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Ein Fachbeitrag von Dr. Sabina Krispenz, Rechtsanwältin bei CMS in Deutschland.

Was ist ein Acqui-Hire?

Acquisition und Hiring in einem Vorgang, also ein sogenanntes Acqui-Hire, ist die gezielte Übernahme von Mitarbeitern eines Startups, um diese im eigenen Unternehmen anzustellen. Das ist an sich nicht neu. Doch da technisches Know-how für die Digitalisierung größerer Unternehmen immer wichtiger wird, rückt der einzelne Mitarbeiter als wesentlicher Faktor in den Vordergrund – und damit auch Acqui-Hires.

Nicht mehr bloße Insolvenzabwehr

Vor allem in der Tech-Branche ist der Begriff Acqui-Hire mit einer Strategie zur Insolvenzabwehr verknüpft. Droht einem Startup das Geld auszugehen, bietet ein Acqui-Hire für die Gründer die Möglichkeit eines Exits. Der Käufer kann das bestehende Team zur Weiterentwicklung eigener Unternehmensbereiche nutzen. Und für die Investoren des Startups dürfte ein Acqui-Hire angesichts der drohenden Insolvenz in der Regel vorteilhaft sein: Sie verlieren nicht das eingesetzte Kapital und sowohl Investoren als auch Gründer vermeiden negative Presse.

Mittlerweile ist die Bedeutung eines Acqui-Hires jedoch nicht mehr nur auf eine Strategie zur Insolvenzabwehr beschränkt. Die Digitalisierung der Industrie bringt für viele Unternehmen die Herausforderung mit sich, schnell technologisches Wissen aufzubauen. Der Zukauf ganzer Startup-Teams mit qualifizierten Mitarbeitern ist da eine Option. Das Kapital der Startups liegt oft weniger in aufwendigen Maschinen oder Kundenbeziehungen, sondern vielmehr in den Köpfen ihrer Mitarbeiter.

Für Gründer kann ein Acqui-Hire den Zugang zu neuen Entwicklungschancen bieten. So können die finanziellen und organisatorischen Möglichkeiten eines etablierten Unternehmens zum Beispiel dabei helfen, das eigene Geschäft auszubauen oder neue Märkte zu erschließen.

Rechtliche Herausforderungen einer Acqui-Hire-Transaktion

Doch ein Acqui-Hire bringt auch einige Herausforderungen für die Gründer und das Startup mit sich. Die erste wird bei der Due Diligence – also der rechtlichen Prüfung des Startups durch den Erwerber – deutlich. Denn der Käufer erwartet nicht nur eine sorgfältig aufbereitete Dokumentation. Er erwartet auch, dass Gründer und Mitarbeiter verfügbar sind, um zahlreiche Fragen nach Informationen oder Dokumenten schnell zu beantworten. Die Gründer und die Mitarbeiter des Startups müssen sich daher darauf einstellen, frühzeitig und ausreichende Ressourcen für die Due Diligence einzuplanen: Damit das operative Geschäft nicht leidet, müssen die Bereitstellung der Dokumentation und die Beantwortung von Anfragen gut organisiert werden.

Während der Due Diligence sollten die Gründer zudem darauf achten, sensible Informationen und das Know-how des Startups zu schützen. Erhält der Erwerber in der Due Diligence vollständigen Einblick in das Startup und ungehinderten Zugang zu den Mitarbeitern und kommt es anschließend nicht zum Abschluss der Transaktion, könnte der Kaufinteressent das Wissen aus der Due Diligence nutzen oder gar die ihm bereits bekannten Mitarbeiter des Startups abwerben.

Zugleich kommt es aus Sicht des Käufers darauf an, schon in einer frühen Transaktionsphase wenigstens Kontakt zu den Schlüsselmitarbeitern herzustellen. Dieser Interessenkonflikt kann mit Hilfe von sogenannten Key-Expert-Treffen gelöst werden. Dabei handelt es sich um Treffen mit den wichtigsten Startup-Mitarbeitern. Dieser vorab bestimmte Teilnehmerkreis spricht dann über wichtige Themen wie HR und Finance. Die Gründer sollten darauf achten, die Agenda dieser Treffen vorab konkret festzulegen. Auch Abwerbeverbote für die beteiligten Startup-Mitarbeiter sollten zwischen Gründern und Erwerben vereinbart werden.

Es ist zudem aus Sicht der Gründer unabdingbar, diese Key-Expert-Treffen sorgfältig zu protokollieren. Die Protokolle sollten sie in den Datenraum einstellen, um im Zweifelsfall zu einem späteren Zeitpunkt leicht nachweisen zu können, was dem Erwerber offengelegt wurde und daher bekannt war (General Disclosure).

