CHRONEXT Philipp Man Ludwig Wurlitzer
Die Chronext-Macher Ludwig Wurlitzer und Philipp Man (von links)

Unter dem Ärmel von Ludwig Wurlitzer schimmert ein Ziffernblatt. Meist bedeckt von Hemd und Pullover blitzt es nur dann hervor, wenn der sonst so ruhige Gründer mit ausholenden Bewegungen ins Schwärmen gerät. Was eigentlich nur dann passiert, wenn die Rede auf Uhrwerke kommt. Eine Rolex sei das, sagt er dann und guckt ertappt. Etwas widerwillig schiebt er das Ärmelende hoch, um sie ganz zu zeigen. Wie viel die gekostet hat? Wurlitzer schüttelt nur stumm den Kopf und lächelt.

Mit gerade einmal 25 Jahren gehören Wurlitzer insgesamt drei solcher Luxusuhren – und er macht sein Hobby zum Beruf: Wurlitzer ist einer der Gründer des Uhren-Startups Chronext. Während des BWL-Studiums in London startete er gemeinsam mit seinem Kommilitonen Philipp Man der WG-Küche den Uhren-Marktplatz, über den seitdem gebrauchte und neue Luxusmodelle verkauft werden.

„Alles, was wir machen, ist natürlich rechtlich einwandfrei“

Heute, vier Jahre später, erinnert bei Chronext nur noch wenig an eine fixe Idee zweier Studenten. 21.000 Uhren – Marken wie Rolex oder Cartier – hat der Marktplatz nach eigenen Angaben im Angebot. 100 Mitarbeiter arbeiten in Büros in Köln, London sowie im schweizerischen Zug, wo die Muttergesellschaft sitzt.

In einer hauseigenen Werkstatt im Kölner Hauptquartier verifizieren zudem elf Uhrmacher gebrauchte Uhren, die die das Startup aufkauft, und reparieren sie. Über den Marktplatz handeln nicht Kunden mit Kunden. Stattdessen ist Chronext durch den Ankauf der Uhren der Vertragspartner beim Weiterverkauf, um so die volle Kontrolle über den Verkaufsprozess und die Logistik zu behalten.

Neue Uhren bezieht das Startup entweder von den Herstellern selbst oder von sogenannten Konzessionären: Das sind Händler, die offizielle Verkaufspartner der Uhrenhersteller sind. Gelangen Luxusprodukte auf anderem Weg auf den Markt – etwa über einen weiteren Händler in einem anderen Land –, spricht man oft von Graumarktware. Die Chronext-Macher distanzieren sich von dem Verkauf solcher Produkte, man pflege partnerschaftliche Beziehungen zu den Marken. „Alles, was wir machen, ist natürlich rechtlich einwandfrei“, fügt Wurlitzer hinzu und verweist auf Geldgeber wie die landeseigenen NRW-Bank, die ihre Investments genau überprüften.

Man kaufe auch Uhren im Ausland ein, ein „sehr komplexes Sourcing-Netzwerk“ ermögliche günstige Einkaufspreise für das Startup und so für die Chronext-Kunden. Wurlitzer erklärt das Prinzip so: „Ich kann auch ein Snickers in Frankreich kaufen und in Deutschland verkaufen – mit Uhren ist es nicht anders.“

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Eine Uhrmacherin bei Chronext

Attraktive Margen im Uhrensegment

Während zum Beispiel der Berliner Konkurrent Montredo den Handel mit Gebrauchtuhren aufgegeben hat, weil er sich nicht lohnte, hält Chronext weiterhin daran fest. „Wir glauben daran, dass wir dem Kunden nur die optimale Bandbreite an allen Leistungen bieten können, in dem wir neue und gebrauchte Uhren anbieten“, sagt Mitgründer Man. „Abgesehen davon sind die Margen sowohl bei Neuware als auch bei gebrauchten Uhren extrem attraktiv.“ Wie hoch sie genau sind, kommentieren die beiden Gründer nicht. Pro Transaktion lägen sie jedoch im zweistelligen Prozentbereich.

Auch zu den Chronext-Geschäftszahlen gibt es nur ungefähre Angaben: 2016 habe der Umsatz im zweistelligen Millionenbereich gelegen, man sei operativ profitabel. Der Durchschnittspreis einer Uhr liegt laut Wurlitzer zwischen 5.000 und 6.000 Euro, die Preisspanne des Angebots variiert stark, die günstigste Uhr gebe es für 700 Euro.

