Catalin Voss vor den Räumen des Stanford-Inkubators StartX

Spricht man Menschen im Silicon Valley auf Catalin Voss an, fallen Sätze wie „He’s a cool kid!“ oder „He seems pretty talented“. Yep! Seems like it. Vor wenigen Wochen konnte der 20-jährige Stanford-Student aus Heidelberg sein Startup Sension nach Japan verkaufen. Voss hatte mit seinem Team eine Software entwickelt, die die Gesichtszüge von Nutzern wahrnimmt und so auf sie reagiert. Jetzt arbeitet er an seinem zweiten Projekt, einem Google-Glass-Programm für autistische Kinder. Unterstützt wird der talentierte Deutsche bei seinen Projekten zum Beispiel von Silicon-Valley-Legende Steve Capps. Bereits im November 2013 widmete der Spiegel dem deutschen Stanford-Studenten ein fünfseitiges Porträt. Das muss man auch erst mal schaffen.

Als ich Catalin im Silicon Valley treffe, ist er zunächst etwas zurückhaltend. Immer wieder tippt er leicht nervös auf seine Apple Watch. Auf meine Frage, ob er nach dem Exit nun zu den Silicon-Valley-Millionären gehört, will er nicht viel sagen. „Ich bin jetzt nicht steinreich“, sagt er bescheiden. „Aber ich kann mich sehr glücklich schätzen.“ Er sagt mehrmals, dass er Glück hatte. Aber natürlich ist es mehr als nur Glück.

Catalin, du wohnst seit fünf Jahren im Silicon Valley. Denkst du manchmal darüber nach, zurück nach Deutschland zu gehen?

Ja, klar! Ich habe wirklich überhaupt keine Ahnung, wo ich mal mein Leben verbringen werde. Das Silicon Valley ist ein besonderer Ort. Ich bin seit fünf Jahren regelmäßig und seit drei Jahren fest hier – das ist schon ein Viertel meines Lebens (lacht). Auf lange Sicht wird mir ein Teil der Kultur hier auf die Nerven gehen – das Valley ist schon so eine Blase – aber in Deutschland sicher auch. Deswegen muss ich einfach mal hier und mal dort leben.

Was aus Deutschland vermisst du am meisten?

Oh, da könnte ich eine lange Liste schreiben! An erster Stelle stünde der Döner. Ja, ich vermisse Döner. Den gibt es hier wirklich nicht. Sollte einer eurer Leser im Silicon Valley einen guten Dönerladen kennen, soll sie oder er sich bei mir melden.

Was steht noch auf der Liste?

Ansonsten vermisse ich ein wenig die Direktheit der Leute. In Deutschland weiß ich schneller, was andere Leute wirklich von mir denken. Wenn wir also die Offenheit der Leute im Valley mit der Direktheit der Deutschen kombinieren könnten, wäre das perfekt.

Diese Offenheit der Amerikaner wird von den Deutschen immer schnell mit Oberflächlichkeit gleichgesetzt…

Klar, man wirft den Menschen hier dann immer gleich vor, dass sie oberflächlicher sind. Das stimmt in vielerlei Hinsicht auch. Aber man muss hier eben nicht betrunken sein, um sich kennenzulernen. Das macht vieles im Bereich Business einfacher.

Wie einfach ist es wirklich, große Investoren wie Ben Horowitz zu treffen?

Haha – ich weiß nicht ob man das so generalisieren kann. Mein früherer Chef und CEO bei PayNearMe, Danny Shader, hat mit Ben Horowitz zusammen in einem Büro gearbeitet. Für mich wäre es also wirklich kein Problem, ihn mal kennenzulernen. Aber ich habe derzeit keinen Grund, Ben Horowitz kennenzulernen – deswegen werde ich nicht um ein Intro bitten. Trotzdem hat nicht jeder, der hier herkommt, diese Möglichkeiten.

Welcher Gründer im Valley fasziniert dich besonders?

Ich bin immer noch von Elon Musk fasziniert. Ich finde, das, was er bisher gemacht hat, einfach unglaublich. Er greift riesige und bedeutsame Themen auf und entwickelt revolutionäre Produkte. Ich weiß aber nicht, ob ich ein Leben wir er führen wollte oder könnte. Ich meine, er leitet drei oder vier Unternehmen. Ich bezweifle, dass man so wirklich glücklich wird. Elon Musk hat es bestimmt sehr schwer.

Mac-Erfinder Steve Capps ist so etwas wie dein Mentor im Silicon Valley. Was hast du von ihm gelernt?

Steve Capps ist mein Vorbild. Weil er so viel erreicht hat, so viel gebaut hat und dabei sehr viel Spaß gehabt hat. Ihm ist das Geld egal, er fährt seinen Prius und programmiert heute immer noch, weil es ihm einfach Spaß macht. Er und seine Frau sind wie Familie für mich. Er hat mich für mein erstes Praktikum während der Schule hierher geholt, er hat mir geholfen, nach Stanford zu kommen, er hat mir geholfen, mein erstes Unternehmen zu verkaufen.

Was sagen deine Eltern in Deutschland eigentlich zu deinem Leben im Valley?

Anfangs war es schwierig, weil ich mich plötzlich so aus allem ausgeklingt habe. Nachdem ich das erste Mal mit 15 hier im Valley war, wollte ich unbedingt ein Einserabitur schreiben, gleichzeitig habe ich Vollzeit für Capps Firma PayNearMe arbeiten und einen SAT für die Stanford-Aufnahme machen müssen. Da blieb plötzlich keine Zeit mehr für meine Familie. Und das alles nur, um an eine Uni zu gehen, die mich 60.000 Dollar im Jahr kostet, die ich eigentlich nicht besitze.

Hat sich das mittlerweile geändert?

Meine Mutter war vor einem Dreivierteljahr das erste Mal hier. Da sind wir gemeinsam über den Campus gelaufen. Ich glaube, da hat es Klick gemacht. Sie brachte den selben Ehrgeiz wie ich mit, als sie sich für ihren Doktor von Rumänien aus nach Deutschland aufgemacht hat. Sie hat mich immer unterstützt.

Welche Eigenschaften braucht man, um im Silicon Valley erfolgreich zu sein?

Man sollte ehrgeizig, smart und offen sein. Tendenziell wird man im Silicon Valley aber mehr an dem gemessen, was man baut oder produziert als an dem, was auf dem Lebenslauf steht. Deswegen bekommen hier junge Leute häufig eine riesige Chance: Wenn sie sich reinhängen und wirklich den Arsch aufreißen, dann werden sie hier auch etwas erreichen. Tag und Nacht arbeiten gehört deswegen dazu – auch bei 300 Tagen Sonnenschein im Jahr.

Was machst du in deiner Freizeit, wenn du mal welche hast?

Ich lege ab und zu auf Partys auf dem Stanford-Campus auf. Ich produziere also gerne mal Musik, spiele viel Klavier, manchmal auch Gitarre. Ansonsten fahre ich gerne Ski in Utah oder Lake Tahoe wenn ich dazu komme.

Vielen Dank für deine Zeit, Catalin.

Bild: Hannah Loeffler / Gründerszene