Gemeinsam mit seinen 80 Mitarbeitern will Simon Brunke das Geschäft jedes Jahr „verdrei- oder vervierfachen“.

Der größte unternehmerische Coup seiner Jugend brachte Simon Brunke 450 Mark ein. Im Teenager-Alter hatte er angefangen, mit Figuren aus Überraschungseiern zu handeln. „Der Eierlaufschlumpf brachte das meiste Geld ein“, erzählt Brunke. Schon damals besaß er ein ausgefuchstes Geschäftsmodell: Um fünf Uhr morgens ging er auf Flohmärkte, durchstöberte Säcke mit dem Spielzeug, kaufte für 50 Pfennig wertvolle Figuren, die er an Sammler – Ärzte, Rechtsanwälte oder Mitschüler – teuer weiterverkaufte. „Es herrschte eine Informationsasymmetrie“, sagt er heute mit einem Lächeln, denn die Verkäufer auf dem Markt wussten nicht, wie viel ihre Figuren wirklich wert waren.

Wachstumsrate: 1238%

Gründungsjahr: 2014

Kategorie: Plattform

Website: www.exporo.de

Zwei Jahrzehnte später hat Brunke wieder ein findiges Geschäftsmodell entwickelt, das es bis vor wenigen Jahren in Deutschland nicht gab. Über die Plattform Exporo können Kleinanleger ab 500 Euro in Immobilien investieren, ein sogenanntes Crowdinvesting. Das Unternehmen, das baut und die Finanzierung erhält, bezahlt Brunkes Startup eine Gebühr dafür.

Eine Art Kickstarter für Immobilien

Das Geschäft läuft: Insgesamt 100 Millionen Euro haben die Anleger über Exporo angelegt. Und damit Wohnhäuser von Hamburg bis München finanziert. In den kommenden Jahren will er mit seinen 80 Mitarbeitern jedes Jahr das Geschäft „verdrei- oder vervierfachen“ – ambitioniert für ein junges Unternehmen in einer traditionellen Branche. Wie will das Hamburger Startup das schaffen? Von der Dachterrasse des Büros blickt der Gründer direkt auf die Elbphilharmonie, die vielen Besucher sind als kleine Punkte zu sehen. Es ist ein Mahnmal für das, was Bauprojekte auch sein können: ein Desaster. Insgesamt 180 Millionen Euro waren für das Bauprojekt zum Start einkalkuliert, am Ende kostete es etwa 800 Millionen. Für viele andere Menschen sind Immobilien dagegen eine Geldanlage, nicht wenige sind damit reich geworden. „Alle wollen das Betongold“, sagt Brunke.

Doch bislang war das vor allem wohlhabenden Menschen vorbehalten, nur sie hatten überhaupt einen Zugang zu den Bauprojekten. „Das ist nicht verwerflich, aber wir wollten halt jedem ermöglichen, in Immobilien zu investieren“, sagt Brunke. Vor vier Jahren hatten seine Mitgründer und er gesehen, wie Kickstarter in den USA funktioniert: Viele Menschen finanzieren ein Produkt. „Warum nicht auf Immobilien übertragen?“, fragte sich Brunke.

Einfach ist das Modell nicht

Langsam tasteten sie sich an die Plattform heran, schalteten Online-Werbung und schickten alle Verträge per Mail, holten Feedback ein, viel passierte noch per Hand. Erst als sie merkten, es finden sich Kunden und der Ablauf funktioniert, bauten sie den automatischen Ablauf. „Gerade am Anfang war das sehr kostspielig, der Checkout-Prozess musste von einem Anwalt genau überprüft werden, was allein 50.000 Euro gekostet hat“, sagt Brunke.

Gleichzeitig musste das kleine Team die Anleger überzeugen, ihr Geld über die Plattform anzulegen. „Wir haben viel Rücksprache mit den Anlegern gehalten“, sagt Brunke. Auf verschiedenen Kanälen, auch per Telefon, waren sie erreichbar. Immer wieder haben sie ihr Modell erklärt. Einfach ist das nicht: Exporo sammelt über die Plattform Geld für Projektentwickler ein, die für den Bau zuständig sind. Nur ein kleiner Teil der Finanzierung kommt von den Kleinanlegern, der Crowd. Den Rest gibt eine Bank. Die Anleger erhalten zwischen fünf und sieben Prozent Zinsen, und der Projektentwickler zahlt eine Vergütung an Exporo. Im Durchschnitt investieren die Anleger 3.000 Euro pro Projekt, sagt Brunke, und legen ihr Geld pro Jahr in sechs unterschiedlichen Exporo-Immobilien an.

