Vor allem unter jungen Leuten gilt Airbnb als hip – mit der Politik und Wohnungseigentümern hat das Portal jedoch vor allem in Berlin immer wieder Probleme. Christopher Cederskog ist seit Januar 2014 Country-Manager in Deutschland und dafür zuständig, hierzulande Kritiker zu besänftigen und Sympathiepunkte zu sammeln. Der 32-jährige studierte an der WHU und arbeitete dann als Partner bei dem Berliner Inkubator Springstar. Für Springstar wechselte er 2011 zu dem Portfolio-Unternehmen Airbnb. Zweieinhalb Jahre arbeitete er im Silicon-Valley-Headquarter, bevor er schließlich nach Deutschland versetzt wurde.

Sein mittlerweile 25-köpfiges Team sitzt in einem Hinterhof in der Brunnenstraße in Berlin-Mitte. Dort haben wir Cederskog für ein Interview getroffen und mit ihm über seine Aufgaben, den Vergleich mit Uber, kritische Hoteliers und die Rocket-Konkurrenz gesprochen.

Christopher, was macht ein Country-Manager für Airbnb in Deutschland eigentlich?

Gute Frage. (lacht) Naja, zusammengefasst repräsentiere ich Airbnb in Deutschland – das hat irgendwie etwas diplomatenhaftes. Das heißt, ich kümmere mich mit meinem Team vor allem um das Wachstum und Marketing in Deutschland. Auch Community-Arbeit und politische Kommunikation gehört dazu. Wir müssen einfach schauen, dass der deutsche Markt gut funktioniert und Gäste und Gastgeber ein gutes Erlebnis mit Airbnb haben.

Ist der deutsche Markt denn überhaupt wichtig für Airbnb?

Definitiv! Wir fokussieren uns in Europa momentan vor allem auf drei Märkte: England, Frankreich und Deutschland. Deutschland ist aktuell die zweitaktivste Reisenation nach China weltweit. Ich sage immer zu meinem Team: Die Leute in Deutschland haben viel Geld, aber das Wetter ist scheiße, deswegen lieben sie das reisen.

Dann reisen also alle ins Ausland und mieten dort Apartments. Was macht ihr dann hier?

Naja, 50 Prozent der Reisen, die die Deutschen unternehmen, enden in Deutschland, Österreich oder der Schweiz. Unser Fokus liegt hierzulande vor allem darauf die Deutschen zum Reisen mit Airbnb zu ermuntern. Gleichzeitig ist es aber wichtig, dass wir auch unser Angebot innerhalb Deutschlands weiter ausbauen. 

Bevor du für Airbnb nach Deutschland kamst, warst für fast zwei Jahre im Silicon Valley. Wie wird Airbnb in den USA im Vergleich zu Deutschland wahrgenommen? Immerhin werden Euch hier immer wieder Steine in den Weg gelegt.

Die Amerikaner gehen mit den Tech-Firmen generell ganz anders um: Dort läuft jeder mit einem Shirt rum, auf dem der Namen des Startups steht, bei dem er gerade arbeitet. Die Leute dort feiern die Firmen so lange bis der große Erfolg dann auch tatsächlich eintritt. Hier in Deutschland waren wir nur am Anfang ausschließlich cool und dann meldeten sich schon die großen Bedenkenträger an.

Sehen deine Chefs in Amerika oder andere Tech-Unternehmer Deutschland deswegen als Quängelnation?

Für amerikanische Tech-Unternehmen ist Deutschland zunächst ein riesiger Markt, deswegen wollen alle hierher und das möglichst früh. Aber es ist auf jeden Fall einer der Märkte mit den strengsten Regulierungen – die Rechte der Arbeitnehmer oder Arbeitgeber betreffend aber auch bezogen auf Steuern, Datenschutz und die Offenheit für neue Produkte und Technologien.

Im Vergleich zu Uber kommt Ihr aber noch ganz gut weg… Mit der Hotelindustrie steht Euch schließlich auch ein großer Wettbewerber gegenüber.

Im Unterschied zu Uber ist Airbnb sehr früh nach Deutschland gekommen. Aber ganz ehrlich: Das war mehr Zufall als Strategie und lag auch daran, dass ich und einige andere frühe Mitarbeiter bei Airbnb eben aus Deutschland kommen. Und wir haben sehr früh auf den Dialog mit den Gesetzgebern, mit den Medien und mit den Gastgebern gesetzt. Wir sind also nicht einfach hergekommen und haben gesagt: „So, das ist das Ding, nehmt das jetzt und dann weitermachen!“ Wir reden mit jedem, der will – denn man muss einander zuhören.