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Chronext-Macher Philipp Man und Ludwig Wurlitzer (von links)

Gelagert werden die Uhren unter anderem in der Niederlassung des Startups in Köln. In Räumen, die nur mit Code und durch zwei Sicherheitstüren zu betreten sind, stapeln sich Pakete mit der wertvollen Ware, die auf eine Inspektion oder den Verkauf wartet. Einen deckenhohen, begehbaren Tresor haben die beiden Gründer hier einbauen lassen. Das war nicht immer so: Früher hätten sie die teuren Uhren schon mal in Schubläden gepackt, erzählen sie lachend. „Wir haben schnell gelernt, dass wir doch nicht so viel wissen, wie wir anfangs dachten“, gibt Wurlitzer zu. „Anfangs dachten wir, wir seien die ‚Master of Universe‘ und könnten alles. Und dann klappte gar nichts.“

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Das Lager von Chronext in Köln

Ein Laden in London ist Ziel von Dieben

Ein anderes Learning: Ein wertvolles Paket beim Nachbarn abzugeben oder ins Büro schicken zu lassen, ist nicht unbedingt eine gute Idee. „Einer der ersten Kunden wohnte in den USA, wir haben seine Uhr also dorthin geschickt“, erinnert sich Wurlitzer. „Er war nicht zuhause – und das Paket wurde einfach in den Garten gestellt.“ Bei einer Uhr, die im Schnitt zwischen 5.000 und 6.000 Euro kostet, ist das, vorsichtig gesagt, unvorsichtig. 

Trotz der grundsätzlichen Online-Ausrichtung von Chronext legen die Gründer Wert auf eine analoge Komponente. Viele der potentiellen Käufer wollen die Uhren dann doch vorher am Handgelenk sehen oder sie zumindest abholen, sagt Man, als er durch das Büro mit den vielen Glastüren und deckenhohen Fensterfronten führt. Das Kölner Büro ist auf Kundenbesuch ausgerichtet. Die Räume sind clean und chic, in den Meetingräumen warten Whiskey-Flaschen auf wohlhabende Kunden.

2015 eröffneten sie zudem einen Flagship-Store im Zentrum Londons. Und machten eine Erfahrung, die stationären Händlern droht: Bereits zwei Mal wurde der Laden ausgeraubt. Dennoch halten die beiden an der analogen Präsenz fest.

Chronext will kein Startup mehr sein

Aufgeben liegt den beiden jungen Gründern nicht, die gerade einmal 20 und 21 Jahre alt waren, als sie Chronext aus der Taufe hoben. 148 Anfragen habe er anfangs an Investoren geschickt, erzählt Man, seine Augen funkeln herausfordernd. Zuerst ohne Erfolg. Doch das ist vergessen: Insgesamt 18 Millionen Euro hat das Startup mittlerweile von einer Vielzahl an Gesellschaftern wie Partech Ventures oder den eDarling-Gründern Lukas Brosseder und David Khalil einsammeln können. Die Gründer sind noch immer die größten Einzelgesellschafter, sagen sie. „Rocket-Leute, die vorher bei McKinsey waren und dann einfach an die Spitze eines Unternehmens gesetzt werden, haben nichts mit Unternehmertum zu tun“, betont der Kölner. „Für mich ist jemand ein Unternehmer, wenn er etwas von Anfang an aufbaut.“

Nun, mit Mitte 20, versuchen die Gründer, ihr Unternehmen bewusst vom Startup-Image zu lösen, erklärt Man, der ebenfalls eine auffallende Uhr trägt. Er zeigt seine „Patek Philippe“ stolz hervor – den Preis will er aber nicht verraten. Sie sei nur eine von insgesamt elf Stück in seinem Besitz. Die beiden Gründer treten betont reif auf, Chronext soll erwachsener wirken – und damit vielleicht auch seriöser. „Ein Startup benimmt sich am Anfang wie ein Straßenhund, es verhält sich aggressiv, um sich einen Platz zu erkämpfen“, glaubt Man, der 2017 von Forbes zu einem der 30 Entrepreneurs unter 30 in Europa gewählt wurde. „Das können wir jetzt nicht mehr, wegen unserer Kunden.“ Doch ein wenig Startup-Übermut bleibt erhalten: An der Wand des Büros hängen Zitate von Rappern, die Idee von Man. Sein Lieblingsspruch? „I’m not a business man. I’m business, man.“

Bilder: Chronext