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Max Lössl will die Welt ein bisschen gesünder machen – mit einem smarten Gewächshaus.

Dass die Bio-Möhre gesünder sein soll als die aus dem Supermarkt, glaubt Max Lössl nicht. Denn beide würden mit Pestiziden behandelt. Der Gründer hat deshalb ein Mini-Gewächshaus für die Küche entwickelt, in dem Kräuter und Salate zu Hause angebaut werden können. Gesteuert wird der PlantCube per App.

Der 28-Jährige gründete die Agrilution GmbH 2013 gemeinsam mit Philipp Wagner. Zuvor studierte Lössl International Food and Agribusiness in Holland.

Finanziert haben die beiden Gründer ihr Startup die ersten vier Jahre durch Wettbewerbe, Freunde, Familie sowie Business Angels. Vor wenigen Monaten investierten dann unter anderem die Supermarktkette Tengelmann und der Leuchtmittelhersteller Osram einen Millionenbetrag in das Unternehmen, das derzeit zwölf Mitarbeiter beschäftigt.

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Im PlantCube werden Kräuter und Salate angebaut, direkt in der Küche

Max, wie kamst Du auf die Idee zu einem Mini-Gewächshaus, das per Smartphone gesteuert wird?

Inspiriert wurde ich durch das Buch „The Vertical Farm“ von Dickson Despommier, einem Professor aus New York. Es geht dabei um das Thema Nahrungsmittelsicherheit der Zukunft und wie man mehr Menschen auf dem Planeten mit neuen Technologien ernähren könnte. Der Ansatz damals war, das mit geschlossenen Systemen in Städten zu machen, das ganze hat man Vertical Farming genannt. So bin ich auf das Thema gestoßen.

Beim Vertical Farming geht es ursprünglich um Gebäude mit dutzenden Stockwerken. Dein Produkt ist mit zwei Etagen nur eine Miniausgabe davon. Hat das überhaupt noch etwas mit Vertical Farming zu tun?

Beim Vertical Farming stapelt man Gewächshaustechnologie mehrlagig übereinander. Wir haben zwei Lagen und das ist schon vertikal. Aber im Gegensatz zur ursprünglichen Idee ist unser Produkt für den Privatgebrauch gedacht.

Das Ernährungsproblem wird Dein Produkt aber nicht lösen, oder?

Vertical Farming löst das Ernährungsproblem grundsätzlich nicht. Da geht es hauptsächlich um die Herstellung von Mikronährstoffen, die uns gesund machen, aber nicht satt. Vertical Farming ist also nur ein Teil des Lösungsansatzes.

Welches Problem willst Du denn lösen?

Es gibt seit Jahren Trends wie die Bio-Branche oder regionale Lebensmittel. Der Großteil der Leute, die biologische Lebensmittel kaufen, denken allerdings, dass sie pestizidfrei und gesünder sind. Aber das stimmt einfach nicht. Es gibt viele Pestizide, die im Bio-Landbau erlaubt sind. Und um diesen Leuten trotzdem frische Lebensmittel mit voller Transparenz anzubieten, haben wir eine Mini-Vertical-Farm für zu Hause entwickelt.

Du kaufst also kein Bio?

Ich kaufe Bio, auch wenn es keinen wissenschaftlichen Nachweis gibt, dass Bio-Lebensmittel gesünder sind. Aber der Vorteil ist, dass die Erzeuger meistens besser bezahlt werden und man fühlt sich dabei auch noch besser.

Deine Mini-Vertical-Farm soll Energie sparen. Wie kann ein weiteres Gerät, das zusätzlich Energie verbraucht, das tun?

Das kommt darauf an, womit man es vergleicht. Unsere Energiebilanz ist häufig besser als die von Kräutern im Supermarkt, weil die erst aus Ländern wie etwa Spanien oder Marokko nach Deutschland importiert werden. Wenn man das mit regionaler Landwirtschaft vergleicht, dann liegen wir sehr nah beieinander, sind vielleicht sogar schlechter.

Was ist also neben dem Fehlen der Pestizide der Vorteil Deines PlantCubes?

Wir können damit auch Sachen anbauen, die man im Supermarkt gar nicht findet. Das ist für Hobbyköche, Vegetarier und Foodies interessant. Zudem haben unsere Produkte mehr Vitamine, Mineralien und Antioxidantien, sind frischer und schmecken intensiver.

