Ganz schön große Klappe – der Ford F-150 ist riesig, bullig und scheinbar ein Relikt aus alten Tagen.

Er ist mehr als sechs Meter lang und wiegt drei Tonnen. Die Fahrgastkabine liegt so hoch, dass man eine Trittleiter braucht, um einzusteigen. Die Armaturen sind kantig, die Armlehnen breit. In der Mittelkonsole befinden sich vier Getränkehalter, ausgelegt für Becher in Größe XXL. Wer sich in den Ford F-150 setzt, fühlt sich eher wie in einem Truck als in einem Pkw.

Es ist ein Auto, wie es die Amerikaner lieben: groß, nein riesig, bullig und hart gefedert. So, wie es dasteht in dieser Messehalle in Detroit auf der Motorshow, könnte man meinen, es stamme aus einer längst vergangenen Zeit.

Ein Relikt aus jenen Tagen, als sich niemand auf der Welt für Abgaswerte und Spritverbrauch interessierte. Als Elektroautos nichts waren als eine kühne und ferne Vision. Aber der Eindruck täuscht. Die Ära der ultradicken Autos ist in Amerika nicht vorüber. Ganz im Gegenteil.

Ein Auto wie ein Gebirge aus Blech

Vor ein paar Tagen saß Ford-Chef Ford Jim Hackett auf einer anderen Messe in den USA, auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas, und sprach über die „Stadt der Zukunft“. Über Staus, Lärm, Luftverschmutzung. „Der Preis, den wir für die Freiheit der Mobilität bezahlt haben, bestand darin, eine Welt zu erschaffen, in der die Straßen für die Autos gebaut wurden“, sagte Hackett und forderte schließlich: „Lassen Sie uns gemeinsam die Straßen zurückerobern.“

Nun ist Hackett in Detroit und präsentiert den neuen F-150, ein Auto, das wie ein Gebirge aus Blech vor einem steht. Passt das zusammen? Aus amerikanischer Sicht schon.

Der F-150 ist das beliebteste Fahrzeug in den USA, noch immer. Seit drei Jahrzehnten wird in dem Land kein Modell häufiger verkauft. Der mächtige Pick-up ist für die Amerikaner das, was der Golf für die Deutschen ist, nur eben einige Nummern größer. Der F-150 ist der amerikanische Traum auf Rädern. Und eine Legende, der offenbar nichts etwas anhaben kann. Insgesamt kauften die US-Kunden im vergangenen Jahr weniger Autos als 2016, zum ersten Mal seit der Finanzkrise schrumpfte der Markt – der Absatz der F–Serie hingegen stieg um mehr als neun Prozent.

Den F-150 gibt es demnächst in klimaschonend

Aber natürlich denkt man bei Ford über das Morgen nach. Die Manager wissen, dass sie Themen wie Klimaschutz und Treibstoffkosten nicht auf ewig ausblenden können. In Detroit, bei der großen amerikanischen Autoshow, hat das Unternehmen deshalb eine kleine Revolution vorgestellt: einen F-150 mit Dieselmotor, offizieller Verbrauch um die acht Liter.

Und Ford tut noch mehr, um dem Wagen eine goldene Zukunft zu geben. Seit einiger Zeit schon erhält er eine reine Aluminium-Karosserie, wie sie sonst nur in den Luxusmodellen der Premiummarken zu finden ist. Das reduziert das Gewicht des Fahrzeugs und damit den Verbrauch. Und in wenigen Jahren, so kündigte Ford es in Detroit an, will man den F-150 sogar als Hybrid anbieten.

Die Deutschen, immer noch Meister der Diesel, sind dabei, die Selbstzünder auszusperren. Weil Volkswagen in den USA damit ein Debakel erlebt hat. Der Rest der Welt denkt anders. In Italien steigt der Marktanteil der Diesel, in Japan kommen erstmals Selbstzünder in nennenswerter Stückzahl auf den Markt. Hierzulande, dort, wo er erfunden wurde, läuft dagegen eine Hexenjagd gegen diese Antriebsart. Maßlos und übertrieben. So wie die Jubelarien, die vorher auf den Diesel gesungen wurden.

Diesel sind keine Saubermänner, sie blasen weniger CO2 in die Luft als Ottomotoren. Sie sind auch keine fahrenden Umweltkatastrophen – wenn man die Abgaswerte nicht manipuliert. Die Amerikaner, pragmatisch, wie sie sind, haben verstanden, dass es nicht den einen „Welt-Motor“ für die Zukunft gibt, dass das E-Auto nicht alle Probleme lösen wird. Sondern dass es ein Mix an Antrieben sein wird, der uns künftig bewegt.

Diesel hat traditionell einen schlechten Ruf in Amerika

Die Amerikaner, so scheint es, wollen sich um keinen Preis von ihren großen Autos verabschieden. Natürlich: In den Metropolen an der Ost- und Westküste, in New York und Boston, in San Francisco und Los Angeles, sieht man inzwischen auch kleinere Wagen, zudem gibt es Carsharing und Fahrdienste wie Uber oder Lyft. Aber im Rest des Landes, in Arizona, Montana, Indiana, steigt man eben noch immer in seinen Pick-up, um drei Blocks zum Baumarkt zu fahren und eine Packung Dübel zu holen. Die Geländewagen mit der offenen Ladefläche bestimmen das Straßenbild.

Ford ist nicht der einzige Hersteller, der seine Pick-ups mit Dieselmotoren ausstattet. Auch der Dodge Ram 1500 und der Chevrolet Silverado sind mit solchen Antrieben zu haben. Ihr Verbrauch soll bei knapp acht Litern liegen, das ist eine Ersparnis von 20 bis 30 Prozent gegenüber den Benzinern. Auf langen Strecken und mit schwerer Ladung soll der Diesel zeigen, was er kann, werben die US-Autobauer. Es ist ein Experiment.

Denn der Diesel hat traditionell einen schlechten Ruf in Amerika. „Schmutzig“ ist das Einzige, was den meisten US-Bürgern dazu einfällt. Ein Antrieb für Landmaschinen oder Trucks. Der Marktanteil von Pkw-Dieseln liegt bei 0,1 Prozent in den USA, Volkswagen hatte mit der Abgasaffäre einiges dafür getan, diese Antriebsart weiter zu diskreditieren.

Aber nun springen die US-Autobauer auf. Klar investieren sie auch Milliarden in die Entwicklung von E-Autos, aber zugleich setzen sie auf den Diesel. Der Wunsch der Amerikaner, auch in Zukunft Pick-ups von den Ausmaßen kleiner Panzer zu fahren, könnte ihn aus seiner Nische holen.

Ford goes electric

Insgesamt verändert Ford seine Strategie. Die Investitionen in die Elektromobilität werden deutlich erhöht, bis 2022 sollen elf Milliarden Dollar in die Technologie fließen, wie Chairman Bill Ford, Urenkel von Henry Ford, ankündigte. Zuvor wollte der Konzern lediglich 4,5 Milliarden Dollar für die Elektromobilität ausgeben.

Innerhalb der nächsten fünf Jahre soll die Modellpalette 16 E-Autos und 24 Hybrid-Fahrzeuge umfassen. Die Entscheider denken vor allem an die Elektrifizierung bestehender Modelle. „Man kann mit der Technologie nur erfolgreich sein“, sagte Bill Ford, „wenn man Autos nimmt, die bereits beliebt sind.“ Der F-150, dieser große amerikanische Mythos, eignet sich für das Vorhaben also ganz ausgezeichnet.

Und dafür, dass er weiterlebt, tut Ford alles. Das neue Alu-Skelett, das der F-150 bereits hat, ist viel teurer als übliche Karosseriestähle. Aber eben auch viel leichter. Das spart Sprit, sorgt für bessere Luft.

Eine halbe Tonne Alu wird seither pro Auto verbaut, das bringt eine Gewichtseinsparung von bis zu 350 Kilo im Vergleich zum 2,5 Tonnen schweren Vorgänger. Ford braucht dafür pro Jahr 350.000 Tonnen Aluminium und verarbeitet damit nach Angaben des Lieferanten Alcoa für dieses Modell mehr Alu als die gesamte europäische Fahrzeugindustrie zusammen.

In der zweiten Jahreshälfte, als Ford mit der Serienproduktion des neuen Leicht-F-150 begann, stieg der Weltmarktpreis für Aluminium kräftig an, der Autobauer hatte schlicht den Markt leer gekauft. „Die Konkurrenz kann uns vorerst kein vergleichbares Auto entgegensetzen. Weil es schlicht nicht genug Aluminium gibt“, freuten sich die Ford-Manager damals.

Seither wurden 2,5 Millionen F-150 auf Alu-Basis gebaut. Die zusätzlichen Materialkosten für die Leichtmetallkarosserie werden auf 1000 bis 1500 Dollar pro Fahrzeug geschätzt. Diese Kosten an die Kunden weiterzugeben geht angesichts des scharfen Wettbewerbs nicht. Ford setzt dennoch auf Leichtbau. Damit die Amerikaner weiter ihre dicken Schlitten fahren – und das Geschäft brummt.

Dieser Text erschein zuerst bei Welt.de.

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