Bild: Chris Marxen | Headshots-Berlin.de

Ein Marktanteil von 60 Prozent

In der Anfangszeit musste sich das junge Unternehmen einen Ruf erst erarbeiten. „Als wir das erste Projekt zurückgezahlt haben, war das einfach ein krasses Gefühl – wir haben uns gesagt: Wow, erst jetzt haben wir einen echten Track-Record“, sagt Brunke. Mittlerweile hat Exporo nach eigenen Angaben 14 Projekte zurückbezahlt. Viele der ersten Anleger hätten dann das Geld wieder über Exporo angelegt. „Wir haben aber auch Kunden, die sich erst einmal für den Newsletter angemeldet und etliche Mails von uns erhalten haben“, sagt Brunke.

Erst einige Jahre später hätten sie sich für ein Investment entschieden. Schon seit einigen Jahren ist Exporo nicht mehr allein auf dem Markt, mehrere Startups sind auf den Markt gedrängt: Zinsland, Zinsbaustein, iFunded, Bergfürst, Companisto heißen die Konkurrenten. Der Hamburger Player konnte sich derweil von dem Rest absetzen. Sein Marktanteil beläuft sich aktuell auf 60 Prozent, wie Zahlen des Branchenportals Crowdfunding.de zeigen. Als erstes Startup hat Exporo die 100-Millionen-Marke geknackt.

Eine erste Pleite könnte die Anleger verschrecken

Gerade mit einer Schwierigkeit kämpfen jedoch alle Player im Markt – sie müssen die Projekte mit einem geringen Risiko aussuchen, dass der Projektentwickler Pleite geht – und die Anleger im Zweifel ihr Geld verlieren. „Wir haben ein Team von 26 Leuten, die sich nur darum kümmern, die Immobilien auf Herz und Nieren zu prüfen“, sagt Brunke. „Ich weiß nicht, wie einige Wettbewerber das mit zwei, drei Leuten schaffen.“ Wenn beispielsweise noch keine Baugenehmigung erteilt wurde, nimmt Exporo das Projekt nicht an. Während des Baus werden die Wohnungen schon verkauft, das Ausfallrisiko sinkt damit. Bis zu 25 Projektentwickler würden pro Woche bei dem Startup wegen einer Finanzierung anklopfen, sagt der Gründer. Doch nur ein Bruchteil kommt am Ende auch auf die Plattform.

Die ganze Branche hat dabei Angst, dass es bald zu den ersten Pleiten kommt – und die Anleger verschreckt werden. Vor einigen Wochen hat ein Projektentwickler, der Geld über die Plattform Zinsland eingesammelt hat, Insolvenz angemeldet. Noch ist unklar, ob die Kleinanleger ihr Geld wiedersehen. Mehr als eine Million Euro stehen auf dem Spiel.

Ein Plan für die Krisenkommunikation liegt in der Schublade

Nach diesem Fall klingelte auch bei dem Konkurrenten Exporo ein paarmal das Telefon. „Irgendwann musste es passieren“, sagt Brunke. „Es rüttelt die Plattformen wach, ihre Prozesse mal richtig zu überprüfen.“ Die Auswahl vor der Finanzierung sei genauso wichtig, wie eine Überwachung bei dem Bau. Die Startups müssten monatlich mit den Projektentwicklern für die Immobilien in Kontakt stehen – und abfragen, ob es Probleme gibt oder sich der Bau verzögert. „Es reicht nicht mit dem zu telefonieren und er sagt dir: Ja, es läuft“, sagt der Gründer. Vielmehr müsse man Nachweise einfordern und Fotos vor Ort machen. Sollte es einmal auch bei Exporo zu diesem Fall kommen, ist das Unternehmen vorbereitet. Der Plan für die Krisenkommunikation liegt in der Schublade. „Man muss als Startup in dieser Situation sehr offen kommunizieren, den Anlegern erklären, was gerade passiert“, sagt Brunke. Bei einem Fall in Frankreich hätten die Anleger auf die gute Kommunikation sehr positiv reagiert.

Vorbereitet auf den schlimmsten Fall arbeitet Exporo an neuen Produkten rund um die Immobilien-Finanzierung, um das Wachstum weiter hoch zu halten. In den kommenden Monaten werden sie auch über diese Pläne reden. „Wir kratzen erst an der Eisberg-Spitze von dem, was möglich ist“, sagt Brunke.

Bild: Chris Marxen | Headshots-Berlin.de