Werdet Ihr zusätzlich zu der Vertical-Farm auch Saatgut für die Pflanzen anbieten?

Wir haben ein geschlossenes Ökosystem, um den Kunden eine hohe Qualität zu bieten. Wir können dann genau sagen, wann die Sachen erntereif sind, wie sie schmecken, welchen Ertrag sie bekommen oder wie der Mineralien- und Vitamingehalt ist. Und dafür brauchen wir natürlich auch die Kontrolle über das Saatgut. Da arbeiten wir mit größeren Konzernen zusammen.

Das Thema Saatgut wird stark diskutiert, weil durch große Konzerne die Diversität leidet.

Wir bauen nicht die Standardsachen an, die man im Supermarkt bekommt. Denn die werden optimiert für Transport und lange Haltbarkeit. Wir legen den Fokus auf Geschmack und Nährstoffinhalt.

Du nennst Dein Produkt eine Smart-Home-Lösung. Damit sind Produkte gemeint, die etwa per Smartphone gesteuert werden können. Wie ist das bei Euch?

Es gibt am Gerät selbst kein Nutzer-Interface, sondern alles wird über unsere App geregelt. Das Gerät ist dafür mit dem Internet verbunden. Man kriegt etwa Rezepte vorgeschlagen, kann Bilder über soziale Netzwerke teilen, sieht den Wasserstand des Geräts, was gerade wächst und so weiter.

Das Gerät kommt in diesem Jahr auf den Markt?

Wir machen Ende September einen sogenannten Soft-Launch für die Leute, die das Gerät vorbestellt haben. Im Oktober ist das Gerät dann offiziell im Verkauf, für etwa 2.000 Euro. Wir produzieren in Europa und hoffen, dass unser Produkt in acht bis zehn Jahren mainstream und somit international in Haushalten zu finden sein wird.

Dir geht es um Nährstoffe, nicht darum, Menschen satt zu machen. Das Gerät wird also nicht irgendwann auch Weizen anbauen können?

Nein, es wird immer bei Gemüse, Salat und Kräutern bleiben. Vielleicht kommen auch Beeren und Wurzelgemüse dazu. Aber weder wirtschaftlich noch umwelttechnisch ergibt es Sinn, Weizen, Mais oder Reis in so einem System anzubauen. Dafür bräuchte man viel mehr Energie, durch Sonnenlicht etwa. Zudem lassen sie sich sehr gut trocken lagern und transportieren.

Das Gerät fügt sich auf Produktbildern perfekt in eine weiße Designküche ein. Aber wird bei künstlicher Beleuchtung von Lebensmitteln nicht normalerweise rotes oder blaues Licht verwendet? Könnte das in einer Küche nicht stören?

Es wird viel rotes und blaues Licht verwendet, das stimmt. Aber die Pflanze verwertet das ganze Lichtspektrum, um etwa Öle oder Antioxidantien zu erzeugen. Bei uns ist das Licht also je nach Pflanze anders gemischt.

In der Küche könnte es aber trotzdem blau oder rot leuchten?

Unser Licht hat meistens eine Lila-Stich. Aber wir mischen andere Farben mit rein, dass es weißlicher erscheint. Es wird auch in Zukunft ein Produkt geben für die Menschen, die keine Lust darauf haben, dass ihre Küche Lila leuchtet.

Vertical Farming ist nur ein Trend, wie Essen in Zukunft produziert werden könnte. Welche gibt es noch? Wie sieht es etwa mit Fleisch aus dem 3D-Drucker aus?

Es gibt zwei Dinge, die unfassbar großes Potenzial haben: Das ist einmal urbane Landwirtschaft, wie wir es etwa tun, und das andere ist Fleischersatz. Stammzellenfleisch braucht noch ein paar Jahre, bis es wirtschaftlich wird. Aber Fleischersatz aus Pflanzen, wie es etwa Impossible Foods aus den USA macht, wird groß werden. Die Fleischindustrie ist mit Abstand das schlimmste, was wir Menschen in den letzten Jahrhunderten geschaffen haben. Sie stößt mehr Treibhausgase aus, als alle Autos, Flugzeuge und Schiffe zusammen. Und da wir unseren Fleischkonsum nicht verringern werden, muss man Alternativen finden.

Bilder: Agrilution