Bitcoins
Vielleicht schon bald die Weltwährung?

Ganz am Anfang stand ein Traum: eine Währung, unabhängig von den Zentralbanken dieser Welt. Eine Währung, die frei, anonym und dezentral ist und außerdem sicherer als alles bisher da gewesene. So entstand der Bitcoin.

Heute gibt es weit über Tausend digitale Währungen. Milliarden sind in die Krypto-Szene geflossen. So mancher Früh-Investor ist Millionär geworden. Und mit dem Bedeutungsgewinn der Kryptowährungen steigt mittlerweile auch das Interesse ihrer ursprünglichen Gegner: der etablierten Finanzinstitute, allen voran die Zentralbanken. Viele von ihnen haben ein Auge auf die Bockchain-Technologie hinter Bitcoin, Ether und Litecoin geworfen. Und auch die Kryptowährungen selbst werden für Notenbanken immer wichtiger. So überlegen Staaten wie Estland und Großbritannien, selbst eigenes Staats-Kryptogeld einzuführen.

Estcoins und RSCoins statt Euro und Pfund?

Kasper Korjus, Leiter der Behörde für die digitale Staatsbürgerschaft in Estland, denkt zum Beispiel öffentlich über einen staatlichen ICO nach, bei dem das Land Estcoins verkaufen könnte. Das bei dem „digitalen Börsengang“ eingenommene Geld solle dann in innovative, digitale Projekte fließen. 

Auch in Großbritannien wird das Szenario einer offiziellen Kryptowährung gedanklich durchgespielt. Der sogenannte RSCoin ist ein Forschungsprojekt, das im Auftrag der britischen Zentralbank entworfen wurde. Er orientiert sich an der Struktur des Bitcoins, weist aber einige andere Eigenschaften auf. Statt einer dezentralen Dokumentation behält sich die Notenbank hier eine zentrale Steuerungsfunktion vor.

Währenddessen schreitet die Akzeptanz bestehender Kryptowährung in anderen Ländern voran. Japan erklärte den Bitcoin im April 2017 zum offiziellen Zahlungsmittel. In Australien gibt es ähnliche Pläne. Währenddessen sind in China ICOs so bedeutend geworden, dass sich die Behörden entschlossen haben, ICOs zumindest zeitweise zu verbieten, bis mehr Kontrolle möglich sei. Könnten Bitcoins eines Tages also zur Leitwährung werden und Dollar, Euro, Pfund, Yen oder Franken ersetzen? Drei Gründe, warum das derzeit noch schwer vorstellbar ist:

Begrenzte Geldmenge

Die Menge von Kryptowährungen ist begrenzt. Bitcoins sind beispielsweise auf eine Stückzahl von 21 Millionen reglementiert. Bisher sind ungefähr 16 Millionen im Umlauf. Würde der Zahlungsverkehr der Eurozone nun in, nennen wir sie der Einfachheit halber: Staatscoins geregelt, bekäme man spätestens bei der nächsten guten Konjunkturlage Probleme. Wächst die Wirtschaft, entsteht eine höhere Nachfrage nach Geld. Da die Währungssumme nicht erhöht werden kann, steigt der Preis des Staatscoins, weil mehr Güterzur Verfügung stehen, aber nicht mehr Digital-Münzen. Waren müssen dann billiger angeboten werden, damit sie überhaupt noch verkauft werden können. Es kommt zu einer Deflation. Unternehmen halten Investitionen zurück, weil diese dank steigender Geld-Kurse wohl schon am nächsten Tag weniger kosten würden.

Die für die Wirtschaft toxische Spirale aus Geldaufwertung, sinkendem Absatz und stockenden Investitionen würde theoretisch von einer Wachstumsphase recht schnell zu einer Wirtschaftskrise führen.Tatsächlich ähnelt eine Bitcoin-ähnliche Staatswährung dem Goldstandard, der bis 1930 das weltweite Währungssystem organisieren sollte, was schließlich in der Weltwirtschaftskrise gipfelte. Erst die Aufgabe des Goldstandards erlaubte eine Wachstumsbeschleunigung der globalen Ökonomie. Ähnlich wie beim Goldstandard kann auch eine über Kryptowährung organisierte Wirtschaft in Krisen nicht auf von der Notenbank erschaffenes billigeres Geld hoffen. Seit Ausbruch der Wirtschaftskrise im Jahr 2007 haben aber genau diese Mechanismen – niedrige Zinssätze und Anleihenkäufe – die Weltwirtschaft stabilisiert. Ob Krise oder Wachstumsphase – eine Bitcoin-Leitwährung bereitet Probleme: Denn auch in guten Konjunkturzeiten würgt der steigende Coin-Preis die Konjunktur ab.

Bitcoin – die Geschichte der Digitalwährung in Bildern

Der von der britischen Zentralbank theoretisch erdachte RSCoin unterscheidet sich folglich genau in diesem Punkt vom Bitcoin und seinen Krypto-Mitbewerbern. So soll die Notenbank beim RSCoin bei Bedarf die Währungsmenge erhöhen können und die Blockchain einseitig anpassen dürfen. Der RSCoin würde nicht wie der Bitcoin dezentral geschürft, sondern durch Kreditvergabe der Notenbank zentral ausgegeben.

