Jörg Kund­rath (links) und Kai Kle­ment, Grün­der von der Kavaj GmbH.

Ein Beitrag von Torben Lux, Redakteur bei OnlineMarketingRockstars.de.

Die Idee ent­steht aus einem eigent­lich sehr sim­plen Bedürf­nis: 2010 ist der Amazon-Angestellte Jörg Kund­rath auf der Suche nach einer Leder­ta­sche für sein neues iPad. Unzu­frie­den gibt er auf – und weiß sofort, dass er eine poten­zi­elle Markt­lü­cke ent­deckt hat. Zusam­men mit Kai Kle­ment, zu dem Zeit­punkt eben­falls noch beim E-Commerce-Riesen ange­stellt, plant er, genau sol­che Taschen her­zu­stel­len und aus­schließ­lich über Ama­zon zu ver­trei­ben. Heute gehört die Kavaj GmbH mit 3,6 Mil­lio­nen Euro Jah­res­um­satz nach eige­nen Anga­ben zu den größ­ten Händ­lern der Platt­form. Online Mar­ke­ting Rock­stars hat nach­ge­fragt, mit wel­chen Mar­ke­ting­maß­nah­men die zwei schon zu Stu­di­en­zei­ten befreun­de­ten Geschäfts­part­ner Kun­den gewon­nen und es geschafft haben, in den Such­er­geb­nis­sen von Ama­zon vor den Mit­be­wer­bern zu lan­den.

„Unsere Geschichte ähnelt ein wenig dem Klas­si­ker ‚vom Tel­ler­wä­scher zum Mil­lio­när’“, lei­tet Jörg Kund­rath sei­nen Vor­trag beim Digi­tal Com­merce Day ver­gan­gene Woche in Ham­burg ein. Als Geschäfts­füh­rer und Mit­grün­der der Kavaj GmbH spricht er über Mar­ken­bil­dung und erfolg­rei­ches Ver­kau­fen auf „Ama­zon Mar­ket­place“. Im anschlie­ßen­den Gespräch mit Online Mar­ke­ting Rock­stars ent­kräf­tet er das Zitat dann jedoch ein wenig: „Natür­lich ist das ein biss­chen zuge­spitzt. Es ver­deut­licht aber trotz­dem ganz gut die Ent­wick­lung von Kavaj.“

In nur drei Jah­ren von Null auf 3,6 Mil­lio­nen Euro Umsatz

Ziem­lich genau vier Jahre gibt es die Kavaj GmbH jetzt. Im ver­gan­ge­nen Geschäfts­jahr hat das junge Unter­neh­men nach eige­nen Anga­ben 133.000 Taschen fast aus­schließ­lich über Ama­zon ver­kauft und damit 3,6 Mil­lio­nen Euro umge­setzt (im Durch­schnitt also etwa 27 Euro pro Tasche). Etwa 56 Pro­zent wur­den dabei in Deutsch­land erwirt­schaf­tet, 29 Pro­zent kom­men aus den USA, der Rest ver­teilt sich auf Groß­bri­tan­nien, Frank­reich, Spa­nien, Japan und China. „Aus unse­rer Zeit bei Ama­zon wis­sen wir, dass es nicht viele Händ­ler gibt, die bereits welt­weit auf allen Platt­for­men erfolg­reich ver­kau­fen“, erklärt Kai Kle­ment. Wie hoch die durch­schnitt­li­che Gewinn­marge für die Leder­ta­schen ist, wol­len uns die bei­den Grün­der nicht ver­ra­ten. Das Geschäft scheint aber durch­aus lukra­tiv zu sein. Laut Bun­des­an­zei­ger ste­hen knapp 650.000 Euro als Bilanz­ge­winn in den Büchern. Zwar kom­men 400.000 Euro davon als Gewinn­vor­trag aus dem Vor­jahr, aller­dings stie­gen auch die Kos­ten für Her­stel­lung und Per­so­nal jeweils deut­lich. Wäh­rend Kund­rath und Kle­ment die Geschäfte im Grün­dungs­jahr noch alleine ange­sto­ßen haben, sind heute zusätz­lich noch zwei Mit­ar­bei­ter in Voll­zeit, drei in Teil­zeit und zwei Werk­stu­den­ten angestellt.

Viele Kundenanfragen erhält Kavaj über die Facebook-Seite. Entsprechend hoch ist die Priorität bei der Beantwortung.

Letz­ter Urlaub bei Ama­zon: Messe- und Fabrik­be­su­che in China

Gegrün­det haben Jörg Kund­rath und Kai Kle­ment die Kavaj GmbH Mitte 2011. Der Plan, ins Handytaschen-Business ein­zu­stei­gen, ent­stand aber schon frü­her. Seit 2010 recher­chier­ten Kund­rath und Kle­ment zum Thema, bestell­ten Hül­len beim chi­ne­si­schen E-Commerce-Giganten Ali­baba und ver­such­ten so, den Bestell- und Ver­sand­pro­zess über Kon­ti­nente hin­weg nach­zu­voll­zie­hen. „Wir woll­ten erst ein­mal schauen, was alles zu beach­ten ist. Mit Steu­ern, Import, Zoll oder Mar­ken­recht kom­men ja schon einige The­men zusam­men. Außer­dem muss man den rich­ti­gen Her­stel­ler fin­den und – natür­lich – sich ent­schei­den, wel­che Taschen eigent­lich genau ver­kauft wer­den sol­len“, erklärt Kundrath.

