Guten Tag, mein Name ist Joker. Ich hätte da einen Anlagetipp für Sie.

Was haben Bubble Tea, Martin Schulz und die Bitcoin gemeinsam? Alle drei waren mal Medienlieblinge, allen wurde eine glänzende Zukunft prophezeit, doch irgendwann senkte sich der Daumen und es begann die Talfahrt. Während der Bubble-Tea-Niedergang zumindest bei shoppenden Teenie-Müttern noch für Trauer sorgte und Martin Schulz vielleicht noch als Farbberater für die SPD-Zentrale unterkommen dürfte, bleiben Bitcoins der Robert Geiss unter den Hypes: Keiner weiß, warum sowas in die Medien kommt. Niemand kann schätzen, wieviel ökonomische Substanz wirklich dahinter steckt. Aber am Ende fragt man sich neidisch, warum ausgerechnet der ziemlich blonde Robert Geiss mit seinem Ferrari in der monegassischen Feuerwehreinfahrt parken darf. 

Gründerszene-Chefredakteur Frank Schmiechen hat gestern an dieser Stelle einen Kommentar veröffentlicht, in dem er angesichts des Kursabsturzes die allgemeinen Abgesänge auf den Bitoin als verfrühte und technikfeindliche Unkenrufe abtut. Damit kommt er wie viele andere selbst in eine Grauzone aus Lust an der Prognose, FinTech-Revolutions-Sprech und gefährlichem Technik-Halbwissen. Als jemand, der sich auch beruflich mit Blockchain-Themen befassen darf, habe ich die Ehre, hier herzhaft zu widersprechen. Sie als Leser haben nicht viel Zeit für technische Erklärungen? Sie müssen gleich wieder los, Bitcoins verkaufen, bevor Ihnen Ihr Endreihenhaus um die Ohren fliegt. Gut, dann mache ich es kurz.

1. Bitcoin ist nicht Blockchain, Herrgott!

Das glauben vielleicht die überdrehten Bitcoin-Kanonenfutter-Influencer, die Ihnen täglich auf Facebook begegnen. Aber die glauben ja auch, dass „Replica“ ein Sondermodell von Rolex ist. Also nochmal: Blockchain ist in erster Linie eine technologisches Konzept, mit dem Daten, Geschäfte und Vereinbarungen aller Art verschlüsselt und unveränderlich auf (meist) dezentralen, frei zugänglichen und hierarchiefreien IT-Netzwerken abgespeichert werden können. „Hierarchiefrei“ bedeutet in diesem Fall auch, dass es nicht einer zusätzlichen, höchstinstanzlichen Institution wie zum Beispiel einer Bank oder eines Grundbuchamts bedarf, um die zu Grunde liegenden Kontrakte für wirksam und gültig zu erklären.

Während diese und andere Funktionen das grundlegende Prinzip der Blockchain tatsächlich zu einem intelligent-anarchischen Wurfgeschoss machen, das langfristig viele Industrien verändern kann, sollte man bei den meisten der darauf aufsetzenden Währungen dagegen weder von Intelligenz, noch von Langfristigkeit sprechen. Dies liegt nicht nur an grundlegenden Mechanismen des Finanzmarktes, sondern vor allem an dem völlig ins Absurde geglittenen „Coin-Mining“, also dem Schürfen dieser Währungen.

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2. Keine Langfristigkeit

War nämlich das Coin-Mining zunächst als geldwerte Gegenleistung für Netzwerkteilnehmer gedacht, die dem Blockchain-Sicherungsnetzwerk ihre privaten Rechen- und Speicherkapazitäten zur Verfügung stellten, wirkt das Schürfen von Kryptowährungen heute weithin so, als sei es das eigentliche Ziel dieser Technologie. Das sorgt nicht nur dafür, dass die tatsächlichen infrastrukturellen Potenziale der Blockchain in den Hintergrund geraten, sondern auch für einen Supergau in Sachen Ressourcenverbrauch. Denn nachdem in fast allen Blockchains jeder neue Vorgang auf lineare Weise bis zum Ursprung aller jemals getätigten Transaktionen verifiziert werden muss, werden nicht nur der Rechen- und Speicheraufwand immer heftiger strapaziert, sondern auch der Energieverbrauch.

Eine einzelne Bitcoin-Transaktion verbraucht mittlerweile so viel Strom wie ein Einpersonenhaushalt im Monat. Für Sie klingt das zu abstrakt? Stellen Sie sich einfach einen DHL-Boten mit Elektroauto vor, der an der Berliner Karl-Marx-Allee Päckchen ausfährt, mit dem Unterschied, dass er bei jeder Hausnummer zunächst zum Ursprung der Straße zurückfährt, um sich dann wieder das letzte Haus in der Reihe vorzuknöpfen. Zugegeben, die DHL macht sowas gefühlt öfter, prinzipiell aber gilt: Coin-Mining ist Raubbau an Technik, Zeit und Energie. Es wird der Tag kommen, an dem der Schürfaufwand für die meisten privaten Teilnehmer unmöglich.