Spekulative Kurse

Ein weiteres Problem sind die derzeit stark schwankenden Kurse der digitalen Währungen. Veränderungen von über zehn Prozent pro Tag sind keine Seltenheit – auch nicht bei der heutigen Kryptoleitwährung Bitcoin. Für den alltäglichen Zahlungsverkehr sind Kryptowährungen damit derzeit nicht attraktiv. Denn wer bezahlt heute einen Kaffee mit Bitcoins, wenn er für die gleiche Summe in einer Woche schon die ganze Kaffee-Maschine bekommen könnte? International agierende Konzerne müssten sich zudem teuer gegen Wechselkursschwankungen versichern, damit in einem Land produzierte Güter bei Kursanstiegen oder -abstürzen nicht plötzlich viel zu teuer für den Weltmarkt würden.

Dieses Problem dürfte sich mit zunehmender Marktkapitalisierung aber verringern. Je mehr Geld in eine Kryptowährung fließt, desto schwächer werden die Kursschwankungen, die durch den täglichen Kauf beziehungsweise Verkauf von Coins entstehen.

Anonyme Geldtransfers

Das dritte Problem von Kryptocoins als Staatswährung ist die Anonymität der Zahlungen. Was für Privatpersonen vorteilhaft sein mag, ist für Gesellschaft und Staat problematisch. Wenn Besitz in Form von nicht zurückverfolgbaren Geldanlagen versteckt werden kann, ist eine Besteuerung und Kontrolle faktisch unmöglich.

Derzeit ist das in Bitcoin, Ether und Ripple angelegte Vermögen zu unbedeutend, um die nationalen Steuerfahnder auf den Plan zu rufen. Sollte ein Staatscoin aber als offizielles Zahlungsmittel täglich Besitz im Wert von vielen Milliarden Euro transferieren, müssten steuerfinanzierte Staaten entweder die Anonymität abschaffen oder enorme Ausfälle verkraften. Auch Kapitalverkehrskontrollen oder Finanzsanktionen wären nicht mehr möglich. Gerade das war einer der wichtigsten Gründe, warum China derzeit hart gegen ICOs und vielleicht auch bald gegen den Bitcoin vorgeht. Hinzu kommt die anonyme Finanzierung von kriminellen oder terroristischen Organisationen. Auch das ist ein Problem, dass sich aus der Natur der anonymen, dezentralen Struktur der Kryptowährungen ergibt und das eines Tages vielleicht sogar zu einem Verbot von Kryptowährungen führen könnte.

Staatscoins, wie sie Estlands E-Resendency-Leiter Kasper Korjus vorschweben, würden diese Anonymität folgerichtig abschaffen. Estcoin-Transaktionen sollten mit der ID der E-Residency, dem digitalen Pass des Landes, verknüpft werden, so Korjus. So ließen sich Menschen digital identifizieren. Steuerüberprüfungen und Kapitalkontrollen wären so prinzipiell möglich. Eine stärkere Überwachung der Bürger aber auch.

Fazit: Staatscoin als Euro-Ersatz?

Bitcoin, Ether, Ripple und Litecoin sind darauf angelegt, Überwachung und Regulierung abzuschaffen. Für den Einsatz als Landes- oder gar Leitwährung taugen sie nicht. In ihrer jetzigen Form eignen sie sich eher als möglichst gering kapitalisierte Konkurrenzwährungen. Denn je bedeutender die neuen Coins werden, desto stärker wächst auch der Druck auf Zentralbanken und Staaten, den Markt zu regulieren. In ihrer derzeitigen Bedeutung entsprechen Krypto-Coins eher einer Finanzanlage wie Gold, die dem Wirtschaftssystem Kapital entzieht. 

Deswegen ist beispielsweise die Deutsche Bundesbank weniger an einer Bitcoin-Alternative als vielmehr an der Blockchain-Technologie dahinter interessiert. Denn dass Euro und Dollar schon bald über eine dezentrale Blockchain abgewickelt werden, ist weit wahrscheinlicher, als dass ein Staatscoin sie ersetzt.

Konventionelle Währungen wie der Euro stehen stets im Wechselspiel mit ihren Ökonomien, deren möglichst reibungslose Produktion sie zum Beispiel durch Preisstabilität ermöglichen sollen. Dem gegenüber sind Bitcoin und Co. als reine Tauschwährungen konzipiert. Steuerungsmechanismen wie die Ausweitung der Geldmenge und eine kontrollierte Inflation sind nicht vorgesehen. Das sind für Notenbanken jedoch dringend nötige Mittel, um die Wirtschaft vor Krisen zu schützen. Eine Weltwirtschaft auf Bitcoin-Basis würde wahrscheinlich stagnieren oder in eine Rezession abgleiten.

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Bild: Getty /Karen Bleier