brasilien-startup-szene

Wer eine gute Idee hat, trifft auf kaum Konkurrenz

35 registrierte Busunternehmen und mehr als 60.000 verkaufte Bustickets pro Monat in acht Ländern, darunter Brasilien, Deutschland, Mexiko, Polen und die Türkei – beim brasilianischen Startup ClickBus ist man stolz auf diese Bilanz, die gute zehn Monate nach der offiziellen Gründung erreicht wurde. Das Konzept: Über eine Online-Plattform können Fernbusreisende Ticketpreise vergleichen und zu den günstigsten Konditionen kaufen. Bis Ende dieses Jahres soll die Plattform bereits in mindestens 14 Ländern verfügbar sein.

„Bevor es unser Angebot in Brasilien gab, mussten die Leute zu den Busbahnhöfen gehen, in langen Schlangen warten und hoffen, dass sie am Ende noch ein Ticket für ihre geplante Reise bekommen“, erklärt Cesário Martins, Mitgründer und Co-Geschäftsführer von ClickBus Brasilien zum Launch im August 2013. Dabei gebe es pro Jahr 120 Millionen Busreisende im Land, aber nur fünf Prozent der Tickets seien zuvor online verkauft worden.

Die Buchungsplattform für Fernbusreisen ist eines von vielen Beispielen für Brasiliens junge, aufstrebende Startup-Szene, insbesondere, was den Tech-Bereich angeht. In der Szene geht man von rund 10.000 Jungunternehmen aus, die 2012 mit 663 Millionen Euro an der Wirtschaftsleistung des Landes beteiligt waren.

Während der Hype um das Wirtschaftswachstum des südamerikanischen Landes allerdings mittlerweile vorbei ist und Ökonomen sogar von einer möglichen Rezession sprechen, können sich die Startups als Hoffnungsträger weitgehend gegen den allgemeinen Trend behaupten. Zwar hat sich das Interesse von Investorenseite ein Stück weit abgekühlt, doch die Überzeugung treibt weiter an: Wer eine gute Idee hat, trifft in der Regel auf große Nachfrage und auf kaum Konkurrenz.

„Brasilien gehört neben den USA und Europa zu den Top-drei-Märkten für digitale Händler. Im Land herrscht eine starke Kaufkraft, die sich in Ballungsräumen wie beispielsweise Sao Paulo konzentriert“, sagt Philipp Bock, Gründer von Allpago. Finanzierungsmöglichkeiten wie die Kreditkarte mit Ratenzahlung würden den Konsum dabei besonders fördern. Das spiegelt sich vor allem in den Verkäufen im E-Commerce wieder, der jedes Jahr im zweistelligen Bereich wächst – im vergangenen Jahr lag der Umsatz bei 28,8 Milliarden Reais (9,3 Milliarden Euro).

Vielversprechend für Gründer ist auch die Begeisterung der Brasilianer für Smartphones und Social Media: Nach Daten von IDC rangierte das Land 2013 im weltweiten Vergleich der Smartphone-Märkte an vierter Stelle. Bei Facebook und Youtube ist Brasilien der zweitgrößte Nutzermarkt nach den USA und bei LinkedIn kommt das südamerikanische Land mit sechs Millionen Usern ebenfalls auf Platz vier.

Bitte wenden – hier geht’s zur nächsten Seite.

Bild: © panthermedia.net/Tagstock Japan

brasilien-startup-szene

Das Ausland hat großen Einfluss

Das Potenzial der brasilianischen Startup-Szene hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Investoren und Unternehmen aus dem Ausland angezogen, die die Szene noch heute maßgeblich prägen. Zu den bekannten Internet-Unternehmen, die ein Büro in Brasilien eröffnet haben, gehören etwa Netflix, Airbnb und Paypal. Als einer der wichtigsten Investoren im Land gilt Rocket Internet. Über ihr regionales Holdingunternehmen LIH haben sie im vergangenen Jahr rund 2,15 Millionen US-Dollar in ClickBus investiert. Andere Geldgeber sind beispielsweise Silver Lake Sumeru und Tiger.

Eine beachtliche Summe Geld hat auch das Joint Venture aus Redpoint Ventures und e.ventures 2013 für einen Brasilien-Fonds zusammengebracht: rund 130 Millionen US-Dollar für Startups aus dem Mobile-, Medien- und Cloud-Service-Bereich. „Wir verfolgen mit unserem Investment in Brasilien eine langfristige Strategie. Auch wenn es dem Land momentan wirtschaftlich nicht so gut geht, glauben wir an das Potenzial neuer Geschäftsideen“, sagt Mathias Schilling, Mitgründer von e.ventures.

Bis heute haben 15 Startups in Brasilien von einem Investment aus dem Fonds profitiert. Als besonders erfolgversprechend nennt Schilling davon das Versicherungsportal Minuto Seguros, das Versicherungen für alle möglichen Lebensbereiche anbietet; das Antivirus-Startup PSafe sowie die Mikro-Rewards-Plattform MinuTrade, über das auch Kunden mit geringem Einkommen Zugang zu vergünstigten Angeboten von Unternehmen bekommen.

„Die Startup-Szene in Brasilien hat noch sehr viel Potenziel, weil sehr viele Segmente noch nicht besetzt sind“, erklärt Schilling. Besonders interessant dabei seien unter anderem Financial Services, Versicherungsangebote, Bildung, die Immobilienbranche und Software-as-a-Service-Lösungen.

Es würden auch neue Ideen speziell für den brasilianischen Markt entwickelt, so Schilling. Doch als Investor müsse man sich in der Regel von Anfang an darauf einstellen, ein Startup durch alle Entwicklungsphasen durchzufinanzieren. Denn aufgrund der wirtschaftlichen Lage hätten sich die US-Investoren zum Teil zurückgezogen, so dass derzeit für die vielen neuen Ideen nur begrenzt Seed- und Early-Venture-Kapital verfügbar sei.

Die brasilianische Regierung hat das Startup-Potenzial erkannt

Damit die Startup-Szene trotz weniger Investorengelder weiter wächst, hat die brasilianische Regierung als Unterstützer mittlerweile eine wichtige Rolle eingenommen. Im vergangenen Jahr startete beispielsweise Start-Up Brasil, ein Förderprogramm, mit dem Tech-Startups ab dem dritten Unternehmensjahr Geld bekommen können: Über einen Zeitraum von einem Jahr stehen je Unternehmen bis zu 200.000 Reais für Forschung und Entwicklung bereit. Seed, ein anderes Förderprogramm, das vom Bundesstaat Minas Gerais ins Leben gerufen wurde und sich an Jungunternehmer mit einer Gründungsidee richtet.

Damit die brasilianische Startup-Szene ihr Potenzial weiter ausschöpfen kann, ist laut Philipp Bock aber noch mehr Eigeninitiative nötig: „Die Brasilianer müssen das Geschehen selbst stärker in die Hand nehmen, selbst gründen und in Ideen investieren.“ Der Appell richte sich auch an die Leute, die sich für einen Job bei einem Startup entscheiden. Denn noch hätten es die Jungunternehmen gegen die gestandenen Firmen sehr schwer, an Arbeitskräfte zu kommen. „Das Bewusstsein wird sich aber in den kommenden Jahren Stück für Stück verändern“, so Bock.

Davon ist auch Gründer Cesário Martins überzeugt: „Die brasilianische Startup-Szene bekommt jetzt immer mehr und mehr Aufmerksamkeit. Ich glaube, Brasilianer sind kreative Menschen und wir werden noch einige tolle Ideen von hier sehen.“

Bild: © panthermedia.net/Tagstock Japan