Brainteaser-im-Berufsalltag

Was sagt das Lösen von Brainteasern über die berufliche Qualifikation aus?

Oft stehen Fallstudien, die sogenannten Cases, sowie die als Brainteaser bekannten Schätz- und Kreativitätsaufgaben zwischen einem Bewerber und seinem erfolgreichen Karrierestart. Die guten Neuigkeiten: Jeder, der Fallstudien und Brainteaser ausgiebig übt, legt sich das passende Mindset an und wird somit im Bewerbungsgespräch überzeugen können.

Besonders bei Bewerbungen zu analytischen Berufen, wie zum Beispiel als Unternehmensberater oder Online-Marketing-Spezialist, sind die Beispiele der Cases oft aus dem Berufsalltag gegriffen. Dabei scheinen die Brainteaser auf den ersten Blick wenige Überschneidungen mit dem jeweiligen Berufsalltag zu haben. Abschätzungen wie zum Beispiel

  • Wie viele Tennisbälle passen in ein Flugzeug?
  • Welchen Einfluss hat das Herablassen eines Boot-Ankers auf den Wasserspiegel?
  • Wie viele Euro-Münzen kann man an einem Strand in Ägypten finden?
  • Wie viele Gebäude gibt es in Stadt XY?

werden in Vorstellungsgesprächen gern gefragt.

Ein Beispiel aus dem Alltag

Bewerber sind dann oft sehr überrascht, sobald sie feststellen, dass, trotz der vermeintlichen Absurdität mancher dieser Schätzaufgaben, diese im Alltag doch eine hohe Relevanz haben können. Dazu folgende Insiderstory eines Beraters aus dem Buch Ein Taxi nach London, bitte!, der sich in seinem Vorstellungsgespräch auch nicht vorstellen konnte, dass das Lösen von Brainteasern im Berateralltag sehr relevant ist:

Bei einem meiner ersten Projekte haben wir einen Business Case für die Profitabilität eines Kabelfernsehangebotes errechnet. In diesem Business ist die Profitabilität des Unternehmens davon abhängig, wie viele „Leute“ in einem Haus (zu dem man das Kabel teuer verlegen musste) das Kabelangebot nutzen. Die Profitabilität hängt unter anderem von der absoluten Anzahl der Wohnungen in einem Haus und dem Anteil der Wohnungen, die das Angebot annehmen, ab.

Zum Projekt-Kick-Off ist kurzfristig ein Partner, ein Kabel-TV-Experte, aus dem Ausland eingeflogen. Während des Kick-Offs fragte der CEO unseren Kabel-TV-Experten nach einer ersten Einschätzung zum Kabel-TV-Business in der betroffenen Stadt. Aufgrund der Kurzfristigkeit konnte er sich aber nicht mit den lokalen Gegebenheiten auseinandersetzten, er hatte von uns also kein Briefing erhalten.

Zu meinem Erstaunen antwortete er auf die Frage des CEOs prompt: „My first impression is that you cannot rollout cable tv in the whole city. Only some areas will be profitable. You will have to make sure that the take up rate reaches a critical level before investing in the roll out“. Auch beantwortete er alle weiteren kritischen Fragen des CEOs. Der CEO war, wie auch ich, absolut erstaunt, wie unser Partner zu dieser, dann auch sicher argumentierten, Ersteinschätzung gekommen ist. Nach dem Meeting fragte ich unseren Experten, wie er dazu gekommen sei, und musste bei der folgenden Antwort nur staunen.

Er sagte also: „Auf dem Weg vom Flughafen hierher habe ich die Wohnhäuser in der Stadt gesehen. Der Taxifahrer bestätigte mir, dass das, was ich gesehen habe, für die ganze Stadt repräsentativ sei. Allerdings gäbe es einige Stadtteile mit einem höheren Anteil an Hochhäusern. Damit war mir klar, dass es hier deutlich weniger Wohnungen pro Haus gibt als in anderen Städten, in denen wir profitabel Kabel-TV ausgerollt haben. Bei dieser Einwohnerzahl und dieser niedrigen Anzahl an Wohnungen pro Haus kann das nur hohe Kosten bedeuten [er schätzte sogar die Anschlusskosten pro Haus]. Diese hohen Kosten können durch den ausschließlichen Anschluss von Hochhaus-Stadtteilen oder durch eine hohe Take-up-Rate in den restlichen Wohnhäusern wettgemacht werden.“

Im Rahmen von Bewerbungen gilt das logisch-analytische Denkvermögen als eine der wichtigsten Anforderungen. Dieses Beispiel zeigt eindeutig, was mit diesem Denkvermögen gemeint ist – nämlich die Reduktion komplexer Sachverhalte auf wesentliche Elemente.

Diese Insiderstory zeigt auch, wie relevante Schätzaufgaben im Berufsalltag zur Notwendigkeit werden. Sie helfen nämlich, innerhalb kürzester Zeit mit wenigen Informationen, einigen Annahmen und viel Brainpower Herr beziehungsweise Frau schwieriger Situationen zu werden.

Letztendlich kann das logisch-analytische Denken geübt werden, indem man versucht, tägliche Situationen für ein Gedankentraining zu verwenden. So kann beispielsweise der Weg zur Uni genutzt werden, um sich zu fragen, wie viele Fahrräder pro Jahr wohl verkauft werden, wie viele Straßenbahn- oder U-Bahn-Fahrer für den Betrieb der öffentlichen Verkehrsmittel einer Stadt notwendig sind oder wie viel Umsatz das beste Café der Uni wohl pro Tag macht. Sich diese oder ähnliche Fragen zu beantworten, hilft, komplexe Zusammenhänge auf die wesentlichen Faktoren zu reduzieren.

Besonders bei Schätzaufgaben ist die vom Recruiter erwartete Lösung eines Brainteasers daher keine Zahl, die vom Bewerber genannt wird, sondern die richtige Identifikation der wesentlichen Faktoren, die zum Errechnen der Zahl notwendig sind.

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