Laut BCG-Ranking das innovativste Unternehmen der Welt: Apple
Laut BCG-Ranking das innovativste Unternehmen der Welt: Apple

Einmal Spitze, immer Spitze – das gilt nicht mehr. Der globale Wettbewerb hat eine solche Intensität erreicht, dass selbst große Firmen mit jahrzehntelanger Tradition binnen weniger Jahre vom Thron gestoßen werden können, wenn sie das Tempo der Veränderungen nicht mithalten.

Ob ein Unternehmen auf dem Weltmarkt erfolgreich ist, hängt heute mehr denn je davon ab, ob es die neuesten technischen Möglichkeiten erkennt, schnell aufgreift und umsetzt – oder besser noch: sie selbst entwickelt und entschieden vorantreibt. Das entscheidende Kriterium für Zukunftsfähigkeit ist Innovationskraft, und die scheint Deutschlands Großkonzernen abhandenzukommen.

Ähnlich wie die Bundespolitik, deren Zukunftseifer schwindet, lassen es offenbar auch große Börsengesellschaften Deutschlands zunehmend an Innovationsfähigkeit vermissen. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung der Boston Consulting Group (BCG).

Kein deutsches Unternehmen mehr unter den Top 20

Die globale Beratungsgesellschaft befragte weltweit 1000 hochrangige Entscheider, welche Firmen es am ehesten verstehen, Trends zu setzen und vollkommen neue Produkte auf den Markt zu bringen. Für die deutsche Wirtschaft ist das Ergebnis alles andere als beruhigend: Kein einziges Unternehmen aus Europas größter Ökonomie schaffte es dieses Jahr unter die besten 20.

Vor allem die Autobauer haben offenkundig an Innovationskraft eingebüßt, zumindest im Ansehen der Topmanager. Vor einem Jahr kam BMW zum Beispiel noch auf Rang 14 der globalen Liste, Daimler errang damals Position 16. Zwar rangieren beide Premiumhersteller weiter unter die Top 50, doch was die Innovationskraft angeht, zeigt der Pfeil eher nach unten.

Dabei mangelt es nicht zuletzt an Stärke in der Umsetzung, also wie schnell gute Ideen auch tatsächlich zur Marktreife gebracht werden. (Volkswagen oder Audi sucht man im Ranking der innovativsten Firmen 2018 vergebens.) „Die deutschen Autokonzerne müssen ihre Konzepte zu elektrischer und autonomer Mobilität, die sie in den vergangenen Jahren entwickelt haben, jetzt umsetzen“, mahnt der Deutschlandchef von BCG, Carsten Kratz, an.

Siemens ist die deutsche Nummer eins

Insgesamt waren Anfang 2017 noch vier Firmen aus Deutschland unter den ersten 20. Heute findet sich die innovativste Firma hierzulande erst an Position 21 des Boston-Consulting-Rankings wieder. Dabei handelt es sich um Siemens. Der Technologiekonzern aus München hat sich als wendig genug erwiesen, um weiter in der Spitzengruppe mitzuspielen.

Mehrheitlich büßten deutsche Unternehmen jedoch Plätze ein: Rapide bergab ging es für den Pharma- und Chemiekonzern Bayer, der aktuell viel Energie darauf verwendet, den US-Wettbewerber Monsanto in einer umstrittenen Fusion zu übernehmen. Letztes Mal noch die Nummer elf der Innovations-Weltrangliste, muss sich Bayer jetzt mit Rang 27 begnügen. 

In der absoluten Spitzengruppe liefern sich die Amerikaner einen Wettstreit mit den Asiaten, wobei US-Firmen 2018 die Nase klar vorn haben. Das innovativste Unternehmen der Welt ist Boston Consulting zufolge Apple, gefolgt vom Suchmaschinenbetreiber Alphabet (Google). Es folgen Microsoft, Amazon und Samsung. Doch auch die Chinesen sind im Kommen. Mit dem Online-Händler Alibaba ist eine Firma aus dem Reich der Mitte in die Top Ten der Innovativen vorgestoßen.

Technologiekonzerne siebenmal in den Top Ten

Insgesamt entfallen sieben der zehn besten Ränge auf Firmen der digitalen Sphäre, von Kritikern teils verächtlich auch „Datenkraken“ genannt. „Früher ging es um Produkte, heute um Daten und Technologie“, sagt Kratz. Fortschrittlichkeit wird immer mehr dadurch bestimmt, wie effizient die riesigen Mengen von Informationen verarbeitet werden, die täglich anfallen.

Eine intelligente Auswertung der Daten erlaubt es den Firmen zu wissen, was die Kunden wollen, oft schon bevor diese selber es tun. „Ob Firmen heute innovativ und erfolgreich sind, hängt davon ab, ob sie in unserer digitalen Welt die Daten, die ihnen zur Verfügung stehen, gut analysieren und nutzen“, erklärt Kratz. Gleichzeitig, ergänzt er, müssten die Firmen verantwortungsbewusst mit den Daten umgehen.

Wie aus der BCG-Untersuchung hervorgeht, verwenden Innovationsführer die sogenannte Big-Data-Analyse deutlich intensiver als digitale Nachzügler. Dynamische Firmen zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie Twitter, Facebook und andere Social-Media-Kanäle nutzen, um herauszufinden, was Kunden heute und morgen wichtig ist.

Schnelle Umsetzung von technischen Neuerungen entscheidend

An Bedeutung gewinnt dabei das Tempo, mit dem technische Neuerungen umgesetzt werden. Wenn sich die Kluft zwischen den Innovativen und weniger Innovativen in der Weltwirtschaft weitet, liegt das laut dem BCG-Report nicht zuletzt an der unterschiedlichen Geschwindigkeit, mit der die Innovationsstarken neue Technologien übernehmen. Experten sprechen von Digital Divide, also von einer digitalen Spaltung, die die Firmenwelt teilt in jene, die die Möglichkeiten der Digitalisierung zu ihren Gunsten nutzen, und jene, die abgehängt werden.

Auch die deutschen Unternehmen, die im Ranking an Boden verloren haben, drohen bei der Digitalisierung in Rückstand zu geraten. Allerdings hat die Erhebung aus hiesiger Sicht auch eine helle Seite: Mit insgesamt acht Adressen sind 2018 zwei Firmen mehr aus der Bundesrepublik unter den Top 50 als im letzten Jahr. Die zwei innovativen Neueinsteiger des Jahres heißen Adidas (Platz 35) und SAP (Platz 42). Keine andere europäische Nation brachte so viele Firmen unter die besten 50 wie die Deutschen.

Für das Innovationsranking von Boston Consulting wurden mehr als 1000 Topmanager weltweit befragt, welche Unternehmungen sie als besonders fortschrittlich einschätzen und wo auf der Skala sie ihren eigenen Betrieb verorten. Die Studie wurde zum zwölften Mal in Folge erhoben.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Welt.de.

Bild: Getty Images / Eric Thayer / Stringer