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Blogger Hendrik Haase

Neulich bei einem Aldi in Berlin. 500 Gramm Rinderhack für 2,59 Euro, Marke „Meine Metzgerei“. Da sollte doch eigentlich alles in bester Ordnung sein. Nicht wirklich, findet Hendrik Haase. Er hat den aufgedruckten „Aldi Transparenz Code“ durch sein Handy gejagt und erfuhr: nicht viel.

Zum Beispiel, dass das Rind, das sein Leben für den Inhalt der Schachtel geben musste, irgendwo aus Deutschland stammt. Dass es vom Schlachtkonzern Danish Crown – einem genossenschaftlichen Unternehmen mit acht Milliarden Euro Umsatz und 25.000 Mitarbeitern – in Husum geschlachtet, in Oldenburg verarbeitet und in die deutsche Hauptstadt verfrachtet wurde.

Ein paar Hundert Kilometer alles in allem. Das, meint Haase, sei das Gegenteil von „Meine Metzgerei“, nämlich Fleischindustrie. Und sonderlich transparent seien die Infos auch nicht.

Haase nennt sich selbst „Food Activist“ und betreibt einen Blog, in dem er sich über allerhand Aspekte guten Essens öffentlich Gedanken macht. „Ich bin da eigentlich sehr unideologisch“, sagt er über sich selbst. Ihm gehe es um Genuss, Esskultur und die Herkunft unserer täglichen Nahrung. Er versteht sich laut eigener Website als „Künstler und Aktivist“, der Fragen stelle, Menschen zusammen- und „Steine ins Rollen“ bringe.

Blogger löst Empörungswelle im Netz aus

Letzteres ist ihm mit der Empörung über den quasihandwerklichen Metzgereianspruch von Aldi – auch die Süd-Schwester nutzt die Marke – gut gelungen. Er hat eine kleine Empörungswelle im Netz ausgelöst. Die bodenständige Anmutung, die von dem 50er-Jahre-Design der Aldi-Eigenmarke „Meine Metzgerei“ ausgeht, der irgendwie pergamentpapierfarbene Grundton des Etiketts, die etwas ausgefranste Schrift – das alles sei darauf angelegt, dem Verbraucher regionale Herkunft vorzutäuschen, die es in Wirklichkeit nicht gebe. Woher das Rind stamme, welcher Hof es großgezogen, welches Futter es bekommen habe, all diese Fragen blieben offen.

Aldis Reaktion auf die Vorwürfe zeigt, dass es in der Tat eine Illusion ist, bäuerlich erzeugtes und von Hand verarbeitetes Fleisch beim Discounter zu erwarten, auch wenn die Marke „Meine Metzgerei“ heißt.

Gerne würde man konkretere Angaben zur Herkunft des Hackfleischs zur Verfügung stellen, sagte eine Sprecherin der Handelskette. „Das Bereitstellen dieser Informationen ist jedoch vor allem für die beteiligten Betriebe ein enormer technischer Aufwand“, erklärt sie dann. „Als Händler stehen wir am Ende einer komplexen Lieferkette, das heißt, wir sind auf die Weitergabe der Informationen jedes einzelnen Betriebes angewiesen.“

Gute Metzger kennen ihre Lieferanten

Genau das, findet Haase, sei der Punkt. Gute Metzger wüssten immer, woher ihr Fleisch komme. Dazu muss gesagt werden, dass der Kritiker zwar unideologisch sein mag, aber nicht neutral ist. Er betreibt selbst eine Metzgerei in Berlin mit knapp einem Dutzend Angestellten als Mitinhaber. Außerdem arbeitet er nach eigenen Angaben als Designer, Fotograf und Berater in Sachen gutes Essen.

Die Sache mit der eigenen Metzgerei sei mehr Leidenschaft als Geschäftsinteresse. Sie habe sich aus seiner persönlichen kulinarischen Geschichte so ergeben, berichtet er über ein Beispiel für den Niedergang eines Stücks Esskultur. Eines Tages, so Haase, habe er feststellen müssen, dass eine heiß geliebte Spezialität aus Kindertagen – die „Nordhessische Ahle Wurscht“ (die in Bebra übrigens über einen eigenen Förderverein verfügt) – kaum noch irgendwo angeboten werde. Für große Schlachtereien sei eine solche regionale Besonderheit wohl zu unbedeutend.

Haase bezeichnet sich selbst denn auch augenzwinkernd als „Wurstelier“, analog zum Sommelier, einem Menschen also, der in der gehobenen Gastronomie aus tiefer Wein- beziehungsweise Wurstkenntnis heraus die passenden Sorten zum Mahl empfiehlt.

Eigentlich klar, dass einem solchen Anspruch das Hack aus der Discounter-Kühltheke nicht genügen kann. Ebenso wenig verblüfft, dass die Günstigläden trotzdem versuchen, ihre Produkte so regional und bodenständig wie möglich erscheinen zu lassen – die Verbraucher wollen eben beides, kleine Preise und das gute Gefühl.

Das weiß nicht nur Aldi. Lidl probiert es mit „Metzgerfrisch“, Penny mit „Mühlenhof“, Netto mit „Gut Ponholz“ und dem Spruch „So schmeckt die Heimat“. Regionaler geht’s nimmer.

Und das nicht erst seit gestern. Aldi Süd hat die Metzgermarke bereits vor mehr sechs Jahren beim Patentamt eintragen lassen, Registriernummer 302011007908. Damals noch mit dem Zusatz „Aus eigener Schlachtung“.

Der zumindest ist inzwischen verschwunden. Zuvor hatte der Deutsche Fleischer-Verband mit Abmahnungen gedroht. Die Marke „Meine Metzgerei“ kriegt er aber nicht weg. Im Gegenteil. Seit einigen Monaten verwendet sie nun auch die Schwesterfirma im Norden.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Welt.de

Bild: Olaf deharde