Die Ent­schei­dung, den Schritt hin zur Grün­dung und weg vom Ange­stell­ten­ver­hält­nis zu wagen, stand trotz die­ser Hür­den und Risi­ken ziem­lich schnell fest. Im April 2011, die Ver­träge bei Ama­zon waren bereits gekün­digt, besuch­ten Kund­rath und Kle­ment im Rest­ur­laub einige Mes­sen in China, spra­chen mit mög­li­chen Lie­fe­ran­ten und schau­ten sich Fabri­ken an. „Wir woll­ten einen klei­nen Her­stel­ler, der Erfah­run­gen mit Echt­le­der­ta­schen hat, unter fai­ren Bedin­gun­gen pro­du­ziert und natür­lich preis­lich und qua­li­ta­tiv gut ist“, sagt Kund­rath. Der Auf­wand scheint sich gelohnt zu haben.

Vor­teile durch Insider-Informationen oder „nur“ cle­ve­res Marketing?

Trotz­dem stellt sich natür­lich genau des­halb auch eine Frage. Zwei ehe­ma­lige Amazon-Mitarbeiter, die jetzt selbst­stän­dig als Händ­ler genau auf die­ser Platt­form durch­star­ten, und das auch noch welt­weit: Haben Kund­rath und Kle­mens durch ihre frü­he­ren Jobs und Ein­bli­cke Vor­teile gegen­über ande­ren Händ­lern? „Wir haben keine ver­steck­ten Tricks und Kniffe ange­wen­det, die für alle ande­ren Her­stel­ler und Händ­ler, die nicht bei Ama­zon gear­bei­tet haben, nicht auch bekannt sind“, ver­si­chert Jörg Kund­rath und erzählt, wel­che Mar­ke­ting­maß­nah­men die zwei statt­des­sen genutzt haben. Von Anfang an hät­ten sie auf Google AdWords gesetzt. Wäh­rend am Anfang vor allem auf all­ge­meine Key­words gebo­ten wurde, sind es heute eher Longtail-Keywords, also spe­zi­elle, län­gere Kom­bi­na­tion (zum Bei­spiel „iPad Tasche Echt­le­der schwarz“ statt „iPad Tasche“). Inzwi­schen ist das AdWords–Budget im Ver­gleich zu Anzei­gen bei Face­book und Ama­zon aller­dings mit Abstand das kleinste. Dazu kommt das Nut­zen von Social Media-Plattformen als Kundenservicekanal.

Die Bewertungen von Kavaj bei Amazon - ein wesentlicher Faktor für Amazon-SEO.

Neben die­sen eher schon klas­si­schen Maß­nah­men gibt es aber noch ein Thema, was inner­halb der Bran­che zur Zeit aus­führ­lich dis­ku­tiert wird und für die Kavaj GmbH und alle ande­ren erfolg­rei­chen Händ­ler auf der Platt­form eine wich­tige Rolle spielt: SEO bei Ama­zon. E-Commerce-Experte Alex­an­der Graf schreibt auf kassenzone.de, dass es mitt­ler­weile eine rich­tige Indus­trie gäbe, die ver­gleich­bar mit dem Zustand der Google-SEO-Branche von vor zehn Jah­ren sei. Statt Web­sei­ten wer­den jetzt also Pro­dukt­sei­ten opti­miert, um in den Ergeb­nis­lis­ten mög­lichst weit oben zu lan­den und zum Kau­fen anzu­re­gen. Ähn­lich wie in den Such­er­geb­nis­lis­ten von Google & Co. sind auch bei Ama­zon vor allem die ers­ten drei Tref­fer wirk­lich rele­vant. „Außer­dem sto­ßen 99 Pro­zent der User über die Suche auf Pro­dukte, die Kate­go­rien wer­den im Gegen­satz dazu kaum genutzt“, erklärt Adrian Hotz, Her­aus­ge­ber von insideecommerce.de. Ent­schei­dend seien also Titel­aus­wahl, Pro­dukt­text, Meta­key­words und posi­tive Bewer­tun­gen. Außer­dem gäbe es noch einen rele­van­ten Fak­tor, der so beim klas­si­schen SEO nicht vor­kommt: die Ver­füg­bar­keit eines Artikels.

All diese Opti­mie­rungs­maß­nah­men machen aber nur Sinn, wenn man wie im Fall von Kavaj mit einem eige­nen Pro­dukt und einer eige­nen Marke auf Ama­zon unter­wegs ist. Und den wich­tigs­ten Fak­tor über­haupt sollte man an die­ser Stelle auch nicht ver­ges­sen. Bei einem man­gel­haf­tem Pro­dukt oder schlech­tem Ser­vice, dar­aus resul­tie­ren­den nega­ti­ven Bewer­tun­gen und sin­ken­den Ver­kaufs­zah­len hilft auch keine Opti­mie­rung der Artikelbeschreibung.

Dieser Artikel erschien zuerst auf OMR.com.
Bild: Kavaj