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Programmierer, IT-Rechtsanwalt und Präsident des Bundesverband Blockchain: Florian Glatz

ICOs sind derzeit das vielleicht am heißesten diskutierte Thema für Gründer. In China gingen jedoch kürzlich Behörden gegen die neue Finanzierungsform vor. Auch in Deutschland hat sich noch keine Meinung durchgesetzt, wie die „digitalen Börsengänge“ rechtlich zu bewerten seien und was legal ist, sagt Florian Glatz. Er ist Rechtsanwalt, Softwareentwickler und seit kurzem Präsident des Bundesverbandes Blockchain. Ein Gespräch über Token, Rechtsbrüche und Geld, das auf der Straße liegt.

Florian, steigen wir einfach ein. Kurz und knapp: Was ist ein ICO?

Ein ICO ist eine neue Form der Schwarmfinanzierung, die komplett über eine Blockchain funktioniert. In der Regel werden aber nicht wie bei einem Börsengang Unternehmensanteile verkauft.

Sondern?

Es werden Token verkauft. Aber wofür genau diese Token stehen, ist bei jedem ICO unterschiedlich. Generell gibt es drei verschiedene Formen: Manchmal sind die Gegenwerte Software-Lizenzen, manchmal ist der Gegenwert währungsähnlich und manchmal ist das, was verkauft wird, etwas Ähnliches wie Unternehmensanteile.

Man bekommt also entweder Software, Krypto-Coins oder Unternehmensanteile für sein Investment?

Im Prinzip ja. Das revolutionärste Format ist der Protokoll-Token. Also der, der Kryptowährungen wie Bitcoin und Ether ähnelt. Die haben keine andere Funktion, als die Netzwerke, deren Wert sie quantifizieren, am Leben zu erhalten. Das sind die spannendsten Asset-Klassen. Sie sind fundamental neu. Ganz im Gegensatz zu Token, die klassische Sicherheiten wie Anteile an Unternehmen oder Schuldscheine repräsentieren. Das ist nicht sonderlich revolutionär.

Kürzlich hat China ICOs untersagt. Wie bedeutend ist das für die Krypto-Szene?

Das Verbot hat tatsächlich in der Szene eingeschlagen. Viele westliche Startups haben für ihre ICOs in China Geld eingesammelt. Dort war der Markt stark gehypt. Der Grund für das harte Einschreiten der chinesischen Behörden ist, dass einige Firmen sich einen Reibach gemacht haben. Die haben schon im Vorfeld von ICOs Token eingekauft und sie dann später teurer in konventionellen Währungen an chinesische Verbraucher weiterverkauft. Das war eine richtige Industrie mit viel Wildwuchs. Jetzt müssen viele ICOs rückabgewickelt werden.

Experten glauben, dass sich die Behörden nur Zeit verschaffen wollten, um die Szene besser zu regulieren und Missbrauch zu vermeiden. ICOs könnten also wieder erlaubt werden.

Ich bin mir sicher, dass ICOs nicht generell vom Tisch sind. China ist beim Thema Blockchain super aufgestellt. Es gibt ein großes Interesse daran, dass diese Technologie in China floriert. Es gibt aber kein Interesse daran, dass ein unkontrollierter, grauer Kapitalmarkt entsteht. Deswegen das Verbot. Hinzu kommt, dass China unter Kapitalflucht leidet. Und Kryptowährungen sind ein vorzüglicher Weg, um Kapital außer Landes zu bringen.

In dieser chinesischen Bitcoin-Mine entsteht die Krypto-Währung

China war einer der wichtigsten ICO-Märkte und galt als Vorbild. Drohen der ICO-Szene nun auch in Europa Verbote und Regulierungen?

In Europa und den USA hat man sehr vernünftig reagiert, wie ich finde. Die Bafin hat sich für Deutschland noch nicht offiziell geäußert, beschäftigt sich aber mit dem Thema. Ich glaube nicht, dass es ein generelles Verbot geben wird. Die bestehenden Gesetze sind eigentlich schon recht gut. Die Frage ist eher, wie die Token juristisch bewertet werden. Wie ein ICO reguliert wird, ist maßgeblich davon abhängig, wofür die Token stehen – also Software, Währung oder Unternehmensanteile. Da wünsche ich mir eine Klarstellung von der Bafin, wie diese unterschiedlichen Asset-Klassen künftig geregelt werden.

Wenn ein Startup bei einem ICO Unternehmensanteile verkauft und ein anderes Kryptowährungen, ist das regulatorisch ein Unterschied?

Ja, komplett. Am stärksten reguliert sind die Token-Verkäufe, die Asset-Klassen repräsentieren, die es schon früher gab. Also vor allem traditionelle Finanzinstrumente wie zum Beispiel Unternehmensanteile. Dort sind diverse Aspekte reguliert: Welche Informationen muss ich bei dem ICO öffentlich machen? Wer darf die Token kaufen? Solche ICOs sind im Grunde nur digitale Börsengänge via Blockchain – nicht wirklich etwas Neues. Bei den übrigen Token ist das anders: Die existieren derzeit in einer rechtlichen Grauzone. Und dann ist da noch das Problem mit den Steuern.

Welches Problem?

Wenn ich in einem Geschäft eine Software-Lizenzen kaufe, muss ich Mehrwertsteuer zahlen, die der Verkäufer an an den Staat abführt. Wie ist es dann bei einem ICO, der Token für Software herausgibt? Muss ich da auch Mehrwertsteuer abführen? Aktuell ist es unklar, wie das Ganze steuerrechtlich verortet werden muss. Das ist mega problematisch. Derzeit erleben wir einen massiven Rechtsbruch von vielen, die ICOs durchführen. Und bei der Steuer gilt: Wer das Recht bricht, steht gleich mit einem Bein im Knast. Viel schneller als wenn man auf dem Finanzmarkt gegen Regularien verstößt. Das ist bei der Steuer viel härter. Wir brauchen da eine Klarstellung von den Behörden. Hinzu kommt: Wenn ich beim Kauf von Token Mehrwertsteuer zahlen muss – geht das überhaupt technisch mit einer Blockchain? Funktioniert es, ohne dass die Identität der Transaktionsteilnehmer bekannt ist?

Das Thema ICO ist innerhalb eines Jahres von einem Randphänomen zu einem Milliarden-Geschäft geworden. Mittlerweile überlegen selbst Staaten wie Estland, eigene ICOs durchzuführen. Wie wirkt das auf die Krypto-Szene?

Jeder Typ, den ich kenne, will jetzt einen ICO machen. Es ist gerade die Phase, wo sich viele sagen: „Scheiß drauf, ich mach einen ICO. Das Geld liegt auf der Straße. Warum nicht?“ Das ist menschlich und nachvollziehbar, aber es ist ein ungutes Zeichen. Ich finde es bedenklich, wie das Thema ICO derzeit die Blockchain-Technologie überschattet. Jeder spricht nur noch über ICOs und es gibt kaum ein anderes Thema. Dabei ist die Blockchain-Technologie eigentlich viel mehr.

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Bild: Florian Glatz