Uber-Chef Travis Kalanick reagiert immer wieder genervt auf Vorwürfe und Kritik. Gibt es einen Vorwurf, der Airbnb in Deutschland betrifft und dich richtig nervt? Euch wird beispielsweise immer vorgeworfen, dass Mieter durch Airbnb ihre Wohnung zweckentfremden.

88 Prozent aller Airbnbs werden weniger als 120 Tage im Jahr vermietet. Daraus schließen wir, dass die meisten Zimmer nicht professionell vermietet werden, sondern gelegentlich. Diesen Vorwurf können wir also schnell entkräften. Aber natürlich würde es mich freuen, wenn ein Politiker mal sagen würden: „Ja, wir haben zu wenig Wohnungen gebaut, wir haben es versemmelt“ anstatt jetzt einige wenige Mieter als Übeltäter rauszupicken, die angeblich ihre Wohnung zu häufig an Touristen vermieten.

Schadet Euch diese Diskussion in den Medien denn überhaupt? Oder ist auch die Kritik und die vielen Vorwürfe für Euch eigentlich nur gute PR?

Ich fänds schöner, wenn wir über andere Sachen reden könnten. (lacht) Zum Beispiel darüber, wie viele tolle Begegnungen täglich durch Airbnb stattfinden. Aber würdest du dann hier für das Interview sitzen? Eher nicht. Wirklich spannend für die Medien sind diese Feelgood-Stories nämlich nicht.

Wer sind denn überhaupt Eure stärksten Gegner? Die Politiker?

Die Politiker sind nicht unser Gegner. Nicht einmal die Hotelindustrie ist unser Gegner. Das Problem ist aber, dass die Hotelindustrie uns als ihr Gegner sieht.

Zu Recht, oder?

Ich glaube nicht. Wir machen den Kuchen für alle größer, denn wir bringen Leute in Städte, die sonst gar nicht in diese Städte reisen würden. Wir ermöglichen also vielen neuen Gruppe von Leuten zu reisen. Außerdem glauben wir, dass Konkurrenz das Geschäft belebt…

Das typische Motto.

Für die Hotelindustrie ist es einfach, einen Gegner zu haben – bei internen Ansprachen, aber auch im Gespräch mit den Medien.

Seid ihr denn mit der Hotelindustrie in Kontakt?

Mit einzelnen Hotelmanagern nicht, aber teilweise mit einem Dachverband. Aber wir besprechen uns lieber mit den Bezirken oder den Stadtverwaltungen – mit denen können wir gut zusammenarbeiten.

Die meisten Airbnbs in Deutschland gibt es in Berlin. Wohnen vor allem Partytouristen in den Apartments, so wie es einige Berliner Anwohner gerne beklagen?

Ne, unter den Berliner Airbnb-Gästen sind irre wenige Party-Touristen…

Das ist schwer zu glauben…

Von den knapp 30 Millionen Übernachten, die im letzten Jahr in Berlin gebucht wurden, sind über Airbnb gerade mal 245.000 nach Berlin gekommen. Dass alle Partytouristen, die am Wochenende über die Warschauer Brücke laufen, Airbnb-Touristen sind, finde ich mehr als unwahrscheinlich. Wer sein Zimmer nur ab und zu vermietet, der guckt schon ganz genau, wer das Zimmer mietet. Außerdem hat eine etwas ältere Studie von uns gezeigt, dass der Airbnb-Gast deutlich älter ist als gedacht.

Wie alt?

In Berlin sind die Gäste im Schnitt mitte Dreißig.

In New York gab es kürzlich einen Skandal, weil Apartments über Airbnb gemietet und für Sex-Orgien genutzt wurden. Ist so etwas auch mal in Berlin passiert?

Solche Fälle gibt es irre selten. Schließlich ist Airbnb ein Marktplatz, bei dem sich alle anmelden und auch viel preisgeben müssen – sowohl die Gäste als auch die Gastgeber. Außerdem haben wir ein 150-köpfiges Team, dass 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr die Profile kontrolliert.

In Berlin ist also noch nie ein Skandal in der Form passiert? 

Nicht, dass ich wüsste. Bestimmt ist mal irgendwo irgendwas passiert, wir hatten ja nun schon mehr als 30 Millionen Gäste die mit Airbnb gereist sind. Und generell gilt: Wir werden immer besser darin, schnell zu erkennen, wen sich so etwas anbahnt.

Wie genau wollt ihr das frühzeitig erkennen?

