Kai Schoppen: „Payment, Mobile oder Bildung sind angesagt“

Die Wirtschaft im WM-Land Brasilien schwächelt – doch Startups entwickeln sich dort zu echten Hoffnungsträgern. Das macht sie auch für Investoren interessant. Einer, der seit Jahren in brasilianische Startups investiert, ist Kai Schoppen, ehemaliger BCG-Berater und ab 2008 COO beim Shopping-Club Brands4Friends.

2010 holten ihn Oliver Jung und Klaus Hommels nach Brasilien, wo er erst COO, dann CEO von BrandsClub wurde, dem mittlerweile größten Shopping-Club des Landes. Nach dem Exit an den südafrikanischen Medienkonzern Naspers blieb Schoppen in Brasilien und investierte in mehrere Startups, half bei Gründungen. Im Interview erzählt Schoppen, warum er noch immer an das Potenzial von Brasilien glaubt, welche Branchen besonders angesagt sind und wieso man nicht in Startups investieren sollte, die nur von Ausländern geleitet werden.

Wieso investiert Du Dein Geld ausgerechnet in Brasilien?

Brasilien ist heute schon eine der größten Volkswirtschaften der Welt, aber bisher haben nur 25 Prozent der 200 Millionen Einwohner online eingekauft. Darüber hinaus zeigen die Social-Media-Statistiken, dass Brasilien ein sehr online-affines Land ist. Daher halte ich das Potenzial für riesig.

Abgesehen von der Größe des Landes, sind die Brasilianer auch innovativ?

In Brasilien ist es ähnlich wie in Deutschland: 80 Prozent der Gründungen sind Copycats von Unternehmen aus den USA oder aus Europa. Da es die meisten dieser ausländischen Internet-Geschäftsmodelle bis vor wenigen Jahren in Brasilien auch nicht gab, war es nicht unbedingt nötig, das Rad neu zu erfinden. Als ich vor vier Jahren hier angekommen bin, gab es noch nicht einmal einen großen Online-Fashionplayer wie zum Beispiel Zalando oder Otto.

Du bist an mehreren brasilianischen Startups beteiligt. Brauchst man da als Investor einen langen Atem? Schließlich wächst die Wirtschaft derzeit nicht mehr so schnell wie lange prophezeit wurde.

Dass die Wirtschaft langsamer wächst, spüren die Internet-Gründer hier wenig – der Markt für E-Commerce beispielsweise wächst pro Jahr um 15 bis 20 Prozent, im Bereich Mode sogar um 20 bis 25 Prozent. Trotzdem ist der Markt in den USA – bedingt durch die Infrastruktur und die Kaufkraft – deutlich weiter entwickelt und etwa zwanzigmal so groß. Deswegen sage ich als Faustregel immer: Nimm ein Startup, das in den USA funktioniert und dort gerade hot ist; teile dessen Umsatz durch zwanzig – dann hast du das Umsatzpotenzial, das das Unternehmen in Brasilien erreichen kann. Anschließend kannst du entscheiden, ob du das Modell immer noch sexy findest.

Welche Trends gibt es in Brasilien in der Digitalwirtschaft?

Die Markttrends sind inzwischen schon recht global, deswegen ist das, was in den USA angesagt ist, auch in Brasilien angesagt. E-Commerce zum Beispiel ist bei Investoren und Neugründern momentan trotz des großen Potenzials weniger im Trend. Dafür sind Startups aus den Bereichen Payment, Mobile oder Bildung angesagt.

Ähnlich also wie in Deutschland. Gibt es dennoch große Unterschiede zwischen der Startup-Szene in Brasilien und Deutschland?

In den letzten zwei bis drei Jahren sind viele Leute aus dem Silicon Valley und Europa nach Brasilien gekommen, weil Brasilien viele Möglichkeiten bot und es hier ganz nebenbei auch schöne Strände gibt. Auch Rocket Internet hat dazu beigetragen, dass es in Brasilien fast eine zweite Startup-Szene gibt, in der mehrheitlich Nicht-Brasilianer arbeiten. Diese Gründer ziehen dann ihre Unternehmen sehr schnell hoch. Oft haben Sie sogar schon für ein Unternehmen mit einem ähnlichen Geschäftsmodell im Ausland gearbeitet – back to the future sozusagen. So eine Szene, die größtenteils aus Ausländern besteht, gibt es in Deutschland nicht.

Du sprichst teilweise von der Vergangenheit. Liegt Brasilien bei Gründern und Investoren nicht mehr so stark im Trend?

Vor einigen Jahren galt Brasilien als das Land mit garantierter Wachstums- und Erfolgschance. Viele dachten, sie könnten hier leicht viel Geld verdienen. Aber durch einige kritische Medienberichte über das Land haben die Leute im Ausland verstanden, dass es doch nicht so einfach ist. Daher kommen mittlerweile sogar weniger Gründer nach Brasilien als es Möglichkeiten gibt. Ich denke, dieser Trend ist in einem gehypten Land wie Brasilien normal und wird sich mittelfristig auf einem gesunden Level einpendeln.

Du würdest ausländischen Gründern und Investoren also immer noch dazu raten, in Brasilien zu gründen oder zu investieren?

Auf jeden Fall, Brasilien hat nach wie vor ein riesiges Potenzial und bietet viele Möglichkeiten. Die Situation ist allerdings so: Ähnlich wie in vielen Märkten sind viele ganz offensichtlichen Möglichkeiten weg. Die international bekannten Business-Modelle auf die Schnelle nach Brasilien zu bringen, macht in der Regel nicht mehr so viel Sinn. Es gibt aber noch viele Nischen, in die man investieren kann. Zudem ist es empfehlenswert, nicht in reine Ausländer-Gründerteams zu investieren. Geschäfte in Brasilien zu machen ist nämlich deutlich komplizierter als in Deutschland, unter anderem weil sich die Gesetze ständig ändern und die Bürokratie sehr mühsam ist. Zudem spielt, wie in vielen Ländern, das eigene Netzwerk eine entscheidende Rolle. Ich hatte das Glück, dass ich einige brasilianische Business Angels kannte, die mir in meinem ersten Jahr erklärt haben, wie Brasilien wirklich funktioniert. Stark vereinfacht gesagt: Wenn man hier ankommt, hat man das Gefühl in Portugal oder Spanien zu sein. Die Geschäftsrealität geht aber eher in Richtung Russland, Indien oder China.

Danke für das Gespräch, Kai.

Bild: Kai Schoppen