3. Keine Durchsetzung von Rechten

Sie finden es toll, dass Blockchain ein Spielplatz ohne Aufsicht ist, auf dem Sie sich mal so richtig Matrix-mäßig austoben können? Dann finden Sie auch sicher die dreckigen Windeln und das Spritzbesteck super, das überall auf dem Spielplatz herumliegt. Um es anders zu sagen: Es gibt in der Blockchain keine einzige Instanz, um den Platz als solches sauber zu halten und Ihnen im Zweifelsfall zu Ihren Rechten zu verhelfen. Und ich spreche hier nicht nur von Schneeballsystemen, gezielten Kursmanipulationen und anderen kriminellen Machenschaften.

Ich spreche davon, dass es bei Panikverkäufen weder Börsenschließungen, noch institutionelle Stützkäufe gibt, die wirklich garantiert werden können. Aber es geht auch einfacher, sein komplettes Bitcoin Vermögen zu verlieren. Im Grunde reicht schon, dass Sie auf Ihrer USB-Wallet plötzlich nur noch E://Police_Academy_4.vlc vorfinden, und werden Sie werden Ihren netten Volksbank-Berater vermissen, der sie aus der Sache wieder raushaut.

4. Keine Transparenz

Letzterer weiß im Zweifelsfall aber genauso wenig, wie Sie an Ihre Daten herankommen. Oder ob Sie Steuern auf den Kapitalertrag zahlen müssen. Und wie lange der ganze Handel an sich überhaupt noch legal ist. Denn im Grunde, und nur deswegen funktioniert dieser ganze Hype, weiß das niemand so Recht. Aus der Ferne mag diese komplette Undurchsichtigkeit noch harmlos wirken. Spätestens dann aber, wenn Blockchain-Technologien wirklich den Datenverkehr ganzer Industrien abwickeln sollen, wird eine einheitliche Regelung von Datenschutz, Eigentumsverhältnissen und dem „Right To Forget“ notwendig sein. Oder würden Sie gerne Ihre Krankenversicherungs-Daten bei einem zypriotisch-weißrussischen Rechenzentrum wiederfinden, das ansonsten sein Geld mit Intraday-Verleih von libyschen Schlauchbooten macht? Für Privatanleger heißt es also: Finger weg, bis diese Themen geklärt sind.

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5. Einige Coins müssen sterben, damit der Chain-Gedanke leben kann

Bevor ein möglicher Währungscrash und das drohende Ressourcen-, Regulations- und Datenschutzchaos wieder mal nur die PC-Welt-Abonnenten unter den Anlegern erwischt und die Blockchain-Idee endgültig zum Blutdiamanten für Kolonialisten, Kriegsgewinnler und sonstige Kriminelle verkommt, sollten Sie sich vielleicht einfach ein Ei in die Pfanne hauen, mit dem Hund rausgehen und ansonsten bis auf weiteres die Pfoten von sämtlichen Kryptowährungen lassen.

Das gilt übrigens auch für meinen persönlichen Lieblingscoin aus Russland, der dieser Tage ankündigt, mit einer Mischung aus Künstlicher Intelligenz, Dating-Plattform und einer eigenen Kryptowährung für den „hottesten“ ICO 2018 zu sorgen. Was auf der Website eher so aussieht wie eine MyDirtyHobby-Flatrate für Bankkauflehrlinge mit Pheromonspray, ergibt am Ende vielleicht doch noch Sinn, indem es den Untergang dieser und weiterer sinnfreier Blockchain-Auswüchse so lange beschleunigt, bis der Markt und die Aufmerksamkeit der Nutzer wieder reif sind für sinnvolle und nachhaltige Applikationen.

Girokonten in Mosambik zum Beispiel. Oder eine Demokratisierung des amerikanischen Gesundheitswesens. Oder natürlich auch: fälschungssichere Bundestagswahlen. Dann könnte man sogar vom eigenen Reihenhaus aus seine Stimme abgeben – sofern man es nicht vorher für Bitcoins verpfändet hat.

Foto: Namensnennung Bestimmte Rechte vorbehalten von dejongemartijn

Triff Moritz Grumbach, Founder and Country Lead Germany bei Builders in Healthcare, auf der HEUREKA Founders Conference am 05. Juni in Berlin.