Seit etwa einem Jahr folge ich Chiara Ferragni auf Instagram. Mehrmals am Tag kann ich sehen, wie die Italienerin ihr Leben für die Fans perfekt inszeniert. Ich verfolge ihre Shopping-Touren durch Los Angeles, den Bali-Urlaub mit ihrer Schwester oder ihren Trip nach Capri mit dem Fotografen-Freund. Auf ihren Fotos sehen wir schöne Menschen, schöne Landschaften, schöne Taschen. Alles ist wunderschön. Anfangs fand ich es faszinierend, mit welchem Aufwand die 28-Jährige für jedes Bild das passende Outfit auswählt, ihre Haare in Form föhnt und das Essen im Restaurant drapiert. Mittlerweile ist es für mich nicht mehr ganz so aufregend. Denn auch Ferragnis luxuriöser Alltag wiederholt sich. Die gleichen Hotels, die gleichen Designer-Taschen, die gleiche Schwester.

Trotzdem ist Chiara Ferragni ein Phänomen: Während einige Menschen sie auf tausenden Fotos bei Instagram, Snapchat oder Facebook gesehen haben, kennen andere sie überhaupt nicht. Obwohl etliche Artikel über die italienische Bloggerin geschrieben wurden: Viele meiner Freunde und Kollegen sind komplett ahnungslos. „Wer ist denn diese Chiara? Ich habe überhaupt keinen Plan“, sagte mir kürzlich eine Freundin, die ansonsten immer bestens informiert ist, aber offenbar noch nicht zu den Instagram-Opfern gehört, die täglich viele Stunden auf Bilder starren.

4,5 Millionen Follower auf Instagram

Denn jeder, der einen Instagram-Account hat, dürfte schon mal über Ferragni gestolpert sein. Die gebürtige Italienerin, die vor sechs Jahren ihre Karriere mit dem Blog „The Blonde Salad“ startete, zählt zu den erfolgreichsten Persönlichkeiten der Foto-App. 4,5 Millionen Menschen haben ihren Kanal abonniert. 12.000 Bilder hat die sie bereits hochgeladen, jeden Tag kommen neue hinzu. Auf den meisten Bildern trägt Ferragni ihre haselnussbraunen Haare offen, schaut mit ihren blauen Augen unschuldig in die Kamera und hält in der Hand den neuesten It-Bag. Zwischen 60.000 und 100.000 Likes bekommt jedes ihrer Fotos. Hinzu kommen mehr als 1,1 Millionen Follower auf Facebook.

Picking up donuts for the squad before the photoshoot, hair and makeup by @giannetos #TheBlondeSaladGoesToHollywood

Ein von Chiara Ferragni (@chiaraferragni) gepostetes Foto am

Das klingt alles nach einem weiteren hübschen Mädchen, das Mode liebt und die Filterfunktionen ihres iPhone 6 perfekt beherrscht. Doch ganz so einfach ist es nicht. Natürlich pflegt sie als erfolgreiche Bloggerin zahlreiche Kooperationen mit Modemarken, die ihr teure Produkte schenken und für jeden Post zahlen. Mit dabei: Louis Vuitton, Calvin Klein oder Guess. Und weil Modefirmen weltweit mittlerweile verstanden haben, dass sie ihre Zielgruppe besser über die Vorbilder auf Instagram als über klassische Print-Kampagnen erreichen, blüht das Werbe-Geschäft von Ferragni.

Und nicht nur das: Chiara Ferragni nutzt ihre Popularität auf Instagram und die hohen Besucherzahlen ihres Blogs geschickt, um in anderen Bereichen noch mehr Geld zu verdienen. Ihre Haupteinnahmequelle ist mittlerweile die eigene Schuhkollektion. Mit etwas gewöhnungsbedürftigen Modellen hat sie ein Millionen-Unternehmen aufgebaut: Die Ballerinas mit aufgedruckten Smileys oder glitzernde High-Heels kosten zwischen 255 und 355 US-Dollar und werden in ihrem Heimatland Italien gefertigt. In diesem Jahr rechnet Ferragni mit einem Umsatz von insgesamt acht Millionen Dollar. 75 Prozent sollen dabei aus dem Verkauf ihrer Schuhe kommen.

Harvard erforscht den Ferragni-Erfolg

Mit ihrem Konzept ist Chiara Ferragni zum Vorbild aller Instagram-Sternchen geworden, die häufig zwar Taschen, Kleider und Schuhe in Mengen geschenkt bekommen, aber nur selten wirklich viel Geld verdienen. Was sie motiviert: Auch Ferragni war mal ein Nobody. Sie kann weder singen noch schauspielern und ein Youtube-Star ist sie auch nicht. Ein gutes Gespür für Mode, ihre schlanke Figur und ein hübsches Gesicht haben sie erfolgreich gemacht. Zwar kommt Ferragni aus gutem italienischen Hause mit Sitz in Cremona, aber ihre Karriere begann 2009, mit 22 Jahren, eher zufällig: Während ihres Jura-Studium an der Elite-Universität Bocconi in Mailand, an der auch viele Startup-Köpfe ein Auslandssemester absolviert haben, machte ihr damaliger Freund Riccardo Pozzoli die ersten Bilder von ihr. Modeblogs waren noch nicht weit verbreitet, aber Pozzoli half ihr bei dem Aufbau der Seite. Wegen ihrer blonden Haare nannte sich Ferragni „The Blonde Salad“.

Reunited with part of my beloved @tbscrew + sister @valentinaferragni #ItalianDays

Ein von Chiara Ferragni (@chiaraferragni) gepostetes Foto am

Heute ist Ferragni mit ihrem Blog derartig erfolgreich, dass sogar die Harvard Business School ihre Strategie in einem Forschungsprojekt analysiert hat. Das US-Magazin Forbes wählte sie in diesem Jahr unter die 30 unter 30 in der Kategorie „Art & Style“ und das Mode-Magazin Vogue zeigte sie als erste Bloggerin auf dem Cover. Im vergangenen Jahr schließlich kaufte Ferragni ein Haus in der Promi-Metropole Los Angeles, wo sie nun die meiste Zeit lebt und fleißig Bilder für Instagram schießt. Noch heute arbeitet die 28-Jährige mit ihrem Ex-Freund Pozzoli zusammen: Gemeinsam leiten sie die Vermarktungs-Agentur TBS Crew, die zwölf Mitarbeiter beschäftigt und sich um das Millionen-Business von Ferragni kümmert. Das Motto: #TheBlondeSaladNeverStops.

Ich habe mittlerweile übrigens genug schöne Freunde, Landschaften und Taschen aus dem Leben der Chiara Ferragni gesehen. Deswegen prüfe ich Ausweichmöglichkeiten: Die 22-jährige Schwester Valentina Ferragni hat auf Instagram 629.000 Follower, die ältere Schwester Francesca Ferragni bringt es auf 140.000 und ihre Mutter, Marina Di Guardo, hat 72.200 Fans. Keine der drei hat mich allerdings so überzeugt wie Chiaras Mops, Matilda Ferragni. Der hat auch 26.300 Follower, obwohl er nicht ganz so schön aussieht.

Bild: Collage Gründerszene / Instagram