Ben Pasternak
Ben Pasternak Ben Pasternak auf der Heureka 2016

Plötzlich ist er da. Ben Pasternak steht im Presseraum der Heureka-Konferenz. Eigentlich hatten wir für 14 Uhr ein Interview vereinbart. „Nimm mich einfach zur Seite, wenn Du mich siehst“, hatte mir Ben am Abend vorher per Mail geschrieben. Dazu ein Smiley. Doch nun sehe ich ihn schon drei Stunden früher als geplant. Er schaut auf die Bühne, die Hände in den Hosentaschen. An seiner Seite: zwei Männer mit Kamera-Equipment in der Hand und Kopfhörern um den Hals.

Eigentlich ist es verrückt, gerade eben habe ich noch Artikel über Ben gelesen – in der New York Post, dem Wall Street Journal, dem Sydney Morning Herald. In den Texten wird Ben als Startup-Wunderkind gefeiert, als App-Macher und Unternehmer. Denn Ben ist gerade mal 16 Jahre alt und hat von Investoren, die ihr Geld bereits in Snapchat oder Twitter gesteckt haben, einen niedrigen Millionenbetrag bekommen. Sein Produkt: eine App, mit der vor allem junge Leute Gebrauchtes kaufen und verkaufen können – im Instagram-Stil. Vorher hatte er das Mobile-Spiel Impossible Rush an den Start gebracht, das er erfolgreich verkaufte.

Ich begrüße Ben, sein Händedruck ist lasch. Ob es beim 14-Uhr-Termin für das Interview bleibe, frage ich ihn. Klar, sagt er. Aber er hätte auch jetzt schon Zeit. Das passt. Wir gehen in den Nebenraum, die beiden Männer mit uns. Sie erklären, dass sie gerade eine Dokumentation über Ben drehen. CEO@16 soll sie heißen – und Bens Aufstieg nachzeichnen, den Weg eines Zehntklässlers zum Startup-Star. „Ist es für Dich okay, wenn wir das Interview aufzeichnen?“, fragt einer der beiden Männer. Es ist okay. Dann muss ich eine Einverständniserklärung unterschreiben.

Während die Filmemacher ihre Ausrüstung auspacken, frage ich Ben, wie es ihm in Berlin gefällt. Gut, sagt er. Er habe das Badeschiff in Alt-Treptow gesehen. Da wolle er unbedingt noch hin.

Wirklich der neue Mark Zuckerberg?

Ob wir loslegen können? Das Kamera-Team ist bereit. Doch vorher will mir Ben noch zeigen, wie deutsche Medien heute über ihn berichtet haben. Mit seinem Smartphone spielt er einen RBB-Bericht ab und fragt mich, was da über ihn gesagt wird. Ich übersetze: „Ben Pasternak has not yet graduated, he has no driver’s license but is already a startup millionaire.“ So oder ähnlich beginnen fast alle Texte über Ben. „Wow, that’s deep“, scherzt er. Das Aufnahme-Team wartet, doch Ben lässt sich nicht hetzen. Der Bericht zeigt ihn auf einem Spielplatz-Klettergerüst. Stolz zeigt er auf den Bildschirm: „Look, that’s me!“

Und dann geht das eigentliche Interview los: Wie fühlt es sich für ihn an, mit Mark Zuckerberg verglichen zu werden? Sie würden beide für das, was sie tun, brennen. Und natürlich Tech-Produkte bauen. „Das war’s auch schon mit den Gemeinsamkeiten“, stellt Ben fest. Natürlich sei ihm Zuckerberg weit voraus, er selbst habe das nächste Facebook noch nicht entwickelt. Noch nicht. Das lässt Ben so stehen. Und schießt eine Erklärung hinterher: In ein paar Jahren werde Flogg, seine Secondhand-App, so groß sein wie Tinder oder Instagram.

In seinem Apartment in New York City, in dem er seit 2015 alleine lebt, verbringt er täglich bis zu 16 Stunden mit Arbeiten. Ben kommt eigentlich aus Sydney und sagt, dass er das Leben dort manchmal vermisst: die Strände, seine Familie und Freunde. Sogar die Schule vermisse er, gibt er zu. Die schmiss er letztes Jahr in der 10. Klasse, was seine Eltern nur widerwillig akzeptierten.

Kann er sich vorstellen, Flogg irgendwann wie seine Spiele-App zu verkaufen? Er würde alles tun, um Flogg größer zu machen, sagt er. Selbst wenn das bedeuten würde, es zu verkaufen. Es ginge ihm dabei aber nicht um Geld, sondern um Wachstum. Ein Hoverboard habe er sich nach der abgeschlossenen Finanzierung trotzdem gekauft.

Nach dem Interview bitte ich ihn, noch kurz für ein Foto zu bleiben. Kein Problem, sagt er. Überhaupt findet er alles, was ich vorschlage, „awesome“ oder „sweet“. Einwände hat er nicht.

Teenie-Kram am Wochenende

Später spricht Ben noch einmal vor dem Heureka-Publikum. Er ist sichtlich verunsichert und gibt zu: Auf der Bühne zu stehen sei definitiv schrecklicher als sein erster VC-Pitch. Dabei fällt mir auf, dass Ben viele Dinge in genau demselben Wortlaut auf der Bühne sagt wie ein paar Stunden vorher im Interview mit mir: Dass Alter für ihn kein „factor“ in der Zusammenarbeit mit seinem siebenköpfigen – und durchweg älteren – Team sei. Dass seine Eltern sehr „supportive“ seien. Er hat sich seine Worte gut zurechtgelegt.

Hier gibt er auch zu, dass die Arbeit ihm einen großen Teil seiner Jugend stehle. Am Wochenende mache er aber weiterhin normalen Teenie-Kram, gehe in die Mall, verbringe Zeit mit Freunden (in New Jersey wohnen Bekannte der Familie). Er sagt: „Ich hatte eine wirklich gute Kindheit bevor ich mich dazu entschieden habe, in meinem Leben das zu machen, was ich liebe.“

Dann erzählt er noch, dass er in seinen Schrank in Sydney eine Notiz gehängt habe: „If you’re reading this, you suck!“ Denn dann wäre er mit seinen großen Plänen in den USA gescheitert. In seinem neuen Leben, sagt er, treibe ihn „motivational stuff“ in seiner Wohnung an. Auf einem Foto der New York Post ist zu sehen, dass über Bens Sofa ein Bild des Rappers Kanye West hängt. Die Aufschrift: „Listen to the kids, bruh.“ Daneben das Bild einer Twitter-Benachrichtigung: „Justin Bieber folgt Dir jetzt.“ Für Ben Pasternak, das Startup-Wunderkind, das Business-Talent, das eben doch erst 16 Jahre jung ist, kommt Zurückgehen nicht in Frage.

Bild: Georg Räth/Gründerszene