Bei den Vertragsverhandlungen werden für Gründer vor allem die Wettbewerbsverbote eine wesentliche Rolle spielen. Hierbei kommt es darauf an, welche Zukunftspläne die Gründer haben und ob sie beabsichtigen, künftig in einem ähnlichen oder vergleichbaren Markt tätig zu werden. Zudem werden sich Gründer darauf einstellen müssen, dass der Erwerber nicht nur den Gründer selbst sondern auch nachstehende Personen in das Wettberwerbsverbot einbeziehen möchte. Die zeitliche Geltung dieses Verbots hingegen dürfte angesichts der dynamischen Entwicklung auf den Technologiemärkten eher eine untergeordnete Rolle spielen.

Bild: Getty/Zia Soleil

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Rechtliche Struktur eines Acqui-Hires

Für die rechtliche Strukturierung eines Acqui-Hires kommen sowohl ein Share-Deal als auch ein Asset-Deal in Betracht.

Ist der Erwerber nicht nur an den Mitarbeitern und dem Know-how des Startups interessiert, kann ein Acqui-Hire als Share-Deal vorteilhaft sein. Das gilt vor allem, wenn zum Beispiel Kundenbeziehungen oder andere wichtige Vertragsbeziehungen mit übergehen sollen und die Zustimmung der Vertragspartner, die bei einem Asset-Deal erforderlich ist, nicht eingeholt werden kann oder soll.

Auch wenn das Startup über wichtige Genehmigungen verfügt, die bei einem Asset-Deal neu beantragt werden müssten, hat ein Share-Deal gegenüber einem Asset-Deal Vorteile.

Liegt das Augenmerk des Erwerbers hingegen ausschließlich auf den Mitarbeitern, ist der Asset-Deal gegenüber dem Share-Deal vorzugswürdig – vor allem wenn lediglich ein Teil des Teams an den Erwerber übertragen werden soll. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn die Gründer mit dem verbleibenden Teil des Teams oder mit der Gesellschaft in anderer Funktion weiterhin am Markt aktiv bleiben wollen.

Ein weiterer wichtiger Faktor für die Entscheidung zwischen Share- und Asset-Deal ist die Finanzierungsstruktur des Startups. Die frühzeitige Beteiligung der Investoren wird in jedem Fall erforderlich sein, da die Finanzierungsverträge in der Regel Zustimmungsvorbehalte bei der Veräußerung der Beteiligung oder der wesentlichen Vermögensgegenstände des Startups vorsehen.

Aus Sicht der Gründer muss sorgfältig, auch unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten geprüft werden, ob und mit welchen Auswirkungen der Kaufpreis, der bei einer Umsetzung als Asset-Deal der Gesellschaft zufließt, an die Gründer ausgeschüttet werden kann. Wird ein Acqui-Hire als Share-Deal umgesetzt, fließt hingegen der Kaufpreis für die Anteile (nach Abzug etwaiger Rückzahlungsbeträge für die bestehende Finanzierung) den Gründern direkt zu.

Clash of cultures bei einem Acqui-Hire

Neben den rechtlichen Besonderheiten eines Acqui-Hires liegt die wesentliche Herausforderung nach dem Abschluss der Transaktion in einem „clash of cultures“. Der Käufer, ein Konzern mit etablierten Strukturen, einem gewissen Sicherheitsdenken und M&A-Erfahrung auf der einen Seite – und das Startup, beziehungsweise die Verkäufer, auf der anderen. Je früher die Beteiligten die Unterschiede in der Unternehmenskultur herausarbeiten und Lösungen für die Differenzen finden, desto eher vermeiden beide Seiten Konflikte, die gar dazu führen könnten, dass die übernommenen Mitarbeiter das Unternehmen wieder verlassen.

Fazit

Die Bedeutung von Acqui-Hires in disruptiven Industrien dürfte in naher Zukunft weiter zunehmen. Bei solchen Transaktionen treffen die Beteiligten auf Herausforderungen, die eine enge Abstimmung zwischen allen Beteiligten erfordern. Neben den rechtlichen Besonderheiten sehen sich Käufer, Verkäufer sowie das Startup jedoch insbesondere der Herausforderung ausgesetzt, die Mitarbeiter durch geeignete Anreize und eine klare Kommunikation aus den Startup-Strukturen in die für die Mitarbeiter oft ungewohnte Welt eines Konzerns zu überführen.

Bild: Getty/Zia Soleil