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ava-sicherheit Ansichten wie diese soll Ava verhindern.

Sicherheit – das ist gerade eines der ganz großen Themen. Wir wollen uns in turbulenten Zeiten gut aufgehoben fühlen. Dank der unendlichen Datenflut könnten wir bereits recht genau wissen, wann wo was passiert ist, gerade passiert oder vielleicht sogar noch passieren wird. Das Startup Ava hat es sich zur Mission gemacht, Informationen von Städten, der Polizei, der Weltgesundheitsorganisation oder auch aus sozialen Netzwerken zu sammeln und daraus abzulesen, wo es für wen sicher ist und wo nicht.

Das ist keine einfache Aufgabe: Katastrophen geschehen in der Regel schnell und lassen sich schwer vorhersagen. Daher ist es unklar, wie aussagekräftig die gewonnenen Erkenntnisse wirklich sein können. Die beiden Ava-Gründer Sascha Knopp und Aleksandar Stojanovic sind trotzdem davon überzeugt, mit ihrem Modell den Nerv der Zeit getroffen zu haben. Gekommen sei ihnen die Idee bei einem Besuch des US-Tech-Festivals South-by-Southwest, erklärt Stojanovic gegenüber Gründerszene. Dort hatte sich 2014 ein schwerer Unfall mit vier Toten und mehr als 20 Verletzten ereignet, nachdem ein 21-Jähriger mit einem PKW einer Drogen- und Alkoholkontrolle entkommen wollte und in die Menschenmenge gerast war.

„Wir waren ganz in der Nähe, aber selbst in einem Tech-Mekka wie dem SXSW gab es keine Vorwarnung und keine Informationen, wo es sicher war und wo nicht. Wir fühlten uns machtlos. Im Grunde hat sich bis heute nicht viel daran geändert, auch wenn jeder ein Smartphone hat und getweetet und gepostet wird.“ Theoretisch aber hätte es eine Warnung geben können, glaubt Stojanovic. Denn zwischen dem Beginn der Amokfahrt und dem Unfall war einige Zeit vergangen. Nach einigen „technologischen Experimenten“ im Jahr 2014 fällen Knopp und Stojanovic dann die Entscheidung, sich zunächst an einer Sicherheits-App zu versuchen.

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ava-gruender Sammeln Daten für die Sicherheit: Ava-Gründer Aleksandar Stojanovic und Sascha Knopp

Die Pläne für eine eigene Smartphone-App stehen mittlerweile nicht mehr im Fokus. Stattdessen bietet Ava die vom eigenen Algorithmus gesammelten und aufbereiteten Daten Städten, Behörden oder Konzernen zum Kauf an. Anwendungsfälle könnten etwa Apps für Touristen sein, sagt Stojanovic. „Nicht jeder internationale Städtereisende hat auf dem Schirm, dass es beim Schalke-Spiel in der Dortmunder Innenstadt unruhig werden kann.“

Damit ist nicht Schluss. „Unternehmen sind gesetzlich verpflichtet, die Sicherheit der Angestellten, Geschäftsreisenden und Expats zu gewährleisten und suchen händeringend nach Lösungen.“ Potenzielle Kunden sieht er daher viele. Hersteller von Navigationssystemen zum Beispiel. „Dass ich mit einem BMW nicht unbedingt durch manche Pariser Vororte fahren muss, ist mir zwar klar. Aber dem Navi nicht, wenn es mich vom Flughafen zum Ziel lotst“, erläutert der Ava-Mitgründer.

Je mehr Echtzeit-Daten Ava verarbeiten kann, desto aussagekräftiger sollen die Informationen werden, betont Stojanovic. Dann könnten sie sogar relevant sein für Aktienkurse oder Medienunternehmen, hofft das Gründerteam. Mit den Behörden der Stadt London zum Beispiel arbeite das Startup derzeit zusammen, um den Verantwortlichen ein detailliertes Lagebild in der Stadt zu vermitteln.

Die Entwickler sitzen in Serbien

Das Hauptquartier von Ava ist zwar in Berlin, allerdings arbeiten hier nur zwei der derzeit 20 Mitarbeiter. Der größte Teil des Teams – hauptsächlich Programmierer – sitzt im serbischen Novi Sad. An der Universität in der Heimatstadt von Stojanovics Vater hätten die beiden Gründer gute Programmierer gefunden. Im ersten Jahr finanzierten sie sich mit Geld aus einem vorherigen Exit und Gespartem die Entwicklung selbst, erzählt Stojanovic. Danach stiegen private Investoren ein, darunter der liberale deutsche Internet-Politiker Jimmy R. Schulz.

Derzeit suche Ava nach neuen Geldgebern, um die Technologie weiter entwickeln zu können. Für Vieles habe man bereits Patente angemeldet. „Wir setzen wir auf Technologien wie Big Data, Machine Learning, Echtzeit-Analyse oder prädikatives Scoring.“ So untersuche Ava unter anderem das, was Nutzer auf Twitter oder Facebook posten. Dabei gehe der Algorithmus auch nach der Qualität der Quelle. „Der Account einer regionalen Polizeibehörde hat natürlich mehr Gewicht als der eines Nutzers ohne Profilbild“, versichert Stojanovic. Falschmeldungen könne das System identifizieren.

Auch auf den ersten Blick nicht sicherheitsrelevante Datenquellen sollen in den Algorithmen zum Einsatz kommen: So sage ein Gucci- oder Prada-Geschäft aus, dass eine Straße vergleichsweise sicher sei – sonst hätten sich die Nobelmarken dort kaum angesiedelt.

Derzeit hat Ava noch keine Einnahmen. Dafür versuchen die beiden Gründer herauszufinden, wie viel sie für ihre Daten verlangen können. Da alle Informationen öffentlich zugänglich sind, gibt es bereits vielfältige Konkurrenz. „Die arbeitet aber oft noch analog und blickt zudem vor allem in die Vergangenheit.“ Das wollen sich Stojanovic und Knopp zunutze machen. Panik und Angst sollen die Daten währenddessen nicht verbreiten, sagt Stojanovic. Und ihm ist bewusst: „100-prozentige Sicherheit kann auch der Ava-Algorithmus nicht bieten“.

Artikelbild: Willoughby Owen / Gettyimages; Fotos: Ava