Der Fall Groupon

Es gab wenig, was Christian Lutz Schoenberger vor zwei Jahren nicht erreichen wollte. Günstig Spirituosen im Netz verkaufen, eine eigene Crowdfunding-Plattform starten, viel Investorengeld für seine Internetfirmen einsammeln – doch geworden ist aus all dem nichts. Stattdessen machte er Schlagzeilen mit „Schampus-Abzocke“: Über Groupon kauften Kunden günstigen Champagner bei Schoenbergers Firma Stardrinx. Viele haben diese Getränke aber nie bekommen. Seit Februar 2013 liegt deswegen eine Anklage gegen den Gründer beim Hamburger Landgericht – wegen gewerbsmäßigem Betrug in 124 Fällen. Doch das Verfahren wurde noch nicht eröffnet.

Also hat Christian Schoenberger weiter gemacht. Er gründete die Schoen Gesehen Ventures GmbH, die später umbenannt wurde: zunächst in BSB Retail, dann vergangenen Sommer in Runner Runner Online. Damit betreibt er nun wieder einen Getränke-Versand, dieses Mal mit dem Namen Welovedrinks.de. Wie bereits bei Stardrinx geben auch jetzt Kunden an, ihre Bestellung von Welovedrinks.de nicht erhalten zu haben.

Erneute Anzeige wegen Betrug

Und das scheint Folgen zu haben: Erst vor wenigen Tagen wurde Schoenberger erneut wegen Betrugs angezeigt. Das bestätigte die Hamburger Staatsanwaltschaft gegenüber Gründerszene. Nun wird geprüft, ob in dem neuen Fall Ermittlungen aufgenommen werden. Der Unternehmer selbst schrieb auf Nachfrage in einer Mail an Gründerszene, er könne dazu keine Angaben machen, da die Korrespondenz über seine Anwälte laufe. Bei einem späteren Anruf erklärte er, die Anzeige sei eine „Lappalie“ und sagte, Kunden würden ihn erpressen und nötigen. „Diese Kunden regen mich so auf. Sie bestellen und dann zeigen sie mich einen Tag später an“, so Schoenberger. Die Verbraucherzentrale NRW warnt mittlerweile vor dem Shop:

Warum aber konnte der Unternehmer trotz zahlreicher Anzeigen überhaupt mit seinen Geschäften weitermachen?

Eine Sprecherin des Hamburger Landgerichts erklärt, wieso es über zwei Jahre nach dem Groupon-Betrug noch immer keinen Eröffnungstermin für den Prozess gibt: Demnach seien zunächst zahlreiche Strafanzeigen gegen Schoenberger von den Amtsgerichten an das Landgericht Hamburg gegeben worden, um sie in die größere Klage zu integrieren. Weiterhin sei das Verfahren einer Kammer anhängig, die sich um den aufwändigen Prozess gegen den Unternehmer Heinrich Maria Schulte kümmern musste – angeklagt wegen Veruntreuung von über 140 Millionen Euro und nun verurteilt. Deswegen, so die Sprecherin, seien alle Klagen zurückgestellt worden, bei denen keine Untersuchungshaft anhängig gewesen sei. So auch bei Schoenberger. Voraussichtlich werde es aber bald Neuigkeiten zur Verfahrenseröffnung geben.

Schoenberger hingegen sagt im Gespräch, er sei von allem freigesprochen worden. Auf den Hinweis, dass die Klage noch beim Landgericht liege, sagt er: „Das ist doch uralt“. Außerdem habe er allen Stardrinx-Kunden ihr Geld zurückgezahlt. Eine frühere Kundin widerspricht dem gegenüber Gründerszene: Sie habe bis heute kein Geld erhalten. Und: Ein Gerichtsvollzieher habe damals weder an der Firmenadresse in Berlin noch in München jemanden angetroffen.

Paranoid, das sind die anderen

Heute steht Schoenbergers Firma Runner Runner Online, zu der Welovedrinks.de gehört, als vermögenslos im Handelsregister und soll gelöscht werden. Dazu bemerkt der Gründer in seiner Mail an Gründerszene zunächst lediglich, dass er sich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen habe. Doch offizieller Geschäftsführer von Runner Runner Online ist der 28-Jährige noch immer.

