Zwei der Case-Gründer: Philipp Seegers (l.) und Jan Bergerhoff
Zwei der Case-Gründer: Philipp Seegers (l.) und Jan Bergerhoff

Die Geschäftsidee klingt ungewöhnlich: Während die Digitalbranche bei der Personalsuche mehr auf Persönlichkeit und Motivation der Bewerber setzt als auf Notendurchschnitt und Lebenslauf, verfolgen die Gründer des Startups Case ein anderes Ziel: Sie wollen der Abschlussnote des Studiums mehr Gewicht geben.

Hinter der Kölner Firma steckt das Doktoren-Trio Jan Bergerhoff, Max Hoyer und Philipp Seegers. Während eines Praktikums merkte Bergerhoff, dass ihn der Umgang mit Abschlussnoten stört. „Ich habe dort der Personalabteilung über die Schulter geschaut. Noten wurden meist gar nicht beachtet – und wenn doch, lag es am guten Ruf der Hochschule“, sagt er. Angesichts des zeitlichen und finanziellen Aufwandes, den Studierende und Hochschulen in die Abschlussnoten investieren, sei das „sehr schade“, so der Gründer. 

Ein Jahr lang tüftelten die VWL-Doktoren an ihrem Produkt: Ein Algorithmus, der die Abschlussnoten der Bewerber in eine Zahl zwischen Null und Hundert transformiert. Diese Zahl – Bergerhoff nennt sie Score – soll für Unternehmen aussagekräftiger sein als die von der Hochschule vergebene Note. Sie setzt sich aus zwei Kriterien zusammen: Wie der Bewerber im Studium im Vergleich zu seinen Kommilitonen abgeschnitten hat und wie schwierig der Studiengang war. Je höher der Score ist, desto besser sind die Chancen des Bewerbers, zu einem Gespräch eingeladen zu werden. 

Der IQ der Kommilitonen zählt mit

Eine Lösung, um zu ermitteln, wie gut ein Student im Vergleich zu seinen Kommilitonen ist, gab es schon vor Case: die europaweit geltende ECTS-Note. Die besten zehn Prozent aller Studierenden eines Faches erhalten dabei die Note A, die schlechtesten ein E. Abheben wollen sich die Gründer daher insbesondere mit dem zweiten Kriterium. „Wir ermitteln, wie kompetitiv ein Studiengang ist“, sagt Bergerhoff. Gemessen wird das am IQ der Studierenden. Fächer, in denen viele Personen mit einem hohen IQ sitzen, gelten als kompetitiv – hier ist es besonders schwierig, zu den Besten zu gehören. Bewerber aus solchen Studiengängen erhalten also einen höheren Case-Score. Umgekehrt heißt das: Je niedriger der IQ Deiner Studienkollegen, desto schlechter für Deinen Score.

Die Daten zur Intelligenz ziehen die Gründer aus den Ergebnissen der Studierendenbefragung Fachkraft 2020, die Notenverteilungen indes bekommen sie direkt von den Prüfungsämtern. Datenschutzrechtlich gebe es dabei keine Probleme, es würden keine personenbezogenen Daten angefordert, sagt Bergerhoff. 480 akkreditierte Hochschulen stellen Case ihre Notenverteilungen zur Verfügung, teils rückwirkend bis ins Jahr 2004. 

Keine Startups unter den Nutzern

Der Aufwand hinter dem Produkt ist hoch – und der Zeitgeist zunächst fraglich. Google beispielsweise erachtet Abschlussnoten längst nicht mehr als relevant. Die Code University in Berlin hat Noten gar abgeschafft. Doch trotzdem: Für 58 Prozent der Unternehmen ist die Abschlussnote nach wie vor wichtig, so eine Studie. „Besonders die Beraterbranche ist an der Note interessiert“, sagt Bergerhoff. Zu den zwölf Firmen, die Case nutzen, zählen die Boston Consulting Group und AT Kearney, aber auch Airbus und Evonik. Ein Startup ist nicht dabei. 

Bis zu 25 Euro zahlen Firmen für das Scoring eines Bewerbers. Die B2B-Lösung ist das Kerngeschäft des Startups, zudem können Studenten für 40 Euro ihren eigenen Score ermitteln lassen. Wer Geld ausgibt, um seiner Bewerbung eine weitere Zahl beilegen zu können, rechnet natürlich mit einem guten Ergebnis – hier gebe es ab und an Scheren zwischen Realität und Selbstverständnis der Absolventen, sagt Bergerhoff. „Wenn wir merken, dass der Score einer Person unterdurchschnittlich ist, sagen wir ihr natürlich Bescheid. Für so ein Ergebnis muss sie nicht bezahlen“.

Finanzieren konnte sich Case im ersten Jahr durch das Exist-Gründerstipendium, später stieg ein Business Angel ein. Inzwischen habe das Startup den Break Even erreicht, sagt Bergerhoff. Neben den Gründern sind drei weitere Mitarbeiter mit an Bord. 2018 wollen sie international expandieren, nach Großbritannien stehen Spanien und die Niederlande auf dem Plan.

Ob es beim Gründen Vorteile habe, promoviert zu haben? Nach kurzem Überlegen bejaht Bergerhoff. „Insbesondere am Anfang schon. Ich hatte das Gefühl, dass ich aufgrund meines Doktortitels eine hohe Antwortrate auf meine Mails hatte“. 

Bild: Nikelowski, Evonik