Shanghai
Shanghai Die Skyline von Shanghai. Hier geht es rund in Sachen High-Tech

Das ist schon eine gewagte These. In einem Artikel für die New York Times analysiert der Autor Paul Mozur, dass die chinesische Technologiebranche in Sachen Innovation und Modernität den USA inzwischen überlegen ist. Folgende Argumente und Belege führt er an:

Mit den chinesischen Apps WeChat und Alipay können schon lange Zahlungen geleistet oder Geld transferiert werden. Facebook arbeitet noch an dieser Funktion.

Der chinesische Videostreaming-Service YY.com macht schon seit Jahren aus ganz normalen, jungen Chinesen Online-Stars. Bei Facebook und Twitter stehen Live-Videos noch am Anfang.

Bereits heute benutzen mehr Menschen in China ihre Smartphones, um ihre Rechnungen zu bezahlen, Dienstleistungen zu bestellen, Videos zu schauen und um sich für Dates zu verabreden als irgendwo sonst in der Welt. Bei mobilen Zahlungen hat China die USA überholt. Ähnliches gilt für die neuen Online-Plattformen, auf denen man sich gegenseitig Geld leihen kann.

Der Kauf von Uber China durch Didi Chuxing zeigt, dass chinesische Player inzwischen mit den Startup-Riesen aus den USA mithalten können.

Bevor es Tinder gab, flirteten die Chinesen schon längst mit der App Momo.

Die Idee, Bestellungen mit Drohnen auszuliefern, stammt nicht von Amazon. Die chinesische Lieferfirma S.F. Express experimentierte als erstes damit.

Das chinesische WeChat bot lange vor Facebook schnelle, integrierte Artikel an, entwickelte vor WhatsApp eine Walkie-Talkie-Funktion und integrierte die Nutzung von QR-Codes lange vor Snapchat.

Ben Thompson, Gründer der Tech-Forschungsfirma Stratechery, sagt: „Offen gesagt ist die Geschichte, dass China die USA kopiert, schon seit ein paar Jahren nicht mehr wahr. Und im mobilen Bereich passiert genau das Gegenteil. Die USA kopieren China. Wenn Sie die Entwicklung der Facebook-Messenger-App verstehen wollen, müssen Sie sich einfach nur das chinesische WeChat anschauen.“

Aber es gibt noch Bereiche, in denen China hinterher läuft. Server und Computer sind auf amerikanische Technik aufgebaut. Bei autonomen Autos ist Google führend. Außerdem fehlt chinesischen Produkten oft der Glanz. Aber es gibt zwei Voraussetzungen in China, die das Land für eine schnelle digitale Entwicklung geradezu prädestinieren:

      1. Nach dem Ende der Kulturrevolution im Jahr 1976 gab es ein wirtschaftliches Vakuum, in das die Tech-Firmen stoßen können. In den USA gibt es schon lange eine verlässliche, wirtschaftliche Infrastruktur, die sich nur langsam wandelt.
      2. Viele Chinesen haben sich nie einen Computer gekauft. Aber 600 Millionen Einwohner nutzen ein Smartphone als zentrale Schaltzentrale in ihrem Leben. Deshalb verbreiten sich mobile Dienste hier viel schneller.

Das Silicon Valley lag lange vorne, was die Entwicklung der digitalen Welt angeht. Hier wurden die sozialen Netzwerke und das iPhone aus der Taufe gehoben. China zog mit Kopien nach, weil die Regierung Zugriff auf die digitalen Produkte haben wollte. Doch diese Phase ist jetzt beendet, wenn man der New York Times glaubt.

Als ersten Markt außerhalb Chinas nimmt WeChat jetzt Afrika in Angriff. Gegner ist WhatsApp. Doch mit ihren Zahlungs- und Buchungsfunktionen sind die Chinesen im Vorteil. Denn auf dem boomenden afrikanischen Markt fehlt es an Banken, Geldautomaten und anderer Infrastruktur, die durch Smartphones und digitale Plattformen ersetzt werden könnte. In vielen Teilen Afrikas ist WeChat noch unbekannt. Das soll sich schon bald ändern.

Wer mehr wissen will: Hier geht es zu einem Artikel der Kollegen von ZDNet, die vor einigen Wochen sieben chinesischen Tech-Companys vorgestellt haben, die die Zukunft der Branche prägen werden. 

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