Daimler testet die autonome S-Klasse in den USA.
Daimler testet die autonome S-Klasse in den USA.

Europa, USA oder China – Wer gewinnt das Rennen um das autonome Fahren? Eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger mahnt für Deutschland gesetzliche Rahmenbedingungen an, die den technologischen Fortschritt fördern und den lokalen Industriestandort stärken. Zu Recht. Denn sonst könnte Deutschland seine Vorreiterrolle schnell verlieren.

Routen zur Erprobung des autonomen Fahrens beschränken sich derzeit auf isolierte Testfelder: etwa in den baden-württembergischen Regionen Heilbronn und Karlsruhe, an der Autobahn A 9 und demnächst wohl auch in Berlin. Das im März 2017 geänderte Straßenverkehrsgesetz ist zwar ein Anfang. Doch die Rahmenbedingungen sind anderenorts besser.

Etwa in den USA, wo lokale Unternehmen wie Tesla, Waymo, Aptiv/Delphi, Lyft und Uber von staatlicher Reglementierung weitgehend ungehindert ihre führende Position beim autonomen Fahren ausbauen können. Auch für Unternehmen aus Deutschland ist dieses Umfeld interessant, wie der Blick in das Verzeichnis der kalifornischen Verkehrsbehörde DMV für genehmigte autonome Fahrzeugtests zeigt. Führende deutsche Autohersteller und Zulieferer sind dort aufgelistet: BMW, Volkswagen, Mercedes, Bosch und Continental. Ein fortschrittsoffenes Umfeld schaffen auch andere Bundesstaaten. So testet etwa Daimler seine autonome E-Klasse seit mehr als einem Jahr im US-Bundesstaat Nevada. Dort ist autonomes Fahren seit 2011 zulässig.

„Durch unkomplizierte Zulassungsverfahren werden Testflotten möglich, die mehrere hundert Fahrzeuge umfassen – ein Vielfaches gegenüber dem, was in Europa angedacht ist“, sagt Wolfgang Bernhart, Partner von Roland Berger, über den US-Markt. Ein Großteil der Tests dürfte angesichts solcher Umstände eher in den USA stattfinden.

China erlaubt autonomes Fahren 

Oder demnächst in China. Denn die Nation mit dem weltweit größten Automarkt und dem größten Wachstumspotenzial hat die Bedeutung der Selbstfahr-Technologie verstanden. Die Volksrepublik hat jetzt eine richtungsweisende Entscheidung getroffen. Einem Analystenbericht aus Shanghai zufolge hat die Regierung Ende Dezember neue Richtlinien für das autonome Fahren erlassen. Danach sind zahlreiche Hürden gefallen, „die die Entwicklung neuer Technologien für die Automobilindustrie behindern würden“, heißt es in dem Papier. Mitte Dezember hatte bereits die Stadtverwaltung von Peking grünes Licht für das Testen selbstfahrender Autos gegeben. 

Der Autor Mark Schaub fasst zusammen: „Diese Änderungen sind ein starker Indikator für die Absicht der chinesischen Behörden, rechtliche Hindernisse zu beseitigen, die die Entwicklung autonomer Fahrzeuge behinderten.“ China schafft die Standards für autonome Fahrzeuge. Diese Absicht untermauert der ebenfalls Ende Dezember verabschiedete Dreijahresplan für die Industrie. Er fordert eine nationale Innovationsplattform und ein Industriesystem für intelligente Fahrzeuge bis 2020.

Vor allem der Suchmaschinen- und Kartenkonzern Baidu, das Google von China, sitzt dort in den Startlöchern und kann den Beginn des autonomen Fahrens kaum erwarten. Sein CEO Robin Li wurde im vergangenen Sommer bei einer damals noch illegalen Fahrt in einem selbstfahrenden Auto in Peking erwischt. Passiert ist ihm nicht viel.

Baidu findet Hunderte Partner

Bei der gerade zu Ende gegangenen CES präsentierte der Konzern Apollo 2.0, seine überarbeitete autonome Plattform. Die Chinesen arbeiten mit Hunderten Partnern (darunter Mercedes, BMW, Audi, Bosch, Contnental, ZF und der Kartendienst Here) an einer Plattform für selbstfahrende Autos.

Und Deutschland? Die Roland-Berger-Studie attestiert der Industrie (OEMs und Zulieferer) weltweit eine Spitzenposition. Doch die ist vergänglich. Die Premium-Marken bieten eine breite Palette an Assistenzsystemen in Serienfahrzeugen an (NGIN Mobility hat sie getestet).

Doch die Mitbewerber aus anderen Ländern holen auf. Dass in den USA bereits autonome Flotten Passagiere transportieren und in China der erste autonome Linienbus vor der Serienreife steht, sollte die Gesetzgeber in Deutschland alarmieren.