Mike Curtis ist Technologiechef der digitalen Zimmervermittlung Airbnb.

Airbnb spürt Gegenwind. Die beliebte Plattform für die Vermittlung von Unterkünften eckt immer wieder bei Behörden an, die das Geschäftsmodell des US-Startups regulieren wollen, weil Wohnraum in Städten knapp ist – in New York etwa oder auch in Berlin. Andererseits ist die Plattform eine zusätzliche Einnahmequelle für Gastgeber, die ein Zimmer oder gleich die ganze Wohnung mit anderen teilen wollen. Angefangen hat alles mit drei Luftmatratzen in der Gründerwohnung. Mittlerweile bietet Airbnb 4,5 Millionen Unterkünfte in 81.000 Städten. Mike Curtis ist für die Technologie der Plattform verantwortlich. Gründerszene traf den Manager im Berliner Büro des Unternehmens zum Gespräch über die Zukunft des Reisens. 

Zehn Jahre Airbnb – was sind die Ziele der Plattform für die nächste Dekade?

Immer mehr Menschen werden reisen. In den vergangenen zehn Jahren sind 300 Millionen Gäste über Airbnb verreist. In zehn Jahren wollen wir eine Milliarde Gäste pro Jahr erreichen. Das Ziel ist ambitioniert, aber ich glaube, wir schaffen das.

Sind Luxusreisen der neue Fokus von Airbnb?

Wir wollen eine Plattform für alle Reisende sein. Unter anderem haben wir die neue Klassifizierung Airbnb Plus eingeführt. So würdigen wir die Airbnb Gastgeber, die sich durch herausragende Gastfreundschaft auszeichnen. Diese Unterkünfte werden auf eine mehr als 100 Punkte umfassende Checkliste in punkto Sauberkeit, Komfort und Design geprüft und verifiziert. Und dann gibt es demnächst noch „Beyond by Airbnb“ einzigartige, maßgeschneiderte Reisen – darunter die exklusivsten Unterkünfte der Welt. Dazu werden wir im Frühjahr mehr erzählen können.

Greift Airbnb jetzt also den Hotelmarkt an?

Zehn Jahre lang konnte man nur zwischen drei Unterkunftsarten wählen: Privatzimmer, gemeinsame Zimmer und ganze Unterkunft. Jetzt haben wir zusätzlich Ferienunterkunft, Boutique Hotels, Bed & Breakfast und „besondere Unterkunft“. Letztere sind in etwa Baumhäuser, Schlösser oder Boote. Für unsere Kunden wird es einfacher, genau das zu finden, was sie suchen, als das auf anderen Plattformen möglich ist.

Wie würden Sie die technologische Entwicklung von Airbnb in den vergangenen zehn Jahren beschreiben?

Vor fünf Jahren hatten wir knapp 40 Programmierer. Jetzt sind es über 1000. Unser Ansatz ist technologischer als der jedes anderen Reise-Unternehmens vor uns. Eine Menge der Dinge, die wir in der Zukunft angehen wollen, kommt auch aus diesem Bereich.

Wie hat dieses Wachstum die Firma verändert ?

Das war eine unglaubliche Reise. Doch unsere Gründer haben frühzeitig die Mission und die Werte unseres Unternehmens festgelegt, an denen sich alle Mitarbeiter orientieren. Wenn jemand neu bei uns anfängt, sehen wir uns genau an, wie seine persönliche Verbindung zu unseren Werten ist. Das ist Teil unseres Onboarding-Prozesses.

Warum ist die Plattform so erfolgreich?

Die Magie von Airbnb besteht darin, dass jede Erfahrung, die wir bieten, mit der Persönlichkeit des Gastgebers zu tun hat. Unsere Gäste treten in das Leben ihres Gastgebers hinein. Und das ist auch irgendwie die grundlegende Magie des Reisens überhaupt. Als Reisen und Tourismus über die Jahre mehr und mehr ein Massenphänomen wurde, ging ein Teil dieser Magie verloren. Wir bringen das gewissermaßen zurück.

Und was hat diese „Magie“ mit Technologie zu tun?

Wir haben jetzt Hunderte Millionen von Gästen. Jeder Kunde ist einzigartig und hat unterschiedliche Vorlieben, einen besonderen Geschmack und persönliche Erfahrungen beim Reisen gemacht. Mit unserer Technologie finden wir die richtige Unterkunft für jeden Gast. Dazu nutzen wir unsere Daten, Algorithmen und Maschinelles Lernen.

Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz?

Das hat viele Facetten. Aber am meisten investieren wir in den Matching-Algorithmus, über den ich gerade gesprochen habe. Maschinelles Lernen wenden wir seit Jahren an – etwa beim Ranking der Unterkünfte in den Suchergebnisses, oder bei den Preisprognosen.

Welche Rolle spielt künftig Virtual Reality?

Das ist noch Zukunftsmusik für uns. Wir haben aber damit bereits experimentiert. Vorstellbar wäre, dass Gäste virtuell durch die Räume ihrer Unterkunft gehen. Doch das für Abermillionen Gastgeber auszurollen, haben wir noch nicht in Angriff genommen.

Und Augmented oder Mixed Reality?

Mixed Reality könnte sehr interessant werden. Es ist noch eine Frage der Zeit, bis ein Wearable auf den Markt kommt, das Menschen tragen mögen. Bei der Internetbrille von Google hat das zum Beispiel bis jetzt nicht geklappt. Es wird aber kommen in ein paar Jahren. Das kann bei Übersetzungen helfen, bei der Orientierung in der fremden Stadt oder beim Check-in. Das könnte für uns sehr relevant werden. Aber das dauert noch.

Wie wird solche Technologie Industrien generell verändern. Wird sie Menschen verdrängen?

Es ist keine Frage: Technologie wird zunehmend Automatisierung ermöglichen. Das wird Jobs kosten. Aber das bedeutet nicht, dass Menschen ihr Einkommen verlieren. Verändern wird sich jedoch die Art, wie Menschen arbeiten. Unsere Technologie verschafft unseren Gastgebern weitere Gäste und somit auch ein zusätzliches Einkommen. Wenn man sich die gesamte Industrie anschaut, gibt es keine Frage, dass die Automatisierungsprozesse Jobs kosten. Historisch gesehen wurden Menschen immer wieder gezwungen, sich andere Arbeit zu suchen.

Wird es dadurch eine neue Entrepreneurship geben?

Microentrepreneurship ist im wesentlichen, was wir machen. Wir helfen Menschen, ihren ungenutzten Raum zu nutzen und damit ein zusätzliches Einkommen zu erwirtschaften.

In Deutschland hat Airbnb Konflikte mit den Behörden.

Homesharing, wie wir es geschaffen haben, ist auf der ganzen Welt neu. Und überall sind die Rahmenbedingungen unterschiedlich. Wir wollen mit den Städten und Regierungen zusammenarbeiten und gemeinsam an zeitgemäßen Regeln arbeiten, die es Städten und ihren Bürgern erlauben, vom Home Sharing zu profitieren.

Bild: Airbnb