Die Leute müssen sich mit ihren Daten, ihrer Handynummer und zunehmend auch mit ihrer Offline-ID bei uns verifizieren. Das heißt, wir bitten immer mehr Leute darum, uns ein schnelles Foto von ihrem Perso zu schicken. Außerdem darf man nicht unterschätzen, wie wichtig für uns das Klickverhalten unserer Nutzer ist. Wenn sich jemand auffällig durch die Seite klickt – besonders schnell beispielsweise – dann ist er für uns schon mal ein Risiko.

Kommen wir zur Konkurrenz: Wimdu hat in den vergangenen Monaten echt viel Werbung gemacht. Wie steht ihr zu dem Rocket-Wettbewerber?

Die machen momentan eine Werbekampagne, das ist uns auch schon aufgefallen… Natürlich nehmen wir Konkurrenz generell ernst, aber Wimdu ist keine Konkurrenz für uns.

Warum nicht?

Weil wir nach vorne schauen und wir lieber gucken, was für uns das nächste Ziel ist, als uns damit zu beschäftigen, was andere machen.

Wer ist dann eure Konkurrenz?

Das sind Player, über die momentan sehr viele Reisen gebucht werden. Bei denen es aber nicht immer angenehm ist, eine Reise zu buchen, weil es sehr standardisiert ist.

Also Buchungsplattformen wie Booking.com?

Zum Beispiel.

Will Airbnb also langfristig deutlich mehr Services anbieten, die Suche nach passenden Flügen zum Beispiel?

Wir konzentrieren uns auf die Unterkünfte und die Ereignisse, die Leute sich wünschen, wenn sie über Airbnb buchen. Aber wir werden jetzt ganz sicher nicht anfangen, Flugzeuge zu bauen.

Ihr könntet ja mit Airlines kooperieren.

Das wäre möglich, wir gucken uns solche Kooperationen an. Wir hatten ja beispielsweise in Holland eine Kooperation mit KLM, die wir weiter fortführen wollen. Ähnliche Gespräche führen wir auch gerade in Deutschland. Aber für solche Kooperationen muss der Partner eben auch gut passen.

Wir würdest Du die langfristige Vision von Airbnb formulieren?

Wir werden auch weiterhin unseren Fokus darauf legen, das man bei Airbnb die besten Unterkünfte aus der Welt buchen kann und ein einzigartiges Reiseerlebnis bekommt. Wir schauen uns aber auch andere Services an, die bei einer Reise möglicherweise eine Rolle spielen. Also: Wie kommst du zum Flughafen? Was machst du vor Ort? Denn es gibt unglaublich viele Faktoren – neben der Unterkunft – die für eine tolle Reise wichtig sind.

Airbnb bietet also künftig auch Stadtführungen an?

Vielleicht. Aber weil wir eine so tolle, engagierte Community haben, gucken wir natürlich zuerst, was die Gastgeber anbieten können. Da geht es um verschiedene Ideen: Stadtführungen, Weinproben und so weiter. Aber das testen wir derzeit noch in einzelnen Märkten. Falls es da etwas Offizielles gibt, sagen wir Euch Bescheid. Fest steht: Wir wollen die Reise für unsere Kunden so einzigartig wie möglich machen.

Du selbst hast bisher rund 400 Airbnb-Unterkünfte ausprobiert. Wie kommt’s?

Ich bin Anfang 2011 als Nutzer zu Airbnb gekommen, weil ich das Modell gleich richtig spannend fand und schon immer viel genutzt habe. Außerdem finden ich es super auf meinen beruflichen Trips mit Airbnb zu wohnen – schließlich gehen mir tagsüber viele Dinge durch den Kopf, ich arbeite viel und dann möchte ich abends nach Hause kommen und mit meinem Gastgeber quatschen, der ganz andere Sachen macht. Das ist doch cool!

Outest du dich dann als Deutschland-Chef von Airbnb?

(lacht) Ich oute mich in meinem Profil als Airbnb-Mitarbeiter und schreibe es in meine Nachrichten häufig auch noch mal rein.

Vermietest du auch deine eigene Wohnung unter?

Nein, momentan nicht.

Wieso nicht?

Ich bin noch nicht so lange in meiner jetzigen Wohnung und muss erstmal überhaupt selbst richtig einziehen. Noch habe ich nicht genug Platz für Gäste.

Aber wenn du beruflich unterwegs bist, kannst du die komplette Wohnung vermieten..

Ich wäre derzeit kein guter Gastgeber und die Leute würden sich nicht so wohlfühlen, weil es so chaotisch ist. Aber ich will meine Wohnung definitiv bald mal untervermieten. Dafür müsste ich aber noch mal aufräumen. (lacht)

Die verrücktesten Airbnb-Unterkünfte im Überblick:

Wenn Marketing mit eingebaut ist

Bild: Gründerszene / Hannah Loeffler