Am Telefon möchte Schoenberger dann doch mehr erzählen: Es finde eine Hetzjagd auf ihn statt, sodass er bei Runner Runner Online nicht einmal die echte Adresse seiner Firma im Impressum angeben könne. „In dem Haus sitzen noch drei weitere Firmen und die sind paranoid.“

Der eingetragene Firmensitz des Unternehmens ist laut Handelsregister und Google Street View ein Privathaus in einem weit nördlich gelegenen Hamburger Vorort. Als das Unternehmen noch Schoen Gesehen Ventures hieß und mit Stardrinx Geschäfte machte, will Schoenberger in der Hamburger City gesessen und 120 Mitarbeiter Mitarbeiter beschäftigt haben. Die Bild-Zeitung schrieb dazu allerdings 2013, Stardrinx sei aus dem Haus der Mutter heraus betrieben worden. Der Unternehmer schickte Gründerszene damals auf Nachfrage eine Mail mit Fotos, die gefüllte Lagerräume zeigten und den Bild-Artikel widerlegen sollten:

Heute wie damals besteht Schoenberger darauf, dass das Getränke-Geschäft gut laufe: „Bis auf Kleinigkeiten haben wir einen reibunglosen Ablauf“. Und Runner Runner Online sei gar nicht insolvent, über die Firma habe er lediglich das Chaos der letzten zwei Jahre abgewickelt. Welovedrinks.de mache am Tag 10.000 bis 15.000 Euro Umsatz. Mit Runner Runner Online könne noch bis Ende des Monats operieren und Welovedrinks.de dann einfach mit einer anderen GmbH weiterführen. „Eine GmbH ist ja schnell gegründet. Und auch schnell wieder weg.“

So wie sein groß angekündigtes Xird: Stolze 7,5 Millionen Euro wollte Christian Schoenberger für das Unternehmen eingesammelt haben. Eine Hälfte des Geldes sollte als Kapital „von ehemaligen Groupon-Investoren“ in die Firma fließen, der Rest seien Mediadeals, gab er im Sommer 2013 gegenüber Gründerszene an. Mit Xird wollte Schoenberger Schnäppchen anbieten und den gesamten Prozess inklusive Abwicklung und Versand – anders als etwa Branchenprimus Groupon – selbst übernehmen. Das Startup sollte mittelfristig von sechs auf 70 Mitarbeiter wachsen. Im Handelsregister aber war Xird nicht zu finden, die Webseite sieht nun so aus:

Auf die Frage nach Xirds Schicksal sagt Schoenberger, das Ganze habe erst gut funktioniert – wegen der Stardrinx-Schlagzeilen seien aber die Sponsoren schnell abgesprungen. Ebenfalls nie an den Start gegangen ist seine angekündigte Crowdfunding-Platform Founderr.de, die der Unternehmer mit ehemaligen Top-Managern von Groupon gegründet haben wollte. Heute steht die Domain wie die von Xird zum Verkauf.

Der Hamburger Gründer scheint auf ganzer Linie gescheitert zu sein, doch er fühlt sich missverstanden: Ob denn nicht einmal jemand darüber schreiben könne, wenn er etwas gut mache? So habe er ja auch noch die Plattform Deal-stars.de. Ob man die auf dem Schirm habe? Doch auch Deal Stars gehört zum insolventen Runner Runner Online.

Auf Facebook präsentiert sich Schoenberger stets als Unternehmer, der genau weiß, was er tut (und sogar sonntags Notartermine bekommt):

Im Gespräch betont er seinen Erfolg. Bei seinen Kunden, den Hamburger Clubs, kenne man ihn gut. Und außerdem sei Runner Runner Online nicht seine einzige Firma. Er behauptet: Als Treuhänder besitze er „sechs bis sieben“ Online-Shops, mit denen er 60.000 bis 70.000 Euro Umsatz pro Tag einfahre. Geschäftszahlen oder Belege wurden auf Nachfrage von Gründerszene bislang nicht vorgelegt. Auch die Namen der Firmen möchte der Unternehmer nicht verraten. „Dann habe ich am nächsten Tag Umsatzeinbußen von 50 Prozent“, so Schoenberger. Zudem säßen in den Firmen erfahrene Geschäftsführer, die dann um ihre Jobs bangen müssten.

Sollte der Prozess gegen Schoenberger bald eröffnet werden, wird er sich wohl auch andere Sorgen machen müssen.

Titelbild: Gründerszene, Bilder: Christian Schoenberger, Screenshots Xird.de und Facebook