Mit noch mehr Wissen in der Trockenmasse – Blinkist macht kurzen Prozess

„Hey Frank, ich hoffe, du konntest deine ersten Tage mit Blinkist gut nutzen: Fühlt sich gut an, zwischendurch immer mal eine Ladung neues Wissen aufzuschnappen, oder?“, fragt mich Emily von Blinkist freundlich in einer Mail, die wahrscheinlich jeder neue Kunde bekommt. Ehrlich gesagt bin ich nicht ganz sicher, ob sich das wirklich gut anfühlt. Klar, wir leben in Zeiten der Beschleunigung und Selbstoptimierung. Ich bin ein großer Fan davon, wenn sich viele Dinge des Alltags schneller, effektiver und leichter erledigen lassen. Am besten automatisch. Aber das Lesen von Sachbüchern? Muss das jetzt auch beschleunigt werden? Wirklich?

Blinkist verspricht, den Inhalt von Sachbüchern auf ihren relevanten Kern zu kondensieren, den der interessierte Leser dann in ein paar Minuten zwischendurch konsumieren kann – auf Smartphone, Tablet oder dem Computer oder in der teuersten Abo-Variante auch hören. Wenn das wirklich funktioniert, wäre es natürlich eine erhebliche Zeitersparnis und vor allem eine sinnvolle Alternative zu Spielen oder Facebook, um Wartezeiten zu überbrücken.

Blinkist zerlegt die wichtigsten Aspekte des Sachbuches in sogenannte Blinks – kurze, prägnante Teilabschnitte. So kann man sich in appetitlichen Portionen durch den Inhalt eines Buches arbeiten. In der Bibliothek von Blinkist findet sich ein weites Spektrum. Von Populärwissenschaft über Lebensberatung bis zu Wirtschaftslektüre. Ich habe Blinkist zum Beispiel mit „Schwarmdumm – So blöd sind wir nur gemeinsam“ von Gunter Dueck ausprobiert, das ich auch in Gänze gelesen habe. In der Einleitung auf Blinkist heißt es zu dem Buch:

In diesen Blinks wirst du außerdem herausfinden:

  • Warum jeder Manager mal ein paar Folgen Supernanny gucken sollte.
  • Wieso manche Menschen größere Schuhe anziehen sollten.
  • Weshalb die kongolesische Zeitansage manchmal sehr nützlich ist.

Das liest sich verlockend. Man will mehr wissen. Ich habe das Buch von Dueck allerdings etwas anders verstanden und die Sache mit dem Kongo oder den Schuhen ist mir nicht im Gedächtnis geblieben. Am Ende des ersten Blinks heißt es: „Schwarmdummheit vernichtet Energie: Viele Kräfte ziehen in verschiedene Richtungen und am Ende bewegt sich nichts.“ Ich bin ziemlich sicher, dass sich der Autor des Buches spätestens an dieser Stelle missverstanden fühlen würde. So unterkomplex, wie in diesem Satz zusammengefasst, ist das Buch nicht. In den anderen Blinks wird es deutlich besser. Aber die Schwierigkeit des Systems wird klar: Es ist nicht ganz einfach, Aspekte eines dicken Buches einfach unter den Tisch fallen zu lassen und es ist eine anspruchsvolle Aufgabe, komplizierte Sachverhalte kurz und griffig zusammenzufassen.

Die Technik von Blinkist funktioniert einwandfrei. Man kann eine eigene Bibliothek erstellen, die Anwendung arbeitet in der teuersten Variante nahtlos mit Evernote oder Kindle-Readern zusammen. Auch die Auswahl an deutschen und englischen Büchern ist vielfältig. Der Leser kann sich nach persönlichen Interessen ein Angebot zusammenstellen lassen oder gezielt nach Büchern und Autoren suchen.

Die Lektüre von Blinkist ersetzt allerdings nicht die Lektüre des ganzen Buches. Aber das versprechen die Macher auch gar nicht. Mitgründer Holger Seim sagt in einem Interview mit Impulse: „Unsere Nutzer können in kürzester Zeit in viele verschiedene Bücher ,hineinlesen’ und so auf interessante Werke stoßen, die sie sonst vielleicht nie entdeckt hätten.“ Die Werbung mit der Aussage: „Der schnelle Weg zu mehr Wissen“, konterkariert dieses Statement allerdings. Für mich kommen vor allem zwei Anwendungsvarianten für Blinkist in Frage:

  • Blinkist ist ideal für einen ersten Eindruck von einem Buch. Eine ideale Entscheidungshilfe, ob man es sich Buch kauft oder nicht.
  • Blinkist liefert perfektes Futter für den Smalltalk-Profi.

Ob der Preis von 49,99 Euro pro Jahr für den vollen Zugriff auf alle Texte oder 79,99 Euro pro Jahr für die Premium-Variante mit Zugriff auf Hörversionen sowie Funktionen, um Markierungen zu Evernote zu synchronisieren und Blinks auf den Kindle zu senden, rechtfertig, muss jeder selber entscheiden.

Bild: Blinkist, Grafik: Gruenderszene