Die Nachricht der Woche ist irgendwie untergegangen. Deshalb an dieser Stelle nochmal ausdrücklich: Die Deutschen sind so zufrieden mit der aktuellen ökonomischen Lage, wie kein anderes Land. 75 Prozent sagen: „Die aktuelle wirtschaftliche Lage in unserem Land ist gut.“ Ein Washingtoner Umfrageinstitut hat in 40 Ländern nachgefragt. Und wir Deutsche sind tatsächlich ganz oben in Sachen Zufriedenheit. Wie sollen wir denn damit umgehen?

Vielleicht so: Alle emsigen Unternehmer wissen natürlich, dass Zufriedenheit der Endgegner von Innovation, Wachstum und des wirtschaftlichen Erfolges ist. Außerdem nehmen wir nach der Lektüre der Netzwerke, all den Talkshows und vielen erfolgreichen Büchern zur Kenntnis, dass der Untergang des kapitalistischen Systems, wie wir es kennen, unmittelbar bevorsteht. Bereits seit vielen Jahren. Da hilft auch keine Umfrage aus Amerika. Was ist denn zum Beispiel mit der Schere? Der Schere zwischen Arm und Reich? Sie klafft! Was ist mit unserer von fiesen Datensaugern bedrohte Freiheit? Was ist mit den Griechen, die im Verbund mit der deutschen Bundesregierung Europa an den Rand des Abgrundes gebracht haben? Was ist mit unserer schönen Fünf-Tage-Woche, die jetzt abgeschafft werden soll? Alles doch nicht so bedrohlich, wie es klingt?

 

Wie kann es sein, dass wir einfach nur zufrieden sind? Und wo bekommen wir vor allem jetzt schnell ein paar schlechte Nachrichten her?

Vielleicht das hier: Auch die Allianz will jetzt an unsere Daten ran. Wenn sich der Kunde eine Blackbox in sein Auto einbauen lässt und per Datenstrom nachweisen kann, dass er ein defensiver, sich stets an die Vorschiften haltender Fahzeugführer ist, bekommt er Rabatte. Ist klar. In Wirklichkeit ist das natürlich eine perfide Strategie auf dem Weg zur totalen Überwachung. So analysieren messerscharf einige Kritiker. Auch Startups in den USA beteiligen sich übrigens an diesem Geschäft und greifen Daten aus den sogenannten Telematik-Systemen ab. Ein Tipp zum Wochenende: Wenn Sie häufig nachts oder gerne mal mit 120 km/h durch die engen Kurven fahren – oder sie fahren zu Zielen, von denen ihr Freundes- oder Familienkreis nichts erfahren darf, dann sollten Sie auf die Blackbox verzichten und die volle Prämie zahlen. Vielleicht lohnt es sich ja. Wenn wir allerdings irgendwann alle die selbstfahrenden Autos von Google oder Apple nutzen, ist die Blackbox natürlich schon eingebaut.

Google verfolgt sowieso schon alle unsere Wege. Ein neues Feature, das auf den Namen Timeline hört, zeigt sehr schön aufbereitet, wo wir uns mit dem Smartphone in der Tasche herumgetrieben haben. Jede Sekunde, jeder Ort ist abgespeichert und eine blaue Linie zeigt, wie wir uns durch die Stadt bewegt haben. Wenn man will auch mit Aufenthaltsdauer und Fotos. Das ist entweder sehr praktisch oder auch furchteinflößend. Je nach Veranlagung. Die zufriedenen Deutschen werden wohl herzhaft Gebrauch von diesem Feature machen. Oder? Wirklich praktisch an dieser neuen Möglichkeit ist, dass der Nutzer jetzt ziemlich genau nachverfolgen, was Google über ihn weiß. Auf meinem iPhone war noch kein Standpunkt abgespeichert. Irgendwo muss ich mich wohl bei den Einstellungen vertan haben. Natürlich will ich detailliert wissen, wo ich gestern war, wenn es mal wieder später geworden ist. Aber besser nicht, was ich nach ein paar Drinks gesagt habe. Danke, Google. Oder kommt das auch noch?

 

Außerdem scheinen gerade die jüngeren Deutschen sich nicht wirklich wohl zu fühlen. Wie kann es sonst sein, dass man sich rund um die Uhr um sein Wohlbefinden kümmert? Aufgewacht wird nach einem Wecker, der den Biorhythmus berücksichtigt. Dann muss es gesunde Kost sein, am besten Nahrung, die nicht nur ernährt, sondern gleichzeitig den Körper von innen heraus entgiftet und all die fiesen Stoffwechselhinterlassenschaften und ungesunden Gedanken hinaus befördert. Detox! Die Nacht von gestern wird einfach weggegessen. Ein Traum. Leben ohne Gift, Gluten, Fleisch, Weizen, falsche Freunde, Zugluft, Risiken, Niederlagen, schrägen Ansichten, Krankheiten, Leuten, die man nicht mag, und andere Katastrophen. Höchstes Zufriedenheitslevel, das von Essen, guten Gedanken, Yoga und indischen Fachleuten gleichsam in die Körper hineinmassiert wird. Auch wenn er sich noch so dagegen wehrt. Lebensglück ist heute als im nachhaltigen, bewussten Wellness-Angebot erhältlich. An jeder Ecke.

Wir von Gründerszene warten jetzt auf den Redaktions-Masseur, nehmen ein Bad in Nikotin, Glutamat, Deathmetal und UV-Strahlen, schließen uns der zufriedenen Mehrheit der Deutschen an und freuen uns auf ein Sommerwochenende, das sich gewaschen hat. Aber vorher gibt es noch ein paar garantiert saisonale, gewaltfreie und nicht industriell behandelte Musiktipps.

Woke up this morning. Kurt Vile hat den Blues für heute.

Clark is the man. Musik aus unserer neuen Heimat, Kepler 452b.

Nachts im selbstfahrenden Auto hören und durch eine große Stadt eurer Wahl cruisen.