Mal andersrum gefragt – Das Bewerbungsinterview mit Recruitern

In unserer Reihe „Mal andersrum gefragt“ fühlen wir denjenigen auf den Zahn, die normalerweise die Fragen stellen: Recruitern. Dieses Mal haben wir mit Antje Beiersdorf gesprochen, HR Generalist bei Travel Audience.

Antje, erzähle uns doch kurz, was du beruflich machst.

Als HR Generalist bin ich verantwortlich für das HR-Tagesgeschäft von Travel Audience. Wir sind im Bereich Online Advertising unterwegs und arbeiten mit den größten Reiseportalen im deutschsprachigen Raum zusammen. Zur Zeit nimmt das Recruiting einen Großteil meiner Arbeitszeit ein.

Seit wann bist du im Recruiting tätig?

Seit 2007 zunächst als Headhunter, seit 2011 jetzt also auf Unternehmensseite in einem Berliner Startup.

Wo hast du gelernt, was du heute machst?

Das Wirtschaftspädagogikstudium mit Personal-Schwerpunkt hat mich nur bedingt auf eine Tätigkeit im Personalwesen vorbereitet. Das Recruiting habe ich durch zwei Praktika sowie durch meine Tätigkeit als Personalberater und Inhouse-HRler erworben. Meines Erachtens gibt es zwei wesentliche Skills, die man für eine Recruitertätigkeit mitbringen sollte: Neugier und die Fähigkeit zuzuhören.

Warum ist Recruiting die perfekte Position für dich?

Ich bin von Natur aus ein an Neuem interessierter Mensch. Mir macht es Spaß, herauszufinden, ob eine Person mit ihrer Motivation für Position und Firma sowie mit ihrem Skillset auf die ausgeschriebene Stelle passt.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei dir aus?

Morgens wird zuerst der Computer hochgefahren, währenddessen hole ich mir einen Kaffee aus der Küche. Zunächst schaue ich in den Kalender, welche Termine bereits fix für den Tag geplant sind. Anschließend scanne ich meine Emails, danach die Bewerbungseingänge. Dabei sortiere ich nach den Kriterien: Was ist wichtig? Was ist zeitkritisch? Welche Anfragen brauchen nicht länger als fünf Minuten Bearbeitungszeit und bringen meine Kollegen weiter?

Über den Tag verteilt führe ich persönliche und Skype- oder Telefon-Bewerbungsgespräche, bearbeite eingegangene Bewerbungen, plane die beste Recruiting-Strategie für die offenen Vakanzen und setze sie um, habe Meetings mit den Führungskräften und dem Geschäftsführer, um HR-relevante Themen durchzusprechen, erstelle Reports, schreibe Arbeitsverträge, Beförderungsschreiben und Zeugnisse und pflege das Personalverwaltungstool. Wenn ein Konzept zur strategischen Weiterentwicklung von HR-relevanten Bereichen ansteht, blocke ich mir auch gerne zwei bis drei Stunden am Stück, um intensiv daran arbeiten zu können.

Wo liegen deine Stärken? Und wo deine Schwächen?

Dies sind zwei Fragen, die ich einem Bewerber nie stellen würde.

Warum?

Ich bevorzuge es, die Kandidaten zu fragen, auf was sie besonders stolz sind und warum. Manchmal stelle ich die Frage, ob sie bereits einen Fehler im Beruf gemacht haben, beziehungsweise einen Misserfolg hatten und wie sie damit umgegangen sind. Was würden sie heute anders machen, wenn sie noch einmal in der Situation wären? Das erlaubt es mir, herauszufinden, wo ihre Leidenschaft liegt und ob sie aus Fehlern lernen.

Was macht dir denn an deinem Job besonders Spaß? Und was gar nicht?

Im Interview macht es mir Spaß, herauszufinden, was Kandidaten wirklich motiviert, wie sie lernen und sich weiterentwickeln. Keinen Spaß macht es mir, wenn Bewerber, denen wir bereits ein Angebot unterbreitet haben, in letzter Sekunde absagen und einen Job in einer anderen Firma annehmen.

Was ist wichtiger – Motivation oder Lebenslauf? Wie sehr schaust du bei einem Kandidaten beispielsweise auf Noten?

Motivation und gute Noten in Kombination sind klasse. Ich bevorzuge es, Personen einzustellen, die motiviert sind, Neues zu lernen, und sich mit ihrer Arbeit identifizieren. Bei der Besetzung von Azubistellen schaue ich aber schon auf die Noten, da die Bewerber über keine bis wenig Arbeitserfahrung verfügen.

Der erste Eindruck zählt bekanntlich. Womit kann ein Bewerber auf den ersten Blick punkten? Was sind absolute No-Gos?

Bei mir punkten Bewerber, die sich auf das Gespräch vorbereitet haben und unser Geschäftsmodell annähernd richtig erklären können. No-Gos sind falsche Anreden im Anschreiben, falsche Schreibweisen des Unternehmensnamens und zu viele Rechtschreibfehler. Ich bin mir bewusst, dass sich Bewerber bei mehreren Firmen bewerben, aber etwas Sorgfalt sollte vor Absenden einer Bewerbung schon walten.

In welchem Rahmen findet bei euch ein Bewerbungsinterview statt?

Normalerweise wird zunächst ein kurzes Skype-Gespräch geführt, daran anschießend – sofern die Bewerber in Berlin sind – ein persönliches Gespräch mit dem Fachbereich und mit HR, sonst ein zweites Skype-Gespräch mit dem Fachbereich. Bei den strategischen Positionen gibt es einen finalen Termin mit dem Geschäftsführer und der Personalleiterin.

Muss ein Bewerber immer zu 100 Prozent auf die Stellenausschreibung passen oder reichen auch mal 70?

Das kommt auf die Position an. Wenn es um den Markteintritt in einem anderen Land geht, sollten Bewerber schon zu 100 Prozent auf die Stellenbeschreibung passen, da sie lokale Expertise und ein Netzwerk mitbringen sollen, über das die Firma eventuell noch nicht verfügt. Handelt es sich um eine Junior-Position, kann man bei den Bewerbern Abstriche machen, wenn das Potenzial vorhanden ist, das fehlende Wissen schnell aufzubauen.

Wie viele Bewerbungen musst du scannen, wie viele Leute interviewen, bevor eine Stelle besetzt wird?

Das kann ich pauschal nicht sagen, da es von der Position abhängt. Pro ausgeschriebener Vakanz gehen normalerweise zwischen zehn und 50 Bewerbungen ein. Im Durchschnitt führen wir zehn bis 15 Interviews, bevor wir eine Stelle besetzen.

Welche Stellen lassen sich denn besonders schnell besetzen?

Stellen in den Bereichen Marketing, Customer Service und Content/PR lassen sich eher schnell besetzen. Schwieriger wird es bei Funktionen wie Ad Operations beziehungsweise Kampagnenmanagement, Head-of-Sales-Positionen, wo spezielle Sprachkenntnisse gefordert sind, sowie bei IT-Jobs wie Golang-Entwicklern.

Stellt ihr auch Personen ein, die nicht vor Ort sein können?

Die Sales-Leute können auch aus den Büros unserer Mutterfirma Amadeus heraus arbeiten.

Antje, vielen Dank für das Gespräch.

Foto: Travel Audience