso­lut keine Aus­wir­kun­gen auf die Down­loads. Und auch die Ein­füh­rung wei­te­rer In-App-Käufe kön­nen den Umsatz nicht so rich­tig ankur­beln.

Erst die Funk­tion „All the Things“, mit der der User direkt alle Upgrades und In-App-Käufe auf ein­mal erwer­ben kann, hebt die Umsätze wie­der auf ein neues Level und wird direkt zur wich­tigs­ten Ein­nah­me­quelle.

Verlauf der generierten Umsätze: deutlicher Anstieg nach der Einführung von In-App-Käufen

iOS 8, die zen­trale Gesundheits-App „Health“ und sons­tige Erfah­run­gen mit Apple

Als Apple das iPhone 6, das neue Betriebs­sys­tem iOS 8 und die eigene Gesundheits-App „Health“, die Funk­tio­nen ande­rer Apps aus die­sem Bereich bün­delt, im Herbst 2014 vor­stellt, ist Stuart Hall sofort klar, dass er das „7 Minute Work­out“ so schnell wie mög­lich anpas­sen und kom­pa­ti­bel machen sollte. Beim Launch erhält er dann aller­dings die Nach­richt von Apple, seine App stehe nicht mehr im Store zum Down­load zur Ver­fü­gung. „Immer­hin war ich nicht der Ein­zige mit die­sem Pro­blem beim Start von ‚Health’“, so Hall.

„Und App­les Kom­mu­ni­ka­tion war super. Nach nicht ein­mal zwei Tagen war meine App wie­der in den Stores.“ Die Mühen, die Anwen­dung direkt zum Release von „Health“ kom­pa­ti­bel gemacht zu haben, sol­len sich dann doch noch loh­nen. Apple nimmt das „7 Minute Work­out“ in ein Fea­ture zur neuen Funk­tion auf – die Umsätze ver­fünf­fa­chen sich und pen­deln sich schließ­lich bei einer Stei­ge­rung von rund 100 Pro­zent ein.

Sowieso emp­fiehlt Hall, sich immer ganz genau anzu­schauen, was Apple plant, um mög­lichst früh neue Funk­tio­nen ein­bin­den zu kön­nen. „Man muss Apple wirk­lich jede Mög­lich­keit geben, eine App zu fea­tu­ren. Fakt ist, dass sie immer nach neuen Anwen­dun­gen für The­men­um­fel­der suchen“, sagt er und weist gleich­zei­tig auf die Apple Watch hin, mit der er für das „7 Minute Work­out“ aller­dings nichts mehr zu tun hat.

Ende 2014 ver­kauft er die App für eine nicht genannte Summe an Wahoo Fit­ness, einen ame­ri­ka­ni­schen Her­stel­ler von Sen­so­ren, die Kör­per­werte mes­sen und an Apps über­tra­gen. Heute kon­zen­triert sich Hall wie­der voll und ganz auf ein wei­te­res Pro­jekt, das er schon neben „7 Minute Work­out“ betreibt und ihm dort schein­bar gute Dienste leis­tet: App­bot, ein Tool zum Aus­wer­ten von User-Feedback in App-Stores. Direkt nach dem Abschlie­ßen eines Work­outs, also in einer sehr posi­ti­ven Phase, bit­tet es den User um Feed­back: ent­we­der posi­tiv mit der anschlie­ßen­den Frage nach einem Review im App Store, oder nega­tiv mit der Frage nach Ver­bes­se­rungs­vor­schlä­gen über Appbot.

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