In den Werbepausen meiner Lieblings-Trashsendungen in den Privatsendern schreit es mir häufiger entgegen als Heidi „Mädchen“ sagen kann: All! Net! Flat! Für alle Netze! Man hat sich dran gewöhnt, hört einfach drüber hinweg. Das Unterbewusstsein kann sehr gut Unwichtiges aussortieren. Aber vor ein paar Tagen habe ich es doch gehört. Ganz deutlich und sehr bewusst sogar. Was will mir die Werbung sagen?

Noch vor ein paar Jahren war die Allnet-Flat quasi ein Synonym für zweifelhafte Telefonverträge mit unzähligen Fallstricken und klein gedruckten Horrorklauseln, die kein normaler Mensch entschlüsseln kann. Sobald ein Verkäufer mit schlecht sitzendem Jackett in einem Verkaufsgespräch dieses verdenglischte Ungeheuer in den Mund nahm, wusste man, dass man hier an einer aussichtslosen Front einen aussichtslosen Kampf kämpfte. Das würde alles sehr übel und sehr teuer enden.

Schließlich erstarb jede Gegenwehr und der fadenscheinige Handy-Vertrag wurde entnervt unterschrieben. Für diese menschliche Schwäche hing man in den folgenden Jahren in einer Warteschlange für ein Call-Center in Bangalore fest. Weil die Rechnung jeden Monat dramatisch anders aussah, als man es erwartet hatte. Dort saßen austrainierte und bis in die Haarspitzen motivierte Callcenter-Agents, gegen die kein rhetorisches Kraut gewachsen war. Bei der nächsten Rechnung wurde klar, dass sie noch ein paar nutzlose Services zusätzlich in den Vertrag geschrieben hatten, statt teuren Quatsch zu entfernen.

Warum bekommt sie so viel Sendezeit zwischen Heidis Mädchen?

Die Allnet-Flat musste natürlich immer Vertragsinhalt sein und stand außerdem fett auf allen Werbeplakaten vor den Handyläden-Höllen. Sie lockte mit der Möglichkeit, ohne Zusatzkosten in andere „Netze“ zu telefonieren. Wer diese Flat nicht hatte, hatte eigentlich kein Telefon. Denn Freunde und Verwandte, die sich in anderen Netzen verdingt hatten, waren so gut wie unerreichbar. Oder nur für horrende Kosten. Also: All! Net! Flat! Okay. Her damit.

Aber was will die Flatrate im Zeitalter von WhatsApp-Telefonie eigentlich noch von mir? Warum bekommt sie so viel Sendezeit zwischen Heidis Mädchen und dem Bachelor? „Es gibt verdammtes Internet, falls du es noch nicht bemerkt hast. Verzieh’ dich, niemand braucht dich mehr, du nichtsnutzige Allnet-Flat!“, möchte ich schreien.

Und dann tut sie mir auch schon wieder leid. Denn irgendwo da draußen, außerhalb meiner Filterblase im total durchdigitalisierten Berlin, gibt es wahrscheinlich Leute, die noch leidenschaftlich gerne telefonieren. Die Tarife für ihre Handys vergleichen und sich nach ihren Telefoniegewohnheiten in aller Ruhe einen Anbieter aussuchen. Die dann in eines dieser bunten Smartphone-Geschäfte gehen und sich ein neues Gerät mit Vertrag aussuchen und dem Verkäufer fachlich Paroli bieten können. Und die sich dann zufrieden auf dem Weg nach Hause freuen, dass Sie ihr neues Gerät mit einem nigelnagelneuen Vertrag besitzen. Mit einer schönen, funkelnden, potenten, neuen Allnet-Flat. Für alle Netze, natürlich. 

Infografik: Ruf doch mal